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p960912d.htm




                                  [INLINE]
                                      
       Mitteilung der Internet Content Task Force (ICTF) vom 12.09.96
                                      
                       RA Michael Schneider, eco e.V.
                                      
   Betrifft: Ermittlungsverfahren wegen "Kinderpornographie"
   
   Am 10.09. wurde die ICTF von einer nordrhein-westfälischen
   Ermittlungsbehörde darüber informiert, daß gegen den Betreiber eines
   WWW-Servers, der im außereuropäischen Ausland betrieben wird, ein
   Ermittlungsverfahren wegen des Vorwufs des Zugänglichmachens von
   Kinderpornographie eingeleitet worden sei. Die ICTF wurde darum
   gebeten, den angeschlossenen Providern die Sperrung des Hosts zu
   empfehlen.
   
   Da dies der erste Fall dieser Art ist, mit dem die ICTF befaßt wurde,
   stellen wir die Vorgänge für die Presse - ähnlich wie im Fall
   "Radikal" - ausführlich dar.
   
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   Wir haben unverzüglich damit begonnen, den Inhalt des Servers mit
   Hilfe eines sogenannten "WWW-Robots" zu dokumentieren. Das dadurch
   gewonnene Material wurde von ICTF gesichtet, wobei folgendes
   festgestellt wurde:
   
     * Der Server beherbergt zahlreiche Informationsangebote. Darunter
       befindet sich auf der Homepage eine Rubrik "heiße Liebe". Der Link
       ist so gesetzt, daß die Bilder für interessierte Teilnehmer des
       Internet leicht auffindbar sind.
     * Die maßgebliche Rubrik dient offensichtlich zur Verbreitung von
       Bildern, wobei Aktfotos ebenso angeboten werden, wie
       pornographische Darstellungen. Auslöser für das
       Ermittlungsverfahren war die Kategorie "Teenager", unter der 80
       Abbildungen zum Abruf bereitgehalten werden.
     * Eine Bewertung dieser Abbildungen ergab, daß ein kleiner Teil
       davon (höchstens 10) offensichtlich Nacktfotos von Kindern sowie
       sexuelle Handlungen von Kindern untereinander oder zwischen
       Kindern und Erwachsenen darstellt. Weitere Bilder lassen sich
       nicht eindeutig zuordnen und die übrigen Darstellungen fallen
       nicht in den Bereich der sogenannten "harten" Pornographie.
       
   Der Inhalt der Kategorie "Teenager" ist damit nach unserer Auffassung
   teilweise geeignet, den Tatbestand des § 184 Abs.3 StGB (... wer
   pornographische Schriften, ... die ... den sexuellen Mißbrauch von
   Kindern ... zum Gegenstand haben, ... öffentlich ... zugänglich macht
   ...) zu erfüllen. Dies begründen wir wie folgt:
   
     * Bilder, die auf einem WWW-Server hinterlegt werden, sind zwar
       keine Schriften im konventionellen Sinne. Sie sind jedoch
       „andere Darstellungen" im Sinne des § 11 Abs.3 StGB, auf den
       § 184 StGB ausdrücklich verweist.
     * Als Tathandlung kommt ein "zugänglich machen" im Sinne von § 184
       Abs.3 Nr. 2 in Betracht. Pornographische Schriften sind
       zugänglich, wenn und soweit sie wahrgenommen werden können. Dabei
       kommt es nicht auf die konkrete Darstellungsform an, so daß die
       Abbildung auf einem Monitor bereits genügt. WWW-Server sind damit
       prinzipiell als Plattform für eine Tat nach § 184 Abs.3 StGB
       geeignet. Ein strafbares "zugänglich machen" liegt jedoch erst
       dann vor, wenn dies "öffentlich" erfolgt. Das ist der Fall, wenn
       die Schrift von einer unbestimmten, individuell nicht
       feststehenden Anzahl von Personen wahrgenommen werden kann (wobei
       streitig ist, ob die Zielgruppe die Schrift gleichzeitig
       wahrnehmen können muß, oder ob es genügt, wenn die Schrift in
       kurzer Folge sequentiell an die Adressaten gelangt). Auch diese
       Voraussetzung ist nach unserer Ansicht bei WWW-Servern erfüllt (zu
       den Einzelheiten des konkreten Falles weiter unten).
     * Die Frage, wann eine Schrift den sexuellen Mißbrauch von Kindern
       zum Gegenstand hat, ist umstritten. Auf der einen Seite wird
       vertreten, daß schon Fotos nackter Kinder unter anreißerischer
       Hervorhebung des Geschlechtsteils oder sogar zeichnerische
       Darstellungen eines Kindesmißbrauchs den Tatbestand des § 184
       Abs.3 StGB erfüllen. Auf der anderern Seite wird dargelegt, daß
       selbst Abbildungen sexueller Handlungen von Kindern mit Dritten
       noch nicht von § 184 Abs.3 StGB erfaßt würden, so lange nicht
       feststehe, daß die Handlung stattgefunden und daß das Kind
       fremdbestimmt gehandelt habe. Der letztgenannten Ansicht wird aber
       - unseres Erachtens zu Recht - entgegengehalten, schon die
       Tatsache, daß das Sexualverhalten eines Kindes zum Gegenstand
       einer pornographischen Schrift gemacht werde, sei ein Mißbrauch
       (im Sinne eines "Angriffs auf die menschliche Würde"), der in den
       Anwendungsbereich des § 184 Abs.3 StGB falle.
       
   Die im konkreten Fall festgestellten Bilder, die Personen kindlichen
   Alters zeigen, während sie sexuelle Handlungen vornehmen, sind daher
   aus unserer Sicht offensichtlich strafrechtswidrig. Gemäß § 6 Nr. 6
   StGB ist die Tat auch dann strafbar, wenn sie im Ausland begangen
   worden ist.
   
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   Allerdings haben wir festgestellt, daß das Angebot hinter dem Link
   "heiße Liebe" durch ein Password geschützt war:
   
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   Über den regulären Pfad, d.h. den gesetzten Hyperlinks (beginnend bei
   der Homepage) folgend, erreicht man zwar eine Liste der Bilder, es
   werden aber nur genau drei angezeigt, die nicht den Tatbestand des §
   184 Abs.3 erfüllen. In allen anderen Fällen wird ein Username und ein
   Password abgefragt. Ein direkter Zugriff auf das Directory, in dem die
   Bilder hinterlegt sind, wird ebenfalls mit einer Password-Abfrage
   quittiert. Auch ein dritter Weg über eine Seite, auf die von anderer
   Stelle nach unseren Erkenntnissen nicht referenziert wird, führt vor
   der Ausgabe der "kritischen" Bilder zu einer Abfrage.
   
   Damit ist die Frage zu stellen, ob die Bilder tatsächlich "öffentlich"
   zugänglich gemacht werden. In diesem Zusammenhang ist darauf
   abzustellen, mit welcher Motivation der Täter handelt. Sofern der
   Password-Schutz zu dem Zweck erfolgt, den Zugriff auf eine kleine, für
   den Täter überschaubare (und ihm bekannte) Gruppe zu beschränken, sind
   die Inhalte eines Servers nicht mehr öffentlich zugänglich. Sofern die
   Zugriffsbeschränkung allerdings allein dem Zweck dient, die
   Interessenten zur Bezahlung der von ihnen abgerufenen Inhalte zu
   zwingen, hat das Angebot nach wie vor öffentlichen Charakter.
   
   Im vorliegenden Fall ließen sich die Motive des Betreibers nicht mit
   letzter Sicherheit feststellen. Einige Äußerungen, die wir gefunden
   haben, deuten darauf hin, daß der Betreiber die Zugangsbeschränkung
   zur Vermeidung rechtlicher Probleme eingeführt hat ("In order to avoid
   future problems, we're made a user selection". "if you don't have 21
   years or older GO OUT ! Or else, if you agree with laws and look for
   the hottest pix on the Net ... ENTER"). Andererseits erfolgt die
   Registrierung nur gegen die Angabe einer Kreditkartennummer, so daß
   pekuniäre Interessen offenkundig sind.
   
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   Aufgrund der nicht eindeutigen tatsächlichen Feststellungen haben wir
   entschieden, nicht sogleich die Sperrung des Hosts zu empfehlen.
   Stattdessen haben wir dem Betreiber am heutigen Nachmittag um 16:00
   Uhr folgendes Ultimatum gestellt:
   
   Dear Sirs and Madams,
   
   I am writing you on behalf of the so-called „Internet Content
   Task Force" (ICTF). The ICTF is a working group for a German
   affiliation of Internet service providers (ISPs). We have been
   assigned the task of promoting the interests of the ISPs affiliated
   with us within the framework of criminal investigatory procedures. As
   you may know, the question of what responsibility should be imposed on
   ISPs for the contents which are distributed over the Internet is being
   discussed worldwide, and especially in Germany. Moreover, some of the
   authorities in Germany are currently of the view that ISPs can be
   prosecuted if they transport contents which violate the criminal code.
   In order to avoid criminal prosecution, but also for ethical and moral
   reasons, the ICTF is reviewing indications of illegal contents and, if
   necessary, is recommending that such contents are no longer
   distributed or that access to specific Web servers is blocked.
   
   Therefore I would like to inform you of the following:
   
    1. A German investigative authority has informed us that images can
       be called up via your web site, www..., which meet the criteria
       constituting child pornography in Germany.
    2. Violations of the prohibition against the dissemination of child
       pornography can be prosecuted under German law if the perpetrator
       is not a German national and has his headquarters or residence
       abroad. For this reason, an investigatory procedure has been
       initiated against you in Germany. According to our information,
       evidence has already been gathered against you and an official
       request for assistance has been filed.
    3. We have been called upon to block access to your server.
    4. A review of the matter has shown that the information provided by
       the investigatory authorities is basically accurate. We have been
       able to call up several images which obviously portray children
       engaging in sexual activities with each other or with adults. We
       then subjected your server to a thorough examination, which you
       are probably already aware of. It turns out that the pertinent
       areas of your computer are protected with a password, but that
       this protection can be circumvented by entering strings as user ID
       and password which are easy to guess.
       
   We herewith call upon you to do the following within 24 hours of
   receiving this letter:
   
     * Delete all images portraying child pornography in the rubric of
       .../XXX/
       
                                     or
                                      
     * change the password protection in such a manner as to make access
       no longer possible,
       
                                     or
                                      
     * ensure by means of reconfiguring your routers that access to
       penalizable images is not possible for Germans (which in practice
       is probably not possible to do).
       
   Should we determine that our demands have not been met, we will
   recommend blockage be undertaken without sending an additional
   warning. This will block your offering to the vast majority of German
   Internet subscribers.
   
   Eine Rückmeldung haben wir daraufhin noch nicht erhalten.
   
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   [1][LINK] Zurück zur [2]ICTF-Leitseite.
   
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   Kommentare und Anregungen senden Sie bitte an: [3]webmaster@anwalt.de.
              Copyright © 1996 Rechtsanwalt Michael Schneider
                   Letzte Änderung am 12. September 1996

References

   1. http://www.anwalt.de/ictf/index.html
   2. http://www.anwalt.de/ictf/index.htm
   3. mailto:webmaster@anwalt.de