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Re: Aprilscherz? Denkste!



On 25 Apr 98 at 2:50, Gunnar Anzinger wrote:

> Ob das heute schon einen nennenswerten Betrag ausmacht, weiß ich
> nicht. Aber ich denke, dass Standardsoftware schon recht bald
> hauptsächlich elektronisch über das Netz ausgeliefert wird.

Ich vermute, dass einige Steuerstrategen vermeiden wollen, dass das
Netz Fakten setzt, hinter die die Politik dann nicht mehr zurueck
kann. Aus der Sicht der Steuerpolitik ist die derzeitige Situation
hinsichtlich der Kryptodebatte wohl ein eher abschreckendes Beispiel.
Dadurch, dass ein generelles Kryptoverbot mit Genehmigungsvorbehalt
nicht schon Anfang der 90er Jahre in den wichtigen Industrielaendern
durchgezogen worden ist, sehen sich die "Sicherheitspolitiker" heute
der fuer sie unangenehmen Situation ausgesetzt, ihre Vorstellungen
gegen eine sensibilisierte Wirtschaftslobby durchdruecken zu muessen.
Gerade weil der reine Netzumsatz (ohne koerperliche Lieferungen, die
verzollt werden muessen) noch sehr gering ist, sieht man offenbar
gewisse Chancen, die Regulierung durchzufuehren, bevor der Markt sich
entfaltet hat.

International gibt es schon seit einiger Zeit Verhandlungen im
Umkreis der WTO. Dabei geht es auch um das Prinzip, dass
Dienstleistungen, die grenzueberschreitend erbracht werden, von der
Umsatzsteuer befreit sind. Man beobachtet mit goesstem Argwohn, dass
Wirtschaftsgueter im Netz entstehen koennten, die eine
Zwitterstellung zwischen Ware und Dienstleistungen einnehmen. Eine
online-Datenbankauskunft ist typtischerweise eine Dienstleistung. Was
passiert aber, wenn eine Datenbank nicht nur kleine
ASCII-Datensaetze, sondern digitalisierte Audio-CDs oder Romane
enthaelt, die beim Empfaenger gespeichert, sogar auf eine CD-R
gebrannt oder ausgedruckt werden? Da wird der Download zu einem
Substitut fuer eine Warenlieferung, die frueher durch den Zoll ging.

Und: Schon heute haben transnationale Unternehmen Moeglichkeiten,
ihre Gewinne in den Staaten anfallen zu lassen, wo die Steuertarife
am niedrigsten sind. Man kann sich leicht ausmalen, dass diese
Gestaltungsmoeglichkeiten potenziert werden, wenn transnationale
Unternehmen ihre internen (Zwischen-)Arbeitsergebnisse kreuz und Quer
durchs Netz schicken koennen.

Fortschrittliche Steuerexperten schwelgen gerne in Horror-Szenarien
ueber solche Themen, bei denen die wirtschaftliche Wertschoepfung im
Cyberspace voellig am Fiskus vorbeilaeuft.

In der Steuerdebatte steckt auch noch Sprengstoff hinsichtlich der
Krypto-Debatte, die bisher immer auf der Schiene "Innere Sicherheit"
geritten wurde. Wenn der Staat sich dazu entschliessen sollte, die
Inhalte des Netzdatenverkehrs in der einen oder anderen Form mit
einer Netzumsatzsteuer belegen zu wollen, waere Kryptographie ohne
GAK ein perfektes Tool zur Umgehung dieser Steuer. Es wird nicht
lange dauern, und die Steuerexperten werden jammern, dass eine
unregulierte Kryptographie die fiskalischen Grundlagen des Staates
gefaehrde.

Axel H. Horns