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Re: [FYI] SCO plant Linux-Lizenzen fuer Anwender



On 23 Jul 2003, at 20:55, Martin Uecker wrote:

> > > Für wen?
> > 
> > Fuer alle Leute, die Linux anwenden, distributieren und/oder 
> > (weiter-)entwickeln.   
> 
> Probleme macht höchstens ein Schadensersatzanspruch. Der dürfte
> aber schuldhaftes Handeln voraussetzen.
> 
> Bei Anwendern und Entwicklern, die nichts von der (jetzt mal
> hypotethisch angenommenen) Lizenzverletzung wußten, ist das nicht
> gegeben.

Naja, nach DE-Recht bedeutet die zivilrechtliche Schuldhaftigkeit 
"Vorsatz oder Fahrlaessigkeit". Fahrlaessig handelt, wer "im Verkehr 
die erforderliche Sorgfalt ausser acht laesst". Anders als im 
Strafrecht stellt der zivilrechtliche Fahrlaessigkeitsbegriff nicht 
auf die Person des Schuldners, d.h. auf das Mass der ihm zumutbaren 
Einsichts- und Handlungsfaehigkeit ab, sondern setzt einen objektiven 
Masstab, der nach den Anforderungen im engeren Verkehrskreis der 
Beteiligten zu beurteilen ist (Creifelds RWB).

Es kommt also nicht nur darauf an, ob man etwas nicht weiss, sondern 
auch darauf, ob man es bei Anwendung gebotener Sorgfalt haette wissen 
muessen.

Ich koennte mir schon vorstellen, dass ein deutsches Gericht 
Fahrlaessigkeit annimmt, wenn beispielsweise SuSE nicht einiges an 
Anstrengungen unternimmt, sich von der urheberrechtlichen "Reinheit" 
des Codes zu ueberzeugen, zumal wenn Tatsachen bekannt sind, die 
Zweifel an der "Reinheit" des Linux-Kernels saeen koennten (Die 
Existenz der SCO-Kampagne als solcher ist sicher eine "Tatsache" in 
diesem Sinne, die Distributoren zu verstaerkten Anstrengungen zwingt).

Aber wie dem auch sei - neben dem Schadensersatzanspruch gibt es ja 
noch den Unterlassungsanspruch, und der ist verschuldensunabhaengig.

Wenn SuSE eine ganze Distribution aus dem Handel nehmen muesste, 
waere das schon ein ziemlicher Effekt.

Aus der derzeitigen Frontlage beim RIAA-Kampf gegen die Tauschboersen 
kann man lernen, dass Interessen, die ueber genuegend Geld verfuegen, 
auch dazu uebergehen, zivilrechtliche Massenverfahren gegen grosse 
Anzahlen von Beklagten zu fuehren. Wenn SCO beispielsweise dazu 
ueberginge, sagen wir mal Eintausend Prozesse um je EURO 1.000,-- mit 
einiger Erfolgsaussicht gegen irgendwelche gewerblichen Linux-
Anwender zu fuehren, waere das Ergebnis verheerend - ein Signal, das 
sagt "Wer Linux einsetzt, ist ein Rechtsbrecher". Ausserdem ist da ja 
noch der Unterlassungsanspruch - die betroffenen Rechner sind sofort 
ausser Betrieb zu nehmen, bis eine "gereinigte" Linux-Version 
draufgespielt ist. Das wuerde gewerbliche Anwender sicherlich noch 
haerter treffen.  

Aber, wie gesagt, diese Horrorszenarien haben Bedeutung nur fuer den 
Fall, dass sich herausstellt, dass bei der Kernel-Entwicklung 
urheberrechtlich geschlampt worden ist. Das ist - soweit ich das sehe 
- noch keineswegs erwiesen. Aber, wenn man den frueher von mir 
zitierten TheRegister-Artikel nimmt, es geht wohl moeglicherweise um 
etliche SMP-Module, nicht bloss um "ein paar Codezeilen".  
 
> Ist in einem vergleichbaren Fall jemals ein Anwender verklagt
> worden?

Wegen Linux? Ist mir nicht bekannt. 

Wegen sonstiger Urheberrechtsverstoesse? Muesste mal nachsehen. 
Vermute aus dem Bauch heraus: Ja. 

Aber: Es ist natuerlich fuer den Klaeger im allgemeinen einfacher, 
sich an wenige Hersteller oder wenige Firmen im Handel zu halten 
anstatt sich mit einer Vielzahl von Endabnehmern (hier: Anwendern) 
prozessierend herumzuschlagen. Aber diese Frage ist hier von 
untergeordneter Bedeutung, denn offensichtlich will man gar nicht so 
sehr einen objektiv rechtswidrigen Zustand mit juristischen Mitteln 
moeglichst ressourcenschonend beseitigen; vielmehr setzt man auf eine 
FUD-"Streuwirkung", die durch Klagen gegen eine nennenswerte Zahl von 
ausgewaehlten Anwendern ganz erheblich verstarkt werden koennte. So 
gesehen waere ein eigentlich ineffizientes Vorgehen gegen viele 
Endabnehmer in der derzeitigen SCO-Strategie, soweit sie erkennbar 
ist, ein hoechst effektiver FUD-Generator.  

In den USA gehen die Gerichts-Uhren ja bekanntlich etwas anders, und 
es ist auch gut moeglich, dass SCO nicht im Traum daran denkt, in 
Europa zu prozessieren. Vielleicht will man zunaechst auch nur die 
Besonderheiten des U.S.-Zivilprozessrechtes und des U.S.-Rechtes 
hinsichtlich sog. "Trade Secrets" ausnutzen, um zu Gerichtsurteilen 
zu kommen. Auch muss klar sein, dass eine Beeintraechigung der 
Anwendbarkeit von Linux in den USA rein faktisch-wirtschaftlich 
gesehen sicherlich auch enorme Konsequenzen fuer den Rest der Welt 
haette.  

--AHH

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