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Re: [FYI] Nato beschließt Verteidigungsfall
- To: Kai Raven <kai.raven@t-online.de>
- Subject: Re: [FYI] Nato beschließt Verteidigungsfall
- From: Thomas Roessler <roessler@does-not-exist.org>
- Date: Thu, 13 Sep 2001 09:19:32 +0200
- Cc: Debate <debate@lists.fitug.de>
On 2001-09-13 08:50:18 +0200, Kai Raven wrote:
>so wie ich die Äusserungen der Amerikaner verstanden habe, gegen
>jedes Land, das Gruppen unterstützt oder Aufenthalt gewährt, zu
>denen eine Verbindung zum Terroranschlag nachgewiesen werden kann.
>Im Fall von Bin laden wäre das seine Gruppe und Afghanistan. Mir
>kam der Gedanke zum Nuklearschlag nur, als ich gestern
>Scholl-Latour sagen hörte, ein Krieg gegen Afghanistan könnten die
>USA nicht gewinnen (was für einen konventionellen Krieg ja stimmt,
>wie der Afghanistankrieg der Russen gezeigt hat)
Einen Krieg gewinnt man, wenn man seine Kriegsziele erreicht.
An dem Kriegsziel "Afghanistan besetzen" haben sich im 19.
Jahrhundert die Briten die Finger verbrannt und im 20. Jahrhundert
die Russen - das ist es, worauf Scholl-Latour hinwies.
Das Kriegsziel "niemand wagt es, Bin Laden Aufenthalt zu gewähren,
andernfalls Bomben" wäre durchaus umzusetzen - ebenso womöglich das
Kriegsziel "wir killen die Taliban".
"Interessant" wird die Angelegenheit dadurch, daß die Taliban
offenbar von Pakistan gestützt werden. Pakistan ist (1) Atommacht
und liegt (2) im Dauerclinch mit (ebenfalls Atommacht) Indien.
>>Letztendlich ist es ein Kreuzzug gegen eine Gesinnung, weniger
>>gegen einen einzelnen "Schurkenstaat" oder gegen das vermeint-
>>lich personifizierte Boese in Gestalt von Us(s)ama Ibn Ladin.
>Das stimmt für das allgemeine Kriegsgetöse, was jetzt von allen
>Seiten einsetzt, ich denke aber, die amerikanische Gesellschaft,
>die Regierung und Bush (94% aller Amerikaner sind für einen Krieg
>las ich bei CNN) "brauchen" einen Schurkenstaat und einen
>Schurken, den sie eliminieren können.
Bush: "Dies ist gut gegen böse. Gut gewinnt." Reinstes Hollywood.
Man sollte allerdings nicht vergessen, daß (nicht allein) die
Amerikaner noch immer einen kollektiven Schock zu verdauen haben.
Dieser Anschlag hat nicht nur das Pearl-Harbor-Trauma geweckt (und
das im tiefen Frieden und aus sogar wörtlich heiterem Himmel),
sondern er wurde zu allem Überdruß auch noch weltweit life auf CNN
übertragen (das zweite Flugzeug).
>>(Eine evtl. im Raum stehende Auslieferung und Verurteilung Ibn
>>Ladins duerfte wohl kaum eine "befriedigende" Loesung sein). Von
>>einem Sinn ganz abgesehen.
>Nun, es könnte unter Umständen die Auslöschung Afghanistans
>verhindern.
<Zynismus>Du glaubst, da ist noch viel auszulöschen?</Zynismus>
Afghanistan ist schon jetzt auf dem Weg in die Steinzeit. Diesen
Weg mit Bomben beschleunigen zu wollen, würde nicht besonders viel
bringen. Abgesehen davon kann ein in die Steinzeit gebombtes Land
nicht verhindern, daß Terroristen sich dort ansiedeln.
Die amerikanische Strategie wird daher vermutlich auf dreierlei
hinauslaufen: Erstens - vermutlich an Afghanistan, hoffentlich nicht
auch an Pakistan - ein Exempel zu statuieren und zweitens die
Taliban loszuwerden, Afghanistan aufzubauen und dieses Land zu
stabilisieren. Drittens im Nahen Osten so schnell wie möglich die
Verhandlungen wieder in Gang zu bekommen (Powell gestern: Israelis
und Palästinenser müssen sich endlich treffen, das darf nicht weiter
verzögert werden. Es ist egal wo, wichtig ist nur daß, und daß sie
es schnell tun).
>>Ueber die Reaktionen in der islamischen Welt mag man besser gar
>>nicht erst spekulieren ,(
Da sind die Taliban wohl auch nicht so beliebt, wie man meinen
könnte.
>Ich denke da z. B. an die iranische Atombombe und überleg, welche
>islamisch orientierten Länder über Langstreckenwaffen und
>ABC-Sprengköpfe verfügen.
Iran ist meines Wissens von den Taliban alles andere als begeistert
- weder religiös, noch strategisch.
--
Thomas Roessler http://log.does-not-exist.org/