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Re: Zwei Gedanken zu Links



* Thomas Hochstein:

>>   Ein Problem ist dann jedoch die Frage, in wie weit es dem Linksetzenden 
>>   zugemutet werden kann, sich durch die Struktur der verlinkten Website zu 
>>   wühlen, um zu prüfen, ob auf der 1000sten Unterseite vielleicht strafbare 
>>   Inhalte versteckt sind.
>
> Das ist dann eine Frage des Vorsatzes. Wenn er es nicht gewusst hat
> (und auch nicht billigend in Kauf genommen), dann ist er raus.

Hier besteht natürlich ein deutlicher Unterschied zu den
zivilrechtlichen Risiken durch Wettbewerbs- und Marken- und
Patentrecht. Eventuelle Risiken, die sich aus dem Strafrecht ergeben,
kann ein Veröffentlichender, so scheint mir, allein aufgrund der
Kenntnis der Inhalte, die er erstellte, und seiner Absichten
abschätzen. Er sollte zumindest erkennen können, ob er ihm Ärger ins
Haus steht oder nicht, und dies ist deutlich mehr als bei den
angesprochenen zivilrechtlichen Problemen.

> Wenn ich aber eine bloße textuelle URL vergleiche mit einer durch
> entsprechende Tags "aktivierten" solchen, halte ich den Unterschied
> für zu marginal, um für die rechtliche Bewertung relevant zu sein;
> denn ich kann die URL auch kopieren (c&p) oder schlicht abtippen.

Wenn es einen Unterschied in der rechtlichen Bewertung gäbe, würden
sicherlich schnell Browser-Plugins aufkommen, die automatisch
klickbare Links erzeugen.

Genau aus diesem Grund kann kaum eine technische Hürde rechtlich
privilegiert werden.

> Der richtige Vergleich wäre IMHO insofern nicht
> "Literaturverweis/Fußnote auf Papier contra Link in einem
> Hypertext-Dokument", sondern "textuelle URL contra Link".

Ein Problem entsteht dadurch, daß längst nicht mehr allein URLs mit
Protokoll-Schema (http://), Host (www.enyo.de) und Pfad (/fw/) von
Mensch und Software als Link erkannt werden. Für manche Angebote gibt
es eine griffige Beschreibung, der nicht quasi-identisch mit dem
Domainnamen ist (z.B. "der Newsticker von Heise-Online"), für viele
dagegen nicht. So schreibt Günter Grass beispielsweise in der
Erzählung Im Krebsgang" (Seite 32):

"[...] bis ich Ende Januar sechsundneunzig zuerst die rechtsradikale
Stormfront-Homepage angeklickt hatte, bald auf einige
Gustloff-Bezüglichkeiten stieß und dann auf der Website
»www.blutzeuge.de« mit der Kameradschaft Schwerin vertraut wurde."

(Die im Buch ausgeschriebenen Domains sind geschickterweie alle vom
Verlag vorab registriert worden und unterhalb von .DE angesiedelt.)

Zusammen mit Microsofts "Smart Tags"-Technologie (die ursprünglich mit
Internet Explorer 6 allgemein eingeführt werden sollte, nun aber dort
nur unter gewissen Voraussetzungen auftritt) wird eine Erwähnung eines
so eindeutig auf eine bestimmte Webseite hinweisenden Schlagwortes
sehr ähnlich zu einem vom Autor selbst gesetzten Link, solange die
zugrundeliegende Suchmaschine nicht filtert. Letzteres trifft
zumindest auf eine der von Grass explizit erwähnten rechtsradikalen
Seiten nicht zu. (Viele Wikis erzeugen aus GroßKleinschreibung auch
automatisch Links.)

Eine Verfremdung der Verweise entgeht dem nur bedingt. Anders als bei
der Verkürzung von Personnamen auf ein "Hans M." in der
Berichterstattung deutscher Medien gibt es keine verbreitete
Konvention zur Kürzung der Domains in URLs. Mir scheint die Form
"www.e...e.org" am sinnvollsten. Andere bevorzugen "...example...",
wodurch der Leser nach drei, vier Versuchen die Domain gefunden hätte.
Zusammen ergibt sich aber der komplette Domainname. Wer hat in diesem
Fall seine Schutzpflichten verletzt? (Ich gehe hier davon aus, daß
z.B. aus Datenschutzgrunden die Domain aus vergleichsweise
unstrittigen Gründen nicht genannt werden darf, d.h. nicht der Surfer,
sondern der Domaininhaber soll geschützt werden.) Wie wahrscheinlich
ist es, daß spezielle Werkzeuge für solche Knobelprobleme aufkommen?
(Nur bei der www.e...e.org-Variante ist dies wirklich schwierig, weil
bei einem naiven Ansatz die Ergebnismenge zu groß ist.)

Sicherlich wäre es einfacher, wenn der Gesetzgeber einfach
feststellte, daß unsere Demokratie hinreichend gefestigt ist, und auf
eine offensivere Auseinandersetzung der Bürger mit rechtsradikalem
Gedankengut setzt. Dies ist aber eine unrealistische Hoffnung, weil
der Gesetzgeber davon sicherlich weiterhin Abstand nehmen wird -- und
möglicherweise gar zu Recht.

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