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Re: [Debate] Die Politik mit der Angst (IP-Logging)



* Alvar Freude:

> Der eine sagt:
> Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis terroristische Terroristen
> eine bombastische Bombe zünden. Aber ich kann Dir helfen, Dich davor
> zu bewahren: Komm zu mir, zu der guten Seite der Macht!
>
> Der andere sagt:
> Du wirst überall übermäßig ausgeschnüffelt und durch üble Überwacher
> tagtäglich total-überwacht. Aber ich kann Dir helfen, Dich davor zu
> bewahren: Komm zu mir, zu der guten Seite der Macht!

Letzteres hat übrigens Steve Colbert Naomi Klein vorgehalten. 8-)

Mich beunruhigt auf der Gegenseite vor allem der formalistische Ansatz,
mit dem offene Maßnahmen wie eine Hausdurchsuchung, die zwangsläufig
zumindest zum Stirnrunzeln bei den Nachbarn führt, als weniger
eingriffsintensiv betrachtet werden als eine Ermittlung der
Verbindungsdaten nach §100 g,h StPO (alternativ: §113 TKG, um diesen
Buhmann auch zu erwähnen) -- falls sich überhaupt über solche Dinge
Gedanken gemacht wird.

Gerade, was die informationelle Selbstbestimmung angeht, kann die
Heimlichkeit einer Maßnahme nicht der ausschlaggebende Faktor sein.
Auch habe ich Zweifel, ob das Dogma, daß Kommunikationsdaten
schützenswerter sind, solange sie außerhalb der Kontrolle der
Beteiligten im Fluge über das Kommunikationsmedium sind, als wenn sie
auf den Endsystemen gespeichert sind, einen besonders ausgeprägten Bezug
zur Wirklichkeit hat.

Wenn sich jemand von "den Gegnern" in obigem nicht wiederfindet, liegt
das daran, daß man sich dort offenbar nicht auf gemeinsame Thesen
einigen kann, die sich in der Folge kritisch würdigen lassen. Das
Einigen auf die Thesen zugegebenermaßen nicht besonders einfach, da
zahlreiche verdeckten Maßnahmen bereits zulässig sind und ein
bedingungsloses Eintreten für die Unverletzlichkeit der Wohnung (um nur
ein Beispiel zu nennen) reichlich wirklichkeitsfern ist.

Die andere Seite ist natürlich auch nicht besser. Notgedrungen werden
ein paar Thesen formuliert, aber deren Halbwertszeit ist allerhöchstens
wenige Wochen. Am liebsten würde man eh mit "Annexkompetenz" und
"Redaktionsversehen" weiterwursteln (Wortlaut der StPO und Praxis der
Strafverfolgung weichen erheblich voneinander ab, im Regelfall mit
höchstrichterlicher Billigung). Immerhin zeigt sich mit dem Begriff
"Quellen-TKÜ" eine BVerfG-dogmatisch saubere Lösung ab. Es gewinnen
offenbar etwas professionellere Leute die Oberhand anstand Rabauken wie
Ziercke, die mit Kinderpornos im Gepäck durch die Lande tingeln, um
Politiker zum Handeln zu bewegen. Begleitend wird das ganze von
Forderungen, die Ermittlungsbehörden dürften "nicht ins Hintertreffen
geraten", wobei mir nicht ganz klar ist, ob damit die Technisierung der
Täter gemeint ist oder die eindeutig illegalen Vorgaben aus Washington.

Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich bin der Meinung, daß wir,
um illegales Abhören wirksam zu bekämpfen, sei es nun durch Chinesen,
Russen, US-Amerikaner oder inländische Straftäter, zusätzliche
Strafverfolger benötigen. Eine rechtliche Klarstellung von wesentlichen
Ermittlugnsmethoden mit Internet-Bezug ist sicherlich auch wünschenswert
(völkerrechtlich ist ja schon bedenklich, wenn sich ein
Ermittlungsbeamter dienstlich eine im Ausland gehostete Webseite
anschaut, ganz zu Schweigen vom Klick auf die Kampfrune im
Konqueror). Technische Hilfsmittel können aber keinesfalls fehlende
personelle Kapazitäten ersetzen. Und im Zweifel traue ich dem
Ermittlungsbeamten, der aus der forensischen Praxis weiß, welch intime
Daten Verdächtige digital speichern, mehr Achtung für das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung zu, als einem Bundesverfassungsgericht,
daß sich jüngst auf den Standpunkt gestellt hat, daß man ja zur Wahrung
der Privatsphäre stets den Datenträger physisch vernichten könne.
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