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Re: Datenschutz -- bitte um Beispiele!



Thomas Riedel <uzsswo@uni-bonn.de> writes:

> § 1: Die Verwendung von personenbezogenen Daten ist erlaubt, es sei denn, ein
> begründetes Interesse spricht im Einzelfall dagegen.
>
> § 2: Ein begründetes Interesse ist nur gegeben
>
> a. in Fällen, in denen die Voraussetzungen eines
> Grundrechtsverzichts fehlen oder

Was heißt das? Wer soll auf welches Grundrecht verzichten?

> b. in Fällen, in denen nachhaltige staatliche oder wirtschaftliche
> Machtpositionen ihre Nachhaltigkeit gerade aus der Verwendung
> personenbezogener Daten beziehen und kein öffentliches Interesse die
> Verwendung rechtfertigt.

Was ist mit medialen und theokraitschen Machtpositionen?

Nehmen wir doch mal ein konkretes Beispiel her. Irgendein
Pharmaziekonzern schließt Verträge mit zahlreichen Krankenhäusern ab,
die daraufhin Gewebeproben einer bestimmten, genetisch nicht zu
diversen Bevölkerungsgruppe an das Unternehmen abführen. Oder man
rekrutiert Freiwillige aus dieser Bevölkerungsgruppe und nimmt ihnen
entsprechende Proben ab. So etwas ist z.B. in den Vereinigten Staaten
bei Aschkenasim gar nicht mal so unüblich.

Als Ergebnis weiß man dann, daß vielleicht irgendein Gen um
soundsoviel Prozentpunkte die Wahrscheinlichkeit erhöht, an
Dickdarmkrebs zu erkranken, und daß Aschkenasim dieses Gen mit einer
bestimmten Wahrscheinlichkeit tragen (die über oder unter dem
Bevölkerungsdurchschnitt liegen kann).

Nun stellen sich ein paar Fragen:

  - Sollte so etwas erlaubt sein? Ist das überhaupt problematisch?
    (Meines Erachtens sind solche Sachen hochbrisant.)

  - Gibt es rechtliche Normen, die dieser Art von Forschung
    Einschränkungen unterwerfen?

  - Wenn nein, muß ein Datenschutzrecht den einzelnen vor der
    Vorverurteilung durch die Zugehörigkeit zu bestimmten
    Bevölkerungsgruppen schützen?

  - Wenn ja, kann das die von Dir vorgeschlagene Regelung leisten?

> Wenn aber die Zweckbindung ohnehin durch jemand anders als das
> Individuum ausgeübt wird, widerspricht es seinen eigenen Prämissen
> (Autonomieschutz).

Nicht unbedingt. Man kann auch jemanden schützen, eben weil er nicht
in der Lage ist, seine Rechte wahrzunehmen.

> Die sind hier ziemlich weit, zumal auch das
> Direktmarketingunternehmen eigene Grundrechte hat.

Ein Unternehmen hat keine Grundrechte. Menschen haben Grundrechte. Es
gibt allerdings sehr obskure Entwicklungen in diesem Bereich (z.B. den
Vorschlag von "corporate free speech" in den USA als Blanko-Scheck für
ziemlich viele Auswüchse).

> Außerdem hat auch das Individuum ein Kommunikationsrecht, die
> Reichweite der Verwendung "seiner" Daten weiter als nach der
> Vorstellung des Gesetzgebers oder als unbegrenzt zu bestimmen.

Das mag sinnvoll sein oder nicht. Ich halte es z.B. für durchaus
wünschenswert, wenn Menschen nicht die Freiheit haben, sich in die
Sklaverei zu verkaufen.

> Zu § 2 b: wichtig ist die Nachhaltigkeit oder "Vermachtung". Denn wenn man
> allgemein "Informationsungleichgewichte" ausreichen lassen würde, würde man
> sich selbst täuschen.

Vor allem sehe ich nicht, wie solch hochkomplziierte Konzepte das
Datenschutzrecht vereinfachen können. Solche Ansätzen taugen kaum als
Programm zur Reform oder Revolution.

> Denn Information besteht immer in dem Zustand eines
> Informationsungleichgewichts, den sie ausgleicht und so
> einen anderen Zustand herbeiführt, der seinerseits ein
> Informationsungleichgweicht darstellt und - sehr vorläufig und nie
> vollständig - "ausgeglichen" werden will.

Ist das nicht ein etwas zu kapitalistischer, am Eigennutz orientierter
Denkansatz? Bestimmte, wertvolle Information (z.B. Erfahrungen im
Umgang mit kritischen Situationen) gewinnt erst dann richtig an
Bedeutung, wenn sie geteilt wird. Die künstliche Verknappung von
Information kann man sich nur dann leisten (im moralischen Sinne),
wenn keinerlei Leben auf dem Spiel steht (und meintwegen auch schon
wesentlich früher). Information verhält sich nicht so, wie die
Elektronen, die sie gelegenhtlich abbilden, wenn sie wandert
hinterläßt sie kein Loch.

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