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[FYI] [heise] Heftige Proteste gegen neue Web-Zensurgelüste



Hallo,

---[beisskannte]---

Heftige Proteste gegen neue Web-Zensurgelüste
[30.01.2003 12:07 ]

Die weiteren Auflagen für Provider zu Web-Sperrungen, die jüngst vom
DGB[1] und vom rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck
lautstark gefordert[2] wurden, stoßen in der Internetwirtschaft und bei
Netzpolitikern des Bundestags auf heftige Kritik.

"Nun verlangen schon die Gewerkschaften -- bekanntermaßen
Kompetenzzentren für Internetfragen -- von der Politik die Aussperrung
brauner Webseiten von den Servern", schüttelt Hans-Joachim Otto nur noch
den Kopf. Der medienpolitische Sprecher der FDP-Fraktion hatte jüngst
erst gegen den ursprünglichen Vorstoß des Düsseldorfer
Regierungspräsidenten Jürgen Büssow zur Netzsäuberung protestiert[3], da
er das eigentliche Problem nicht löse. Nun mache sich eine "unheilige
Allianz aus regulierungswütigen Gewerkschaftlern, Ministerpräsidenten
und bayrischen Landfrauen" ans Werk, sich dem weltweiten
Informationsfluss im Internet entgegenzustemmen."Wo hören Jugend- und
Staatschutz auf und wo beginnt die Zensur?", fragt sich der
FDP-Koordinator für Internet und Medien

Ottos Kollege von der SPD-Fraktion, Jörg Tauss, wettert derweil gegen
"fachfremde Politiker und Funktionäre, die einen deutschen Sonderweg
fordern und die politische Auseinandersetzung durch technische
Zensurmaßnahmen ersetzen wollen."

Dass die Zensurgelüste überhand nehmen, findet auch Martina Krogmann,
Internet-Beauftragte der CDU/CSU-Fraktion. Es sei bedenklich, dass immer
mehr "Ahnunglose auf den Vorstoß eines Einzelnen aufspringen". Das
"populistische Vorgehen" könne das internationale Netz nicht jugendfrei
machen. "Das geht nur", meint die Unions-Netzexpertin, "wenn Politik,
Wirtschaft und die User zusammen wirken." So seien die Surfer selbst
gefragt, Filterlösungen am eigenen PC aufzusetzen. Die Wirtschaft könne
im internationalen Rahmen Selbstverpflichtungen eingehen. Und die
Politiker seien gefordert, mehr für die Medienkompetenz der Bürger zu
tun. Alle anderen Vorschläge seien "absurd und schädlich", würden sich
aus "einem Medienbegriff der 70er" speisen und "dem Internet und der
Netzwirtschaft erhebliche Schäden zufügen".

Harald Summa, Chef des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco[4],
hält das Gebaren der deutschen Regulierer derweil nur noch für
"töricht". Was der DGB unterstütze, "ist die Vernichtung von
Arbeitsplätzen", erklärte eco-Justiziarin Hannah Seiffert gegenüber
heise online. Zahlreiche Provider würden sich angesichts unerfüllbarer
politischer Zensurwünsche überlegen, "den Standort Deutschland zu
verkleinern oder dicht zu machen." Dass mit Beck just der
"Medienkoordinator der Länder" juristisch und technisch nicht
durchsetzbare netzseitige Sperrungen für Pornoangebote fordere, die für
Erwachsene ganz legal zugänglich sein müssten, verweise auf einen
"großen Beratungsbedarf".

Alarmiert zeigt sich auch der Förderverein für Informationstechnik und
Gesellschaft (Fitug[5]). Denn längst sei das Ziel der Netzregulierer
nicht mehr[6], ein paar Neonazis aus dem Web zu entfernen: "Es geht ganz
einfach um die Frage, ob sich Netznutzer in der Bundesrepublik auch in
Zukunft noch frei darüber unterrichten können, was anderswo auf der Welt
gesagt wird." Es drohe die Gefahr, dass sie "die
Informationsgesellschaft nur noch durch den Filter eines Sozialarbeiters
im Amt des Regierungspräsidenten wahrnehmen dürfen."

Die Netzpolitiker auf Bundesebene sind sich derweil einig, durch
rechtliche Neuordnungen die -- bislang nicht gerichtlich endgültig
bestätigte -- Handlungsgrundlage für Website-Sperrungen nehmen zu
wollen. "Wir müssen die unterschiedlichen Zuständigkeiten jetzt wirklich
aufheben", betonte Krogmann. Ähnlich haben sich die Medienexperten der
rot-grünen Regierungskoalition und der FDP bereits geäußert. Gemeinsam
will die parteiübergreifende Allianz im wieder eingesetzten
Unterausschuss Neue Medien[7] dauerhaft ein Gegengewicht zu den
Netz-Blockierern etablieren.

Für einen besseren Ansatz zur Bekämpfung rechtsextremistischer Inhalte
hält Tauss außerdem das von Deutschland unterzeichnete Protokoll[8] des
Europarats gegen rassistische und fremdenfeindliche Handlungen in
Computernetzen. "Es berücksichtigt an zentraler Stelle die technischen
Besonderheiten digitaler paketvermittelter Kommunikation, indem es eine
strafrechtliche Verantwortlichkeit oder eine Pflicht zur
kontinuierlichen Inhaltekontrolle von Internet-Providern ablehnt",
betonte der SPD-Politiker. "Technisch unsinnige und letztlich rein
symbolische" Netzsperren, wie sie von Büssow präferiert werden, seien
damit "diskreditiert". (Stefan Krempl) / (jk[9]/c't)

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Tschuess, Tim.

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Die drei Todfeinde des Programmieres: 
Sonnenlicht, frische Luft und das unertraegliche Gebruell der Voegel.


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