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Re: Werthebach: wer blamiert sich?



Sehr geehrter Herr Jäckel,

(Erklärung:
kein Pfeil: Däßlers letzte 'Weisheiten'
ein Pfeil: Jäckels letzte Antwort.
zwei Pfeile: Däßlers vorherige Antwort
drei Pfeile: Jäckels ursprüngliche Aussagen)

> > Ihr Ansatz, daß die Benennung der Dinge unwesentlich sei,
> > weil man ja doch bei jedem Fachwort erst lernen muß, was es bedeutet,
> > ist schlichtweg falsch.
> Beweis? Erklärung?

Ihre Behauptung war, daß die Benennung unwesentlich sei. Mein ganzer
folgender Text (> >) war die Begründung. Einen formalen Beweis kann ich 
nicht führen, da wir uns nicht in einem formalen System bewegen. Meine
Behauptung ist: Der überwiegende Teil (ich schätze 90%) der Begriffe 
und auch der Zeichen eines Modells werden intuitiv, aus dem Kontext 
erlernt, ohne je eine formale Definition zu bekommen. 

> > Zuviel unverständliches, das umständlich über Versuch und Irrtum
> > erlernt werden muß, tötet die Wissenschaft. Bitte beobachten Sie
> > sich doch einmal, wenn Sie sich in eine wissenschaftliche Disziplin
> > wirklich einarbeiten. Nur wenige Begriffe werden Sie bewußt lernen, die
> > übergroße Menge nehmen Sie intuitiv auf. 
> Siehe Philosophie: Jedes intuitiv verstandene Wort hat nicht die 
> Bedeutung, die man üblicherweise darunter versteht. Ergebnis:
> man versteht erstmal nichts, obwohl die Worte bekannt sind.

Das liegt aber nicht am intuitiven Verstehen, sondern an der Schwierigkeit
wirklicher Philosophie. Deren Kategorien sind im Gegensatz zu den praktischen
Disziplinen nicht durch allgemein bekannte Objekte der Realität 
abgedeckt oder instanzierbar (wie im größten Teil der Mathematik).
Ich glaube, Sie sind auf dem falschen Wege, wenn Sie intuitives Erfassen
als Ursache für Mißverständnisse hinstellen. Es ist genau umgekehrt.
Intuition, d.h. nichtsprachliche Intelligenz, ist die eigentliche
Intelligenz. Bitte beobachten Sie doch einmal Ihren persönlichen Lernvorgang!

> > Noch weit schlimmer
> > ist es, wenn Sie einen Fachvortrag hören. Hier würden Sie ohne
> > Kontextbindungsfähigkeit überhaupt nichts verstehen. Und die
> > Kontextbindungsfähigkeit ist das, was den Menschen zum Erfassen,
> > zum Aufbau seines Relationalen Netzes der Begriffe befähigt. Die
> > ist fast ausschließlich muttersprachlich organisiert. Die Mutter
> > hat das nun mal so angelegt.
>
> Sie befürworten also Wörter mit kontextabhängiger Bedeutung 
Aber ja! Es ist die wichtigste Grundlage unserer ganzen Kommunikation.

> Das steigert nicht gerade die Effizienz der Sprache. Missverständnisse
> werden gefördert.
Siehe oben: Verstehen wird dadurch erst mal überhaupt möglich.

> > > Ist es nicht so, dass man die Bedeutung, also das was repräsentiert
> > > wird,
> > > lernen muss. Ich denke, das die Kritiker von Anglizismen etc., den
> > > Eindruck haben, dass ein neuer Begriff mit deutschen Worten ausgedrückt,
> > > leichter verständlich wäre.
> > 
> > Sie haben nicht nur den Eindruck, sie wissen es sogar.
> > Wir erfassen den Begriff am Anfang ja nur intuitiv, formal verarbeiten,
> > wie Sie das behaupten, können wir ihn erst, wenn wir ihn völlig
> > verstanden haben. Das Lernen von Begriffen kann manchmal Jahre dauern.
> > 
> > Wissenschaft ist ein genauso begriffliches wie kommunikatives Phänomen.
> > Es gibt vom sprachlichen Standpunkt keine Wissenschaft per se,
> > sondern nur Spezialfächer mit Spezialsprachen.
> > 
> > [...]
> > 
> > D.h. der größte Teil einer Wissenschaft ist Kommunikation auf
> > einem sehr komplexen Gebiet. Das ist Wissensvermittlung über
> > Vorlesungen, Vorträge, Seminare, Konferenzen, Diskussionen, und über
> > Lehrbücher, Fachartikel, Internetzkommunikation.
> > 
> > Somit ist Wissenschaft ohne die assoziative muttersprachliche
> > Hilfe suggestiver Zeichen (ich meine Wörter) VERLOREN.

> Siehe Mathematik: Völlig losgelöst? Da eigentlich nur
> Symbole benutzt werden.

Aber wie haben Sie denn Mathematik gelernt? 
Ich habe Mathematik an völlig natürlichen Dingen gelernt. Arithmetik,
Algebra, Mengenlehre usw. ist doch nur an konkreten Modellen zu 
verstehen!
Sie sind doch kein Theorembeweiser, d.h. ein abstrakter Automat! 
Diese sind unendlich ineffizient, weil ihnen die Interpretation 
der Symbole, das heißt,
die Constraints, das heißt (intuitiv), die Wertbedingungen fehlen.
Wir Menschen müssen aber leben, d.h. problemlösen. Und deshalb 
dürfen wir nicht unendlich ineffizient sein, d.h. die Assoziation
unseres Begriffsnetzes zu realen Gegebenheiten muß optimal sein. 

> > Rein aus einer Fremdsprache  konsumiert, quält sie sich
> > mit vielen Irrtümern dahin, bis sie muttersprachliche
> > Qualität erreicht hat.
> > 
> > Und gerade diese versuchen die deutschen Kultusbürokraten im Moment
> > der deutschen Wissenschaft wegzunehmen!  Ein Vergehen an
> > der deutschen Wissenschaft!
> > 
> > > Was z.B. ein "eingebettet System" oder "embedded system" ist, bleibt dem
> > > Laien unabhängig von der Sprache zunächst verschlossen.
> > 
> > "embedded system" ist ein schlechtes Beispiel, weil hier der
> > Muttersprachler sofort vom Klang her eingebettetes System versteht.
> > Und wenn er eingebettetes System hört, dann denkt er sofort an
> > System und an (in etwas anderes) eingebettet. 
>
> Diese Assoziation ist dennoch völlig unzureichend um das Gemeinte
> nur annähernd zu erfassen.

Es ist der erste, damit wichtigste Kontakt, denn hier wird ein
neuer Begriff angelegt - das eingebettete System. Die allgemeinsten
Merkmale, nämlich ein System, d.h. eine rel. abgeschlossene Menge
wechselwirkender Komponenten zu sein, die in ein anderes System
eingebettet ist, d.h. das System ist in seiner Wechselwirkung nach
außen "eingehüllt" in ein anderes. Wenn Sie diesen Begriff intuitiv
so in ihrem relationalen Netz ablegen, liegt er gleich richtig.
"Wrdlbrmpf"  liegt überhaupt nirgends.

> "Lesen Sie unsere Website". Eine Site, d.h. eine
> > Instanz, oder in diesem Falle, einen Internetzknoten kann
> > man nicht lesen, aber 80% glauben das und sind damit schlicht
> > auf dem Holzwege.
> Ja, Sie sollten diesen Begriff nochmal lernen. Ich würde sagen,
> Sie haben ihn nicht verstanden - und leider auch nichts 
> verständliches damit assoziert.

Was Herr Pilch dann noch mal ausführlich zu Site sagt,
(ohne ihn jetzt unbedingt als Schiedsrichter hinzustellen) unterstützt,
daß ich den Begriff verstanden habe. Dementsprechend könnte es umgekehrt 
sein, denn wenn zwei gegensätzlicher Meinung sind, hat entweder der
eine unrecht, oder der andere unrecht, oder beide unrecht. Anders
geht es nicht. Wenn Herr Pilch recht hat mit seiner Site-Interpretation,
sind Sie in einer schwachen Position. Denn "Instanz" umfaß all dieses.

Offenbar im Gegensatz zu Ihnen assoziiere ich eben das "internet"
mit einem Netz, nämlich einem internationalen. Dieses hat für 
mich Knoten (was sitzt da wohl), und das sind eben diese "Sites", diese
Netzknoten im Internetz. Seiten sind es auf keinen Fall. Und nur das
wollte ich sagen. Daß dazu noch Drehkreuze und Transporter
und wer weiß was noch alles gehört, daß verschiedene Netzprotokolle
gelten usw. ist doch vollkommen unerheblich. Ich bin zufällig
Spezialist für Agenten in Netzwerken.

> > Ich behaupte, daß unsere Wissenschaftsbürokraten, die glauben, uns
> > Englisch aufzwingen zu müssen, weil das die "Sprache der Ei Tiee und
> > der Globalen Wissenschaft" sei, schlicht dumm sind. Mittlerweile glaube
> > ich sogar, daß "Politiker" in der Mediengesellschaft ein Negativ-
> > Auswahlkriterium ist.
> Was, bitte schön, hat diese Polemik mit dem Thema zu tun?
> Bürokraten und Politiker sind zweierlei.

Bitte versuchen Sie doch mal ein bißchen intuitiv zu assoziieren,
wenn ich allgemein übliche Begriffe verwende.
Sind Sie ein endlicher Automat ohne Interpretation?
Würden Sie einen Wissenschaftsminister nicht auch gleichzeitig als
Bürokraten und Politiker betrachten können?
Als Wissenschaftsbürokraten sind in den letzten Jahren Leute wie
Zehetmair, Monika Hohlmeyer, Bulmahn und andere im Gespräch. 

> > > Erst
> > > weiterführende
> > > Erklärungen machen den Begriff verständlich, da es sich um eine neue
> > > Vokabel handelt.
> > > Eine mögliche Sicht wäre auch folgende:
> > > Liest man eine neue Bezeichnung bestehend aus wohl bekannten Worten,
> > (meinten Sie aus wohlbekannten Worten, oder aus möglicherweise bekannten?)
> > > ist
> > > es eher so, dass man sofort eine Bedeutung assoziert, die evtl. falsch
> > > ist. Der Begriff wird nicht hinterfragt, die intendierte Bedeutung
> > > bleibt
> > > verschlossen.
> > 
> > Das ist ja lächerlich.
> Das ist polemisch.

Diese Aussage halte ich in der Tat für lächerlich, weil es gar zu extrem ist.
Die Begründung hatte ich unten mit dem Wrdlbrmpf-Hauptsatz gebracht. 

> > Erstens sind z.B. deutsche Informatikbegriffe
> > i.A. sehr viel präziser als anglo-amerikanische.
>
> Z.B. Rechenmachine: Abakus oder was?

Darf ich Sie erinnern, daß Computer "Rechner" heißt? Da ist 
Rechenmaschine in der Tat schon weit präziser. Da weiß man,
daß es eine Maschine ist.

> > Zweitens würde Ihre Behauptung ja bedeuten, daß man am besten
> > für alles unbekannte Wörter wählt und die dann umständlich erklärt :
> Kunstwörter zu benutzen ist durchaus nichts ungewöhnliches.
>
> > - Wrldbrmpf mkslatistmu klapotzigk schweck mors mumi -.
> > (Das war der zweite Hauptsatz der Elektrodynamik, damit Sie
> > unter Feldstärke oder Flußdichte ja nichts falsches assoziieren!!)
> > 
> > > Weiterer Vorteil: Wird der Begriff international benutzt, hat man ihn
> > > direkt für viele Sprache gelernt. Das ist effzient ... ;-)
> > 
> > Das ist effizient, um dummes Zeug zu schwatzen, aber nicht, um mit
> > diesen Begriffen etwas anfangen zu können. Wieviel werden Sie wohl
> > mit aller Welt über etwas reden, und wieviel mit Ihren Kollegen auf
> > der Arbeit und im Institut? Ich verstehe nicht, wie sich die
> > Leute heute wissenschaftliche Arbeit vorstellen.
>
> Das kann heutzutage kanns anders sein. Die Kommunikation kann mit einem
> Fachmenschen in einem anderen Land viel intensiver sein als mit den 
> direkten Kollegen.

Das kann wohl sein, aber Sie wollen ja wohl Wissenschaft nicht dadurch
definieren, daß sie notwendig über Sprachgrenzen gehen muß?! Das sind
für meine Begriffe Randeffekte. Die internationale Veröffentlichungs-
und Konferenzwut schafft noch keine neuen Erkenntnisse. Die werden
in den (muttersprachlich orientierten) Köpfen geboren.

> Fachleute werden Begriffe durchaus
> verstehen, wärend Laien - das ist das eigentliche Problem - nichts
> damit assozieren können, weil ihnen der Kontext fehlt.

Es gibt keine reinen Fachleute, die alles schon wissen, und reine Laien,
die überhaupt nichts wissen. Deshalb ist kontextabhängige, intuitiv
stimmige Benennung neuer Begriffe unerläßlich für das Verstehen, 
für den Laien UND den Fachmannm!

K. Däßler