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BMJ will Erwerb von Softwarepatenten in DE leichter machen
- To: neues@ffii.org, swpat@ffii.org
- Subject: BMJ will Erwerb von Softwarepatenten in DE leichter machen
- From: PILCH Hartmut <phm@a2e.de>
- Date: Sat, 17 Mar 2001 00:33:34 +0100 (CET)
- Cc: debate@fitug.de
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Ein Artikel der FTD bringt Neuigkeiten und Verwirrung.
Hier ein paar Auszüge mit Kommentaren
http://www.ftd.de/tm/it/FTDP46X0BKC.html?nv=5wn
Nach Plänen der EU-Kommission in Brüssel soll es künftig einen
europaweit einheitlichen Patentschutz für Computersoftware geben.
Ein Richtlinienentwurf der EU-Kommission sieht die Harmonisierung
aller Regelungen vor, die bislang in den einzelnen Mitgliedsstaaten
für die Patentierung von Software gelten.
Diese Regelungen sind bereits alle 100% identisch. Eine Kluft besteht
lediglich zwischen dem Gesetz und der Rechtsprechung des EPA und
einiger weniger Gerichte, vor allem des BGH.
Das erfuhr die Financial Times Deutschland aus EU-Kreisen. Die
Kommission versteht die geplante
Richtlinie als eine Art Rahmengesetz, mit der die Patentpraxis aller
EU-Staaten einander angeglichen werden soll. Eine so weit reichende
Patentierung von Software wie derzeit in den USA wird es nach den
Plänen der Kommission aber nicht geben.
Gibt es aber längst, und es ist geplant, die Praxis des Europäischen
Patentamtes nun zu legalisieren und somit für alle Gerichte
verbindlich zu machen (zu "kodifizieren", wie die GDBM das nennt).
Für die EU ist vielmehr von einer Rechtsangleichung "auf moderatem
Niveau" die Rede.
In einigen Staaten mit bislang sehr weit reichenden
Patent-Möglichkeiten wie etwa
Großbritannien wird die geplante Richtlinie in der jetzigen Fassung
nach Ansicht von EU-Experten sogar dazu führen, dass der Patentschutz
von Programmen eingeschränkt wird.
Gerade das britische Patentamt übt bekanntlich, anders als das DPMA,
etwas vornehme Zurückhaltung bei der Patentierung von Software. Ein
Gentleman marschiert beim Gesetzesbruch nicht an vorderster Front. Er
führt auch nicht so eine plumpe Konsultation durch wie die
EU-Kommission. In Großbritannien macht man alles etwas vornehmer,
wenn auch das Ergebnis am Ende das gleiche ist. Dieser feine
Unterschied zwischen Großbritannien und Deutschland wurde von der
EU-Kommission bisher als Anlass zur "Harmonisierung" genommen.
Das Bundesjustizministerium in
Berlin schließt dagegen für Deutschland nicht aus, dass der
Patentschutz von Software künftig leichter möglich ist. "Es wird
wahrscheinlich eher einfacher als schwieriger", sagte die Sprecherin
des Bundesjustizministeriums, Maritta Strasser.
Es ist schon jetzt in Deutschland extrem einfach, wie man an den
gerade an Fraunhofer und Brokat gewährten Trivialpatenten (s. "mobile
Kommunikation" und "Netzschleuse" und sonstige Beispiele unter
http://swpat.ffii.org/vreji/pikta/mupli/) sehen kann. Wie soll das
noch einfacher werden? Hat beim BMJ jemand nicht mehr alle Tassen im
Schrank?
Einzelheiten konnte sie noch nicht nennen. "Wir sind noch in der Diskussion."
Das BMJ hat bisher alles getan, um diese Diskussion zu blockieren.
Die Frage, ob Software mit einem Patent vor ungewünschten Nachahmern geschützt
werden kann, war in der Vergangenheit heftig diskutiert worden.
Die Befürworter von Softwarepatenten befürchten Wettbewerbsnachteile
gegenüber der Konkurrenz aus dem Ausland, vor allem den USA und
Japan. Die zweite juristische Möglichkeit, Programme zu schützen,
nämlich das Urheberrecht, wird von ihnen als nicht weit reichend genug
empfunden. Die Gegner der Patentierung, insbesondere die Verfechter
des patentfreien Betriebssystems Linux, argumentierten, Patente
Linux ist keineswegs patentfrei. Zahlreiche Patente auf Grundelemente
gefährden das System bereits merklich. SuSE hat gerade auf Wunsch von
IBM die Unterstützung für byte-kompilierte Truetype-Fonts von seiner
Server-Version entfernt. Jetzt sehen marktübliche Fonts auf diesem
Betriebssystem potthässlich aus. Truetype ist ein De-Fakto-Standard.
Ähnlich sieht es bei GIF, ZIP, ISDN-HiFn, MPEGx, Ogg, Flash-Speicher,
ASF, Suchalgorithmen, Webservern u.v.m. aus.
Verwechselt Frao Paoli etwa "patentfrei" und "frei von
urheberrechtlichen Verwertungsansprüchen"? Frau Paoli erweckt den
Eindruck, die Patentlobby wolle ein legitimes Urheberrecht und die
Linux-Programmierer seien dagegen. Das Gegenteil ist der Fall. Fragt
man die Leute, so findet man, dass sie ihren Stolz in eigene Ideen
setzen, Plagiarismus verachten und niemandem den Verzicht auf die
Verwertung legitimer Urheberrechte aufzwingen oder auch nur
aufschwatzen wollen. Richard Stallman ist in dieser Hinsicht ein
Außenseiter.
Opensource-Programmierer wechseln oft selber zwischen freiem und
proprietärem Programmieren hin und her, und sie achten die Wahl eines
jeden und pflegen keinen schwarz-weißen Moralrigorsimus. Sie sind
nicht viel anders als andere Programmierer. In der Tat wechseln heute
die meisten Programmierer aus ganz unideologischen Gründen zwischen
freier und proprietärer Entwicklung hin und her. Das ist eine
wirtschaftliche (informationsökonomische) Notwendigkeit geworden.
Ebenso wissen alle Programmierer, dass Softwarepatente idiotisch
sind. Es gibt hier nicht die ideologischen Fronten, mit denen die
Patentbewegung gerne Verwirrung erzeugt.
könnten die Weiterentwicklung neuer Programme hemmen, weil Entwickler
immer damit rechnen müssten, bei ihrer Tätigkeit bestehende Patente zu
verletzen.
EU-Vorlage am deutschen Gesetz angelehnt
Das deutsche Gesetz gleicht 100% dem anderer Länder sowie des
Europäischen Patentübereinkommens. Wenn die EU-Vorlage daran
angelehnt wäre, gäbe es keinen Grund zur Sorge.
Der Richtlinienentwurf der EU-Kommission würde im Ergebnis zu einer
Rechtslage führen, die der derzeit in Deutschland geltenden Praxis
sehr ähnlich sieht, hieß es weiter aus EU-Kreisen. "Es wird ein
Mittelweg zwischen dem Europäischen Patentamt und der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs sein." Der BGH hatte in den vergangenen Jahren
seine Spruchpraxis immer weiter ausgedehnt mit dem Hinweis, die
technische Entwicklung erfordere einen angepassten Rechtsschutz.
Der BGH geht bereits heute eher weiter als das EPA.
Ziel der Kommission ist es nach eigenen Angaben, mit dem Entwurf
gleiche Wettbewerbsbedingungen im gesamten Binnenmarkt zu schaffen und
die Innovation zu fördern. Zudem sollen kleinere und mittlere
Unternehmen mehr Rechtssicherheit bekommen als bisher. "Die großen
Konzerne können sich teure Rechtsstreitigkeiten leisten, die kleinen
nicht", hieß es. Der Münchner Patentanwalt Jürgen Betten von der
Kanzlei Betten & Resch berichtet aus der Praxis: "Die Unklarheiten im
Gesetz führten dazu, dass gerade kleinere Unternehmen ihre Erfindungen
gar nicht erst angemeldet haben."
Niederlage für Linux-Anhänger
Die Unfähigkeit unserer Regierung, dem Plünderungszug der
Patentbewegung gegen die Softwarebranche Einhalt zu gebieten, ist eine
Niederlage für alle Programmierer, für alle diejenigen Softwarefirmen,
die sich "teure Rechtsstreitigkeiten nicht leisten können", für die
freiheitliche Ordnung in unserem Lande, für die Verteilung der
Zukunftschancen, für diejenigen in der Bundesregierung die auf einen
Wechsel zu einer weniger hierarchischen Dienstleistungsgesellschaft
setzten und damit die Arbeitslosigkeit bekämpfen wollten, für alle
diejenigen, die noch einen gewissen Glauben an die Fähigkeit der
Demokratie glaubten, wenigstens die schlimmsten Fehlentwicklungen
korrigieren zu können.
Es ist ein spektakulärer Sieg der Idiotie und Gewissenlosigkeit, den
man der "Regierung der Neuen Mitte" noch viele Jahre vorwerfen wird.
Während Frankreich, Holland, Italien und andere eine kritische Haltung
zur EU-Kommission zeigten, ergingen sich BMWi-Staatssekretär Gerlach
in Brüssel und BMJ-Sprecherin Strasser in Berlin als gelehrige Schüler
derjenigen, die nur Geld und keine Argumente auf ihrer Seite haben.
In der Tat ist die Rechtslage verworren.
Das liegt zum großen Teil an der unklaren Formulierung von Artikel 52 des Europäischen
Patentübereinkommens.
Wer sagt das?
Etwas mehr kritische Distanz wäre wünschenswert.
Danach sind Programme nicht patentfähig.
Was ist daran unklar?
Dessen ungeachtet sind bereits heute europäische Softwarepatente möglich,
wenn das Programm zusammen mit der zugehörigen Hardware patentiert
wird.
Auch das ist beim EPA längst nicht mehr erforderlich. Es gibt sogar
zahlreiche Patente auf triviale abstrakte Konzepte, bei denen gar
nicht mehr verschämt auf (für die Innovation belanglose) Hardware
sondern direkt auf Programmiersprachen bezug genommen wird. Ferner
gibt es Ansprüche auf "Computerprogrammprodukte" und
"Computerprogramme".
Aus EU-Kreisen ist nun zu hören, Artikel 52 müsse entsprechend
der Richtlinie geändert oder gestrichen werden. Der Vorstoß der
Kommission kann auch als Niederlage Programmierer der "Open
Source"-Bewegung gewertet werden, in der auch Linux entstanden
ist. Sie hatten während der Konsultationsfrist für die Richtlinie über
1300 Eingaben gegen Softwarepatente nach Brüssel gesandt.
Der Wortlaut sei aber nur wenig abgeändert worden, hieß es.
Welcher Wortlaut?
Ursprünglich sollte der Entwurf Ende April auf den Tisch gelegt
werden. Doch nach Gesprächen diese Woche in Brüssel ist dieser
Zeitplan fraglich geworden. Denn auch innerhalb der Kommission
herrscht noch immer Uneinigkeit. Binnenmarkt-Kommissar Frits
Bolkestein gilt als Befürworter der Softwarepatentierung. Sein für die
Informationsgesellschaft zuständiger Kollege Erkki Liikanen ist eher
skeptisch. Es ist daher eine Frage des politischen
Fingerspitzengefühls, wann das Thema auf die Tagesordnung gesetzt
wird.
Hohe Hürden für Software-Patente
Auch das Bundesjustizministerium (BMJ) hat sich bei Softwarepatenten
lange zurückhaltend gezeigt. So sagte Bundesjustizministerin
Däubler-Gmelin im vorigen Herbst dem Internetmagazin "Spiegel Online",
Softwarepatentierung dürfe "vorerst nicht umgesetzt werden". Probleme
für die Wirtschaft und die Sicherheit de Informationsgesellschaft
müssten "erst einmal gründlich diskutiert werden". Am Mittwoch hieß es
nun aus dem BMJ: "Unsere erste Priorität ist es, keine
Verweigerungshaltung zu zeigen."
Wem gegenüber?
Uns gegenüber zumindest verweigert das BMJ jeden Dialog.
BMJ-Sprecherin Strasser betonte
allerdings: "Die Softwarepatente müssen so gestaltet sein, dass sie
Innovation möglichst wenig behindern."
Softwarepatente erfüllen ihren Zweck nur dann, wenn sie eine
behindernde Wirkung haben. Andererseits sollten sie die Innovation
nicht "möglichst wenig behindern" sondern fördern.
Nach Vorstellung des BMJ sollen an patentierte Software hohe
Anforderungen gestellt werden. Softwareentwickler müssen es danach mit
ihren Anträgen noch genauer nehmen. Ferner ist an Patente gedacht, die
an bestimmte Anwendungen gebunden sind. Strasser ist sich sicher: "Wir
haben mit unseren Vorschlägen eine gute Position in der EU."
Bisher sind keine BMJ-Vorschläge bekannt. Das BMJ verweigert jede
Veröffentlichung von Standpunkten, über die diskutiert werden könnte.
Grundtenor ist, wenn man der FTD glauben darf, "keine
Verweigerungshaltung gegenüber der Patentbewegung" und "der Diskussion
nicht vorgreifen" sowie "den Erwerb von Softwarepatenten leichter
machen". Ich sehe leider keinen Anlass, dies alles nicht zu glauben.
-phm