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Re: Grober Konsens



At 21:05 28.08.01 +0200, Hauke Moeller wrote:
>Die Hauptprobleme des Gesellschaftsvertrags:
>
>- Ein solcher Vertrag existiert allenfalls als Fiktion und wurde
>   niemals tatsächlich abgeschlossen. Wie soll sich dann "reales" Recht
>   von ihm ableiten lassen?

Dieses Problem hast Du bei allen Letztbegründungsansätzen. Wann soll
denn ein "grober Konsens" erreicht sein? Strenggenommen bräuchte man
auch dafür ein Verfahren, bzw. eine Instanz, die die Konsenserreichung
feststellt. Nächstes Problem: Taugt Konsens als Legitimationsquelle
für Recht? Die Diskursethik behauptet mit ihrer Methode zu "gerechten"
Ergebnissen zu gelangen. Wie sieht es aber mit überpositiven Wertvorstellungen
aus, über die eben kein "grober Konsens" getroffen wird?


>- Davon abgesehen: Es gibt Individuen, die die Rechtsordnung nicht
>   akzeptieren. Man kann unterstellen, daß sie auch den fiktiven
>   Gesellschaftsvertrag nicht mit abgeschlossen hätten. Wie
>   rechtfertigt sich der Anspruch, daß auch diese sich an das Recht
>   halten?

Hobbes beispielsweise ist da recht radikal. Der (fiktive) Gesellschaftsvertrag
wird ja nur zwischen den künftigen Staatsbürgern geschlossen und hat
die Selbstbeschränkung ihres "Recht auf alles" zum Inhalt. Gleichzeitig
wird dieses "Recht auf alles" auf den Oberherr übertragen, der selbst nicht
Vertragspartei ist (Autorisierungsgedanke). Durch diesen zweistufigen
Akt wird erst das Staatswesen + Rechtsordnung geschaffen. Es wird keiner
gezwungen sich anzuschließen. Wenn dies aber nicht geschieht, bleibt
man ausserhalb der Gesellschaft. Es ist dann Sache der anderen, wie
mit solchen Individuen verfahren werden soll - im Zweifel wird man
sie erschlagen oder verbannen.


>- Schließlich: Ein Vertrag ist eine verbindliche
>   Vereinbarung. Verbindlich sind Verträge, wenn eine Rechtsordnung
>   ihre Verbindlichkeit vorschreibt. Woher kommt die Verbindlichkeit
>   des ersten Vertrages?

... aus einer einfachen Klugheitsregel: "pacta sunt servanda". Die
Menschheit hatte genug Zeit, sich über die Vorteile von Kooperations-
verhältnissen Gedanken zu machen. Sehr hübsch finde ich dazu die
Spielart unseres Kulturstaatsministers zum Problem des Gefangenen-
dilemmas im Naturzustand bei Hobbes. Vgl. dazu allgemein
http://www.cl-ki.uni-osnabrueck.de/~nntthele/ipd/pd.html


>Eine Rechtsordnung wird auch nicht dadurch zu einer solchen, daß sie
>durch Zwang durchgesetzt wird und man bei ihrer Verletzung klagen
>kann. Sie funktioniert nur, wenn sie von zumindest einigen
>Gesellschaftsmitgliedern unabhängig von äußerem Zwang als verbindlich
>akzeptiert wird.

ACK

>Zum Beispiel sehen heutige Rechtsordnungen eine höchste
>Gerichtsinstanz vor, die keiner weiteren Rechtsaufsicht
>unterliegt. Das funktioniert nur, wenn das höchste Gericht das Recht
>als gültig ansieht (oder wenigstens nicht allzu offen mißachtet).

Die Frage ist aber, ob als Maßstab nur das positive Recht gelten
darf. Vgl. Mauerschützenurteil

 > Wer hat diesen Begriff eigentlich aufgebracht?

Mir ist die "Konsensethik" zum erstenmal in der Ökonomie begegnet, u.a.
als Begründungsmethode für privat gesetztes Recht alla "Lex Mercatoria".

Viele Grüße

Henning