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Telepolis über Lutterbeck-Gutachten und FFII
- To: neues@ffii.org, debate@fitug.de, swpat@ffii.org
- Subject: Telepolis über Lutterbeck-Gutachten und FFII
- From: PILCH Hartmut <phm@ffii.org>
- Date: Fri, 22 Dec 2000 22:41:50 +0100 (CET)
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- Gcc: nnml+archive:archive
- Reply-to: phm@ffii.org
- Sender: owner-debate@fitug.de
Unter
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/4539/1.html
findet sich eine kurze Analyse des vom BMWi in Auftrag gegebenen
Gutachtens von Prof. Lutterbeck, PA Horns und Robert Gehring.
Ferner wird dort der neue Offene Brief von FFII, Linux-Verband, VOV
und weiteren Firmen, Verbänden u.a. mit den
Fünf Gesetzesinitiativen zum Schutz der Informatischen
Innovation
erwähnt. Dieser Offene Brief enthält in Initiative 1 eine der
Empfehlungen des Lutterbeck-Gutachtens. Die Kritik an Lutterbeck,
Horns und Gehring, die Stefan Krempl dem FFII zuschreibt, hat es
in ähnlicher Form tatsächlich gegeben. Man kann sie im Archiv
http://ffii.org/archive/mails/swpat/2000/Dec/
nachlesen. Damals war das Gutachten allerdings noch nicht bekannt.
Die Kritik nahm einen Artikel von PA Axel Horns in JURPC zum Anlass.
Der Hornssche Standpunkt findet sich in dem jetzigen Gutachten exakt
wieder.
Einer der Telepolis-Leser bringt es auf den Punkt:
>> Privatanwender dürften ihren Vorstellungen nach die "verschonte"
Software für nichtgewerbliche Zwecke ohne patentrechtliche
Einschränkungen nutzen. Wer derartige Programme gewerblich anwende,
müsse sich für den Gebrauch der Software allerdings der Zustimmung des
Inhabers eines betroffenen Patentes versichern.
steht im Widerspruch zu
>> Konkret wollen sie vor allem die Potenziale von
Open-Source-Entwicklungen [...] nicht durch einen zu engen
Patentschutzrahmen geknebelt wissen. Besonders, weil [...] gerade
Startups im Bereich der New Economy ihre Rechenanlagen auf
Open-Source-Software aufbauen würden.
Ein weiterer Leser sieht darin gar eine Falle für Freie Software:
Agree: Verschiebung der Patentrecherche...
Offtopic 22.12.2000
vom Entwickler zum (gewerblichen) Anwender, heißt das im Klartext.
Wozu soll ich als Open Source Entwickler irgendwelche Patente
recherchieren, wenn ich diese durch die Veröffentlichung meines Codes
sowieso nicht verletze? Vor allem, wenn ich nichts mit der Software
verdiene, sondern sie als freie Software auf die Menschheit loslasse.
Nur welcher Anwender wird das mit sich machen lassen, selbst wenn
diese Recherche vom Entwickler bereits geleistet wurde? Als Anwender
wähle ich dann lieber proprietäre Software, auch wenn sie teuer und
unsicher ist, bei der ich mit solchen kostspieligen Fragen aber nicht
belästigt werde, und bei der ich keine 20 Lizenzen für die betroffenen
Patente einholen muß.
Eine solche Regelung würde freie Software erst recht ersticken,
anstatt ihr zu helfen, wie sie vorgibt (oder heuchelt). Schließlich
und endlich heißt das nämlich, das der Patentinhaber die gewerbliche
Nutzung dieser Software willkürlich unterbinden kann, falls sie z.B.
in Konkurrenz zu seinen eigenen Produkten steht. Ich sage dazu nur:
Microsoft, Linux und das Halloween-Papier.
Mit der Einführung von Software-Patenten gerät freie Software so oder
so in die Mühlen der Rechtsverdreher. Über das "wie" braucht nicht
verhandelt zu werden. Es kann nur eine Lösung geben: Keine
Softwarepatente in Europa!
Und den Vorwurf der Rechtsverdrehung o.ä. muss ich leider auch
gegenüber A. Horns aufrechterhalten. Ich dachte, ich hätte die
patentrechtlichen Argumente längst kraftvoll widerlegt. Wenn nicht
ich selber, dann wenigstens einer der in
http://swpat.ffii.org/stidi/korcu/
referierten Patentrechtsexperten, auf die Horns leider (noch immer)
nicht eingeht.
Aber eigentlich sind das ohnehin nebensächliche Debatten. Mit
juristischen Spitzfindigkeiten drängen sich Juristen gerne bei Themen
in den Vordergrund, bei denen sie sonst nichts zu sagen hätten.
Die Frage hat erst einmal zu lauten:
Steht dem Verzicht auf Freiheit ein mehr an Wohlstand gegenüber?
Erst wenn diese Frage von Informatikern und Ökonomen mit einem sehr
entschiedenen JA beantwortet werden kann, fängt die juristische
Debatte an, interessant zu werden.
Eigentlich hätte ich gedacht, dass Prof. Lutterbeck das weiß. Er
hatte sich beim BMWi in Berlin so geäußert. Aber nun ist dank der
juristischen Expertise von Horns ein sehr merkwürdiger Tenor
herausgekommen. Ähnlich wie bei der IPI-Studie der Generaldirektion
Binnenmarkt. Er lässt sich resümieren mit den Worten
Softwarepatente sind schlecht, also lasst uns sie einführen!
Auch die übrigen Forderungen wie die nach einer Neuheitsschonfrist und
der Aufgabe des Dekompilierungsverbotes bringen wenig und schaden
m.E. sogar mehr als sie nützen. Auch darüber haben wir auf
swpat@ffii.org und debate@fitug.de (leider weitgehend in Abwesenheit
von Gehring, Horns und Lutterbeck) ausführlich gesprochen, und auch
beim BMWi im Mai stieß Robert Gehrings "Berliner Ansatz" bei den
Rednern (Daniel Riek, Bernhard Reiter u.a.) auf einhellige Ablehnung.
Die "Forschergruppe Internet Governance" um die Vordenker unter
"think-ahead.org" mit ihrem "Berliner Ansatz" tut genug zur eigenen
Image-Pflege aber zu wenig zum Dialog, der m.E. die wesentliche
Funktion des Mediums Internet ist. Etwas mehr Dialog in verschiedenen
Foren könnte so manchem universitären Projekt gut tun und Umwege
vermeiden helfen. Vor allem hätte dann auch mehr herauskommen können
als die altbekannten persönlichen Meinungen einiger Diskutanten.
Schade um diese Studie!
Die nächste BMWi-Studie wird von einem Institut der
Fraunhofer-Gesellschaft geleitet. Die langjährigen Erfahrungen der
Fraunhofer Patentstelle
http://www.pst.fhg.de
stehen dem interdisziplinären Team zur Verfügung. Ob wohl von
juristischer Seite jemand vom "Max-Planck-Institut für Internationale
Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht" dabei ist. Wie z.B. Daniele
Schiuma? (s. http://swpat.ffii.org/vreji/papri/iic-schiuma00en.html)
Dann wäre fast sichergestellt, dass der Auftrag von einer perfekten
Softwarepatent-Lobbygruppe durchgeführt wird.
Merkwürdig, dass diejenigen, die den Patentkonzern kritisieren, immer
als parteiische Außenseiter gelten und bei Studien nicht beteiligt
werden, während die Zugehörigkeit zum Patentkonzern wohl als
Neutralitätsnachweis gewertet wird.
Eigentlich ist es eher nebensächlich, ob die Autoren voreingenommen
sind. Das sind sie sowieso. Viel wichtiger ist, dass sie sich
bemühen, möglichst offen vorzugehen, die Netzgemeinde weitestgehend
einzubeziehen und durch wirklich aussagekräftige empirische Forschung
neue Erkenntnisse gewinnen, statt in methodologisch korrekten
Datenfriedhöfen ihre vorgefassten Meinungen auszudrücken. Dazu können
sowohl Fraunhofer als auch unser Freundeskreis in der Lage sein.
Fraunhofer steht jetzt in der Verantwortung, auf uns zuzugehen.
Einige mögliche Anforderungen an empirische Studien stehen unter
http://swpat.ffii.org/stidi/preti/
zusammengefasst.
Weitere Neuigkeiten
Why Software Patents are so Trivial
http://swpat.ffii.org/stidi/frili/
Offener Brief:
5 Gesetzesinitiativen für den Schutz der Informatischen Innovation
http://swpat.ffii.org/xatra/patg2C/
http://swpat.ffii.org/xatra/patg2C/patg2Cde.pdf
http://swpat.ffii.org/vreji/pikta/
Gruselkabinett der Europäischen Softwarepatente
(inzwischen ein Stück weiter aufgeräumt, dank Xuan, Tom und anderen)
Die unwissenschaftlichen Methoden des IPI-Forschers Robert Hart
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/clsr-rhart97en.html
Schöne Weihnachten, erholsame Tage und ein softwarepatentfreies neues Jahr!
-phm