[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: Artikel: Gefangen im Internet



>Im Grunde genommen die gleiche Angstreaktion, die auch unmittelbar 
>nach der Gutenberg-Revolution aufkam, nur anders skaliert:

"In dem jahrhundertelangen Kampf zwischen dem autoritären Staat und
der Presse als Verfechterin neuer, freiheitlicher Ideen sah die
Obrigkeit die besondere Gefährlichkeit der Gazetten in ihrer
Anonymität, die die Feststellung der Informanten, Verfasser, Drucker
und Verbreiter unerwünschter Publikationen erheblich erschwerte. Neben
der Verpflichtung zur Impressumangabe war es vor allem der sog.
Zeugniszwang, mit dessen Hilfe der Staat versuchte, den Schutzwall der
publizistischen Anonymität zu durchbrechen. Schon bald nach dem
Aufkommen des Gutenbergschen Buchdruckverfahrens und der dadurch
möglich gewordenen Massenverbreitung von Schriften gestattete die
Reichspolizeiordnung von 1548 die `peinliche Befragung' der Besitzer
solcher Schriften nach deren Herkunft. Daneben wurden zur Erzwingung
der Auskunft Geld- und Freiheitsstrafen in unbegrenzter Höhe verhängt.
Nachdem die Aufklärung die Beseitigung der Folter gebracht hatte
(1740), ging der moderne Staat dazu über, zur Feststellung des
Verfassers oder Gewährsmanns einer Veröffentlichung ein Strafverfahren
gegen `Unbekannt' einzuleiten. Der als Zeuge geladene Presseangehörige
setzte sich empfindlichen Ordnungs- und Beugestrafen (Geld- und
Haftstrafen aus, wenn er seinen Gewährsmann verschwieg.

[...] Besonderes Aufsehen und Mißfallen erregte ein gerichtliches
Massenzwangsferfahren, das 1875 gegen die Redakteure der Frankfurter
Zeitung durchgeführt wurde. Ihr Verleger Leopold Sonnemann und vier
seiner Redakteure verbrachten damals insgesamte siebeneinhalb Monate
im Gefängnis (Zwangshaft), weil sie ihre Informanten nicht preisgaben
(...). Von 1871 bis 1879 mußten die Redakteure der Frankfurter Zeitung
eine Gesamtzeit von drei Jahren und vier Monaten unter zum Teil
schikanösen Bedingungen in Zeugnis-Zwangshaft verbringen."

M. Löffler, Presserecht, S. 863-864.