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Re: [FYI] China: "Der Westen hat die besseren Internet-Regulierer"



Thomas Riedel <uzsswo@uni-bonn.de> writes:

> Sehr viele Projekte braucht man erst gar nicht in Erwägung zu
> ziehen, weil sie nach geltendem Datenschutzrecht schlicht
> rechtswidrig wären.

Das ist wieder keine spezifische datenschutzrechtliche Problematik.

Ich hätte immer noch gerne ein konkretes Beispiel, bei dem ein Projekt
scheiterte an Datenschutzanforderungen. Ich denke, ich werde mal das
von Rigo referenzierte Dokument daraufhin abgrasen. Natürlich gibt es
Horrorgeschichten, aber in einigen Fällen gewinne ich den Eindruck,
daß sie eher auf Prozeßfehler, dadurch enstehende persönliche
Animositäten etc. zurückzuführen sind als auf systematische Probleme.

> Dagegen würde ich auch gar nichts sagen, wären diese Regeln
> verfassungsgemäß. Dazu vielleicht ein anderes Mal.

Verfassungmäßigkeit ist ein sehr dehnbarer Begriff. Die Änderung von
Grundgesetzartikeln mit Ewigkeitscharakter in ihrem Wesensgehalt gilt
derzeit in den praktisch relevanten Kreisen als verfassungsgemäß. Wenn
etwas halbwegs sinnvoll und für einflußreiche Kreise wünschenswert
ist, wird man es schon im Einklang mit der Verfassung hinbiegen
können, insbesondere wenn relativ losgelöst von der praktischen
Erfahrung Grundrechte geopfert werde.

Notfalls tritt der Bund einfach ein paar weitere Hoheitsrechte an eine
zwischenstaatliche Einrichtung ab, und ab da ist alles
verfassungsgemäß.

Als Maßstab dessen, was nach meinem Demokratieverständnis
wünschenswert ist, eignet sich Verfassungsmäßigkeit nimmermehr.

> Das hier interessante Problem ist altbekannt: zB in einer Armee,
> irgendwo auf der Welt, gilt ein so reichhaltiges Instrumentarium von
> Verhaltensregeln, daß es schlicht nicht ohne Regelverletzung bleiben
> kann.  Konformität wird so absichtlich durch die Unmöglichkeit, sich
> an alle Regeln zu halten, erzeugt: besser nicht auffallen, besser
> den Mund halten!

Der deutsche Weg ist eher das zuarbeiten. So hielt Kohl seinen
Spendensumpf zusammen und sein semi-stalinistische Kaderpartei. So
werden in Baden-Württemberg im Moment die Unversitäten auf allen
Ebenen an die Wand gefahren (und im restlichen Bundesgebiet vermutlich
auch).

> Es ist wohl nicht zuviel gesagt, wenn man das Datenschutzrecht in
> seiner Regelflut ebenso bewertet.

In der öffentlichen Verwaltung können komplexe Regelungen die
Produktivität eliminieren. In der Privatwirtschaft auch, aber dann
fehlt es an Unternehmergeist.

Schau Dir Google an -- was sie machen, ist hochgradig illegal. Aber
sie machen es trotzdem und scheinen trotzdem wenig Probleme zu
bekommen.

Rauchen setzen sich auch gerne über Regeln hinweg. ;-)

> n dieser Stelle muß man sich daher fragen, ob diejenigen
> Regelverletzer, die man mit Sanktionen belegt, schlicht
> gleichheitswidrig selektiert werden (wie im Steuerrecht häufig) oder
> ob man - Böswilligkeit unterstellt - etwa seine Kampagnen und
> Sanktionen zB auf "obskure CDU-Wahlkampftaktiken" "fokussiert".

Wurde die CDU sanktioniert? Außer von den Medien natürlich?

> Die Einstellung zu diesen Fragen ersetzt die Weisungsbefugtheit von
> Datenschutzbeauftragten. Der Blockwart sitzt im Kopf.

Das mag sein. Allerdings ist mein Mitleid mit Leuten ohne Rückgrat
beschränkt, und ich weigere mich, eine Gesellschaftsordnung auf sie
auszurichten. Ich weiß, daß die europäische und insbesondere deutsche
Rechtsordnung vielfach davon ausgeht, der gemeine Bürger werde sein
Rückgrat nur zum Marschieren nutzen -- vorzugweise hinter den Fahnen
von Faschismus und Antisemitismus. Trotzdem weigere ich mich, diesen
Maßstab anzusetzen.

Vielleicht sehe ich das aber anders, wenn ich für meine
Datenschutzeingriffe eines Tages verantwortlich bin...

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