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Re: Recht und Ordnung..



Sierk Hamann <sierk_hamann@gmx.de> writes:

> Ne, der Ticker ist wohl kaum als "genau" zu bezeichnen. Heiko, versuchs
> mal mit der wesentlich ausführlicheren Pressmeldung unter "www.bgh.de".
> Da hat heise wohl auch nur abgeschrieben :-)

Hier die Pressemitteilung, da sie nur schwierig aufzutreiben ist
(Word-Dokument, vergraben auf der BGH-Homepage bei der Uni Karlsruhe):

Nr. 95/2000

Verbreitung der Auschwitzlüge im Internet

Das Landgericht Mannheim hat einen australischen Staatsbürger wegen
Beleidigung in Tateinheit mit Verunglimpfung des Andenkens
Verstorbener in drei Fällen, in einem Fall zudem in weiterer
Tateinheit mit Volksverhetzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
zehn Monaten verurteilt. Eine Verurteilung auch wegen Volksverhetzung
in den beiden übrigen Fällen -- den Internet-Fällen -- hat das
Landgericht abgelehnt. Zwar sei der Tatbestand erfüllt, für diese
Taten gelte jedoch das deutsche Strafrecht nicht. Hiergegen hatte die
Staatsanwaltschaft Revision eingelegt.

Der Angeklagte ist Direktor des "Adelaide Institutes" in
Australien. Er verfaßte Rundbriefe und Artikel, in denen er
"revisionistische" Thesen vertrat, die er in die homepage des
Instituts auf einem australischen Server in das Internet
stellte. Unter dem Vorwand wissenschaftlicher Forschung wurde die
unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Ermordung der
Juden bestritten und als Erfindung "jüdischer Kreise" dargestellt.

Die zwei Internet-Fälle betreffen vom Angeklagten selbst verfaßte
Publikationen, die die Auschwitzlüge zum Inhalt haben. Auch diese
Publikationen hat der Angeklagte in das Internet gestellt.

Da der Angeklagte selbst nur im Ausland gehandelt hat, hängt die
Geltung des deutschen Strafrechts davon ab, ob "der zum Tatbestand
gehörende Erfolg" ( § 9 StGB) in Deutschland eingetreten ist. Die
Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB setzt voraus, daß
die Tat geeignet ist, den öffentlichen Frieden in Deutschland zu
stören. Der tatsächliche Eintritt einer Friedensstörung ist nicht
Tatbestandsvoraussetzung; die Volksverhetzung ist daher ein
sog. abstraktes Gefährdungsdelikt. Ob solche abstrakten
Gefährdungsdelikte einen Erfolgsort im Sinne des § 9 StGB haben
können, war bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden und in der
Literatur umstritten. Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden:

Stellt ein Ausländer von ihm verfaßte Äußerungen, die den Tatbestand
der Volksverhetzung im Sinne des § 130 Abs. 1 oder des § 130 Abs. 3
StGB erfüllen ("Auschwitzlüge"), auf einem ausländischen Server in das
Internet, der Internetnutzern in Deutschland zugänglich ist, so tritt
eine zum Tatbestand gehörende Eignung zur Friedensstörung (Erfolg im
Sinne des § 9 Abs. 1 3. Alternative StGB) im Inland ein.

Hervorzuheben ist, daß die Entscheidung nur zu dem Fall ergangen ist,
daß der Autor seine eigenen volksverhetzenden Äußerungen ins Internet
stellt.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der Bundesgerichtshof
daher in den Internet-Fällen auch auf Volksverhetzung erkannt und den
Strafausspruch aufgehoben. Auf die Revision des Angeklagten hat der
Bundesgerichtshof das Urteil wegen eines Verfahrensfehlers
aufgehoben. Der Vorsitzende der Strafkammer hatte dem Angeklagten
einen Verteidiger bestellt, gegen den zur selben Zeit ein Verfahren
wegen Volksverhetzung anhängig war. Der Verteidiger hatte sich
vergeblich gegen seine Bestellung gewandt und zweimal um seine
Entpflichtung gebeten. Im Hinblick auf sein eigenes Verfahren hatte er
sich in dem Verfahren gegen den Angeklagten passiv verhalten. Damit
war der Angeklagte vor dem Landgericht nicht ordnungsgemäß verteidigt.

Die zitierten Strafvorschriften sind im Anhang abgedruckt.

BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 -- 1 StR 184/00

Karlsruhe, den 12. Dezember 2000

Anhang -- zitierte Strafvorschriften:

§ 9 Abs. 1 StGB "Ort der Tat"
Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat
oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der
zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der
Vorstellung des Täters eintreten sollte.

§ 130 StGB "Volksverhetzung"
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu
stören,
1.	zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu
        Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder
2.	die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der
        Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder
        verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu
        fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird
bestraft, wer
1.	Schriften (§ 11 Abs. 3), die zum Haß gegen Teile der
        Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse
        oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu
        Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die
        Menschenwürde anderer dadurch angreifen, daß Teile der
        Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft,
        böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,
a)	verbreitet,
b)	öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst
        zugänglich macht,
c)	einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder
        zugänglich macht oder
d)	herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet,
        ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt,
        um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Buchstaben
        a bis c zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung
        zu ermöglichen, oder
2.	eine Darbietung des in Nummer 1 bezeichneten Inhalts durch
        Rundfunk verbreitet.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird
bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus
begangene Handlung der in § 220a Abs. 1 bezeichneten Art in einer
Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder
verharmlost.
(4) Absatz 2 gilt auch für Schriften (§ 11 Abs. 3) des in Absatz 3
bezeichneten Inhalts.
(5) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit Absatz 4, und
in den Fällen des Absatzes 3 gilt § 86 Abs. 3 entsprechend.