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Re: Industrie vs. Menschen



On Mon, Feb 05, 2001 at 03:01:27PM +0100, Rigo Wenning wrote:
> On Mon, Feb 05, 2001 at 02:16:22PM +0100, Holger Veit wrote:
[...]

> Sicherlich. Was heute fehlt ist ein Format, das Dir erlaubt,
> jederzeit über die Verteilung Deiner Info in nicht-öffentlichen
> Quellen informiert zu sein. P3P im Data Warehouse/Mining ist dazu
> eine Idee, die ich habe. Hat man erst einmal eine strukturierte
> Sprache, dann kann sich Dein Client das auch automatisch merken.
> Der Zugang bei den Unternehmen ist auch nicht mehr so teuer..
> etc.

Format in allen Ehren, aber das ist eine zu technische Denke, IMHO.
Irgendwoher kam der Spruch von ISO-Layer 8 und 9: Politik und Religion.

Es funktioniert heute noch nicht mal die fuer eCommerce so wichtige
Authentifizierung/Zertifizierung, weil sich die Interessenten nicht
ueber ein gemeinsames System einigen koennen. Waere technisch ganz
nett, sich allein mit einer Chipkarte gegenueber Behoerden fuer
Allerweltsdinge (Wohnort ummelden, Steuerkarte anfordern) zu
identifizieren - dem Techniker reichen da ein paar PGP-Bits (oder noch
ein paar Bits mehr, wenn man es ordentlich machen will). Bei eCommerce
regiert nach wie vor das uralte Kreditkarten-Format, trotz aller bekannter
Probleme.

Mag sein, dass das vielleicht irgendwann geloest sein wird; ich vermute
eher nicht, solange Kooperation nicht mehr belohnt wird. Das zeigt die
Vereinnahmung des Internets durch den Kommerz recht gut - ihr bastelt
vom W3C an netten Standards, und jemand, der einen kurzfristigen Reibach
sucht, torpediert das mit einem kotzgeilen bunten Browser, der die
vorgegebenen durchdachten Standards mit eigenen Verschoenerungen
sabotiert. 

> > Als Spieltheoriefan erwaehne ich da nur, dass bei einem gewissen Prozentsatz
> > von Betruegern sich eigene Fairness oder Nettheit nur noch auf das eigene
> > Gewissen positiv auswirkt. Um so mehr, wie es lediglich auf kurzfristige
> > Profitmaximierung ankommt.
> 
> Wieder richtig. Aber wenn man die Rahmenbedingungen ändern kann,
> dann ändern sich die Determinanten und damit Dein gesamtes
> Rechenexempel. Dann greift Deine Wenn-Dann-Folge nicht mehr.

Es ist nichts so schwierig, wie im Vorhinein die Zukunft zu prognostizieren 
(hinterher ist das deutlich einfacher) :-) Genau das wird passieren:
die Rahmenbedingungen werden sich aendern. Leider nicht notwendigerweise
so, wie es der Verbraucher gerne sehen wuerde. Der Schockwellenreiter
ist eine nette Hacker-Allmachtsphantasie. Es steckt einfach zuviel
Geld hinter solchen Daten.

> Es wird nie auszuschliessen sein -schon gar nicht mit Technik- ,
> dass es ein paar dunkle Gestalten gibt, die sich unkorrekt
> verhalten. Dennoch ist das korrekte Verhalten langfristig
> wesentlich rentabler. Es geht hier nicht um Spammer, die ohnehin
> wirtschaftlich auf dem letzten Loch pfeifen.

Die Spammer sehe ich auch wirklich als ein laecherliches Problem an,
selbst wenn die naechsten Jahre die Volumina solchen Muells noch
zunehmen werden. Ueberdies wird ein Abstumpfungseffekt eintreten.
Wer damals noch beim zweigleisigen Fernsehen (ARD/ZDF) gegen Werbe-
einblendungen ohne Mainzelmaennchen-Zwischenschnitte gewettert hat,
laesst sich heute von den Privaten in der Glotze und doubleclick
auf der Webseite klaglos berieseln.

Wer moechte Zugriff auf seine Daten haben, wenn dafuer ein entsprechend
ueberzogener Preis verlangt wird ("marktueblich", wie etwa bei Banken,
deren Kontofuehrungskosten trotz aller EDV immer noch so berechnet werden,
als wuerde ein Pferdekurier einen Geldsack zwischen den Filialen hin-
und hertransportierte)? Eine Begruendung fuer Kosten laesst sich
problemlos finden.

Ein dritter Punkt: bei der Begrenztheit der Geschaeftsbeziehungen einerseits
und der Groesse des Marktes andererseits: Es mag sicherlich einen langfristigen
Vorteil geben, sich bei Geschaeften fair zu verhalten. Nur, bei wievielen
Unternehmen (B2C, nicht B2B, da ist ein Unterschied!) ist es denn real,
von laengerfristigen Beziehungen auszugehen - von den Dingen des taeglichen
Gebrauchs abgesehen - selbst da ist nicht davon auszugehen, dass ich 
lebenslang dieselbe Zahnpastamarke oder etwa Wurstsorte ;-) kaufen werde?
Mein Auto kaufe ich heute bei VW, morgen bei Ford, uebermorgen bei
Toyota, und vielleicht sind im allgemeinen Fusionsrummel dann diese
Firmen ein- und dieselben, oder Daimler nicht mehr Chrysler oder
Rover nicht mehr BMW? So what? In der Jahresbilanz der Unternehmen
zaehlt ein Auto, das ich in 3 Jahren fahren werde, recht wenig.

Und selbst wenn ein Protokoll existiert und ein Gesetz zur Offenlegung:
wieviel wird offengelegt, an wen (Stichwort wieder Zertifikate/
Authentifizierung), wo beginnen Betriebsgeheimnisse? Bei letzterem
ist eher der Trend derzeit, jegliche Privatrechte hintenrueber-
fallenzulassen; business rulez. Ich bin da Pessimist (als Techniker
kann ich mir vorstellen, was gehen kann. Leider bleibt sowas nicht
mein Privatgeheimnis).

Holger

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