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Re: BGH-Entscheidung: T-Online darf Verbindungsdaten nicht mehr speichern



> > Wir bewegen uns seit den Sechzigern langsam auf eine offene
> > Gesellschaft zu, in der der die informationelle Selbstbestimmung
> > bedeutungslos wird. 
> 
> M.E. ist das exakte Gegenteil richtig. Die Gesellschaft ist zweifellos 
> liberaler geworden. Diese Liberaliserung fand aber nicht durch den 
> Abbau von Freiheitsrechten statt. Das wird auch in Zukunft nicht der 
> Fall sein.

Die beiden obigen Standpunkte widersprechen einander nicht.
 
> Wer den Abbau von Freiheitsrechten propagiert, der redet dem 
> totalitaeren Staat das Wort. 

Es kommt darauf an, was fuer Rechte.

Bekanntlich geraten Rechte haeufig zueinander in Konflikt, und dann
muessen Richter abwaegen, was Rechtsunsicherheit bedeutet.  
Weniger ist also manchmal mehr.

Ich habe z.B. auf dem Schulhof gelernt, dass man gegen beleidigende
Raudi-Typen nur dann vorgeht, wenn sie Gewalt anwenden.  Den
Mimosenschutz, wie ihn Gerichte unter dem Stichwort "Persoenlichkeitsrecht"
auf Betreiben der Rechtssprechung zunehmend gewaehren, brauche ich
persoenlich eher nicht.  Trotzdem kann ich verstehen, dass man in einer
weniger offenen Gesellschaft, wie etwa der des Fernsehens, so etwas
vielleicht eher gebrauchen konnte als heute im Internet-Zeitalter.
Aehnlich sehe ich die Lage auch bei anderen von der Rechtsprechung
der letzten Jahrzehnte entwickelten neuen Schutzrechten.  

NB bin ich auch der Meinung, dass sich die Freizuegigkeit tatsaechlich 
nicht aus Menschenrechten sondern aus Gesellschaftsvertraegen ergibt und
somit korrekterweise erst mal "fuer Deutsche" gilt.  Auch hier
tut ein dogmatisch aus postulierten Grundrechten Forderungen
ableitendes Denken der Freiheit nicht unbedingt gut.
 
> Soll der Staat in den Wohn- und Schlafzimmern beliebig Kameras und 
> Mikrophone aufstellen duerfen? Als utopisch hat man bis vor einigen 
> Jahren das betrachtet, was man in 1984 oder Fahrenheit 451 lesen bzw. 
> sehen kann. 

Auch wenn das "Grundrecht auf i.S." vom Volkszaehlungsurteil hergeleitet
und als Abwehrrecht gegen den Staat konstituiert wurde: im Effekt ist
es viel mehr als das.

Um den Staat an ueberzogener Neugier zu hindern, braeuchte man nicht 
ein so verallgemeinertes, diffuses Konzept mit Grundrechtsrang wie 
die "informationelle Selbstbestimmung".  Letztere ist eine scharfe
Warre auch gegen private Akteure, deren Wirkung sich, wie vieles,
im Internet-Zeitalter unangenehm zuspitzen koennte.  Laut einigen 
Einschaetzungen, die ich gehoert habe, droht aus dieser
Ecke noch sehr viel Ungemach.  Das neue Telemediengesetz koennte
tatsaechlich Grundlagen fuer Abmahnungen von Apache-Logs durch
"in ihren Grundrechten verletzte" Freiherren schaffen.

Leider habe ich hier in Eile vieles auf einmal beantwortet.

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 Hartmut Pilch                            http://a2e.de/phm



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