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Internet & Schule



Hay,

vor zwei, drei Wochen schickte ich einen zweiten Brief wiederum
an den Direktor, das Lehrerkollegium, Elternbeirat und SMV. Ein
ehemaliger Schülersprecher an unserer Schule, der in der SMV und
im Schulforum sehr aktiv ist, zeigte sich sehr interessiert an
beiden Briefen und an der Situation. (Er mußte z.B. hart dafür
kämpfen, daß die Redakteure der Schülerzeitung in den Computer-
raum gehen können, wann sie wollen. Bisher mußte immer eine
Aufsicht [Lehrer] mitgehen, und da Lehrer meistens um 13 Uhr
nach Hause wollen, die Redakteure sich aber nach 13 Uhr treffen,
war Chaos vorprogrammiert.)

Wenn ich Glück habe, werden meine Briefe bzw. die dort ange-
sprochenen Mißstände zum Thema im Schulforum.

Mit meinem Direktor ist nicht gut Kirschen Essen ("Monarch"
würde eher auf ihn passen :-); vor zwei Wochen fragte ich ihn,
ob er denn den Brief gelesen habe und ob wir nochmal darüber
sprechen sollten. Antwort: "Nein -- alles muß ja irgendwann
auch mal ein Ende haben." (Jeder vernünftige Mensch greift sich
da ans Hirn ...)

Heute beim Abigag hatte ich die Gelegenheit, mit einem "Assistent"
(so der offizielle Posten) des Verantwortlichen für den Computer-
raum (beides Lehrer) über die Sachlage zu diskutieren. Er gab mir
völlig Recht mit den Inhalten meiner beiden Briefe und erklärte mir,
daß unser Direktor wohl so etwas wie ein "Monarch" sei, der einem
mit einem Augenschlag die Kompetenz abspricht (hat er z.B. indirekt
bei meinem ersten Gespräch getan, ich erinnere da an seinen Satz
"Sie wissen doch gar nicht, ob wir das wollen!"). Die besten Chancen
hätte ich, wenn sich ein Elternteil sehr gut mit der Sachlage aus-
kennen würde, denn der Direktor hört anscheinend mehr auf Eltern
als auf Schüler bzw. die Eltern können mehr Druck machen als die
Schüler. O-Ton dieses Lehrers, mit dem ich heute sprach: "Hier läuft
*einiges* schief."

Nette Geschichte nebenbei: wer den Internet-Zugang in der Bibliothek
(lachhaft, 1 Terminal...) nutzt, muß 3,60 DM pro Stunde (ca., also
jedenfalls die normalen Telekom-Gebühren) zahlen. Dies kam so: der
Sohn des Direktors, der einen Zugang via T-Online hat, rechnete
seinem Vater vor, wie teuer die Schule doch dieser Zugang kommt.
Daraufhin wollte der Direktor natürlich sozusagen wieder fast alles
abblasen, bis ihm die Lehrer mal vorrechneten, daß dem ja gar nicht
so sei, da T-Online den Schulen einen "kostenlosen" Zugang gewähre.

Innerlich mußte ich lachen, als ich das hörte. ;-)) Nunja, ich bin
wirklich mal gespannt, wann die Schule einen vernünftigen Internet-
Zugang zustandebringt. (Ich bezweifle, daß dies noch in diesem
Jahrtausend erfolgt.)

Und hier besagter zweiter Brief. Ich hoffe, Kristian mag mir ver-
zeihen, daß ich ihn namentlich erwähnt habe. Der Brief enthält
als Anlage das von Kristian hier gepostete "Slashdot Editorial"
sowie einen seiner Genration @-Texte aus dem Jahre 1996 (Pointer
wurde hier auf der Liste auch gepostet... es geht um den Text mit
"Wir haben sie Euch weggenommen.")

Viele Grüße, Björn. (Abwesend von morgen Mittag bis 27.07.)

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Die aktuelle Situation in der Bibliothek sowie der Internet-Anschluß, Teil 2


Sehr geehrter Herr XXX,
wehrte Damen und Herren des Elternbeirats,
sehr geehrte Lehrer und Lehrerinnen,

[...]

Zum Thema "Internet-Anschluß" möchte ich etwas weiter ausholen, da ich
den Eindruck habe, daß Sie, Herr XXX, mich in unserem Gespräch (teilweise)
mißverstanden haben.

In der Bibliothek steht ein Computer (nach meinen Informationen wurde dieser
mit den Mitteln aus SAN II angeschafft; ich bitte um Korrektur, falls ich
hiermit falsch liege), mit dem man "im Internet surfen kann" (ich benutze
die "", weil ich mich von dieser Volksformulierung distanzieren möchte).
Ein Problem aus meiner (und der vieler anderer Schüler/Lehrkörper) Sicht:
der Computer steht in der Bibliothek, und die Schüler, die dort "surfen",
verursachen störenden Lärm.

Herr XXX, als ich sagte, daß es doch viel sinnvoller sei, von jedem Computer
aus surfen zu können, entgegneten sie mir: "Sie wissen doch gar nicht, ob
wir das wollen!" -- Sicher, natürlich weiß ich das nicht.

Aber finden Sie es denn (pädagogisch) sinnvoll, wenn in der Unterrichtsstunde
ein Schüler/Lehrer am Computer mit dem Internet-Zugang sitzt, und zwanzig
andere Schüler außenrumstehen oder, noch schlimmer, diese an jeweils einem
Computer sitzen und via Monitorkontrollsystem das Monitorbild des Schülers,
der im WWW "herumklickt", auf ihrem eigenen Monitor sehen? Ich kann mir nicht
vorstellen, daß das Ihr erklärtes Ziel ist. Wenn ja, so finde ich dies sehr
traurig, denn es ist wirklich kein großes Kunststück, mittels des Netzwerks
im Computerraum (Novell ist dazu gar nichtmal nötig, es reicht das TCP/IP-
Netzwerkprotokoll, das Windows95 von sich aus mitbringt) die Rechner so einzu-
richten, daß sich nur ein Rechner einwählt und man via Netzwerk von allen
anderen Rechnern aus gleichzeitig die angebotenen IP-Dienste in Anspruch
nehmen kann (z.B. WWW).

Weiterhin kritisierte ich in meinem ersten Brief, daß ich (und drei andere
Schüler, wenn ich mich recht entsinne) mit einigen Lehrern ein Gespräch im
Computerraum hatte, wie das Problem des Internet-Zugangs im Computerraum
gelöst werden kann. Ich erwähnte, daß ein entsprechendes Konzept ausgearbeitet
worden sei, aber seit über einem halben Jahr nichts gemacht wurde. Sie, Herr
XXX, erwähnten mir gegenüber die Aussage einer Person (deren Namen ich gerne
wüßte), daß man mich in den Weihnachtsferien gebraucht hätte (es war alles an
den Rechnern verstellt etc.; ich sicherte angeblich meine Hilfe zu), ich aber
nicht dagewesen sei und "man" von "nix wußte". Diese Aussage möchte ich aufs
Äußerste zurückweisen.

Richtig ist, daß in Erwägung gezogen wurde, den Computerraum in den Weihnachts-
ferien "auf Vordermann" zu bringen, wobei man mich gerne z.B. bei der
Installation des Betriebssystems Linux auf dem Bibliotheksrechner dabei gehabt
hätte. Ich erwähnte jedoch sofort, daß ich aus privaten Gründen in den Weih-
nachtsferien nicht anwesend sei, was auch akzeptiert wurde. Dies nur zur
Richtigstellung.

Ich frage mich jedoch, warum in diesem halben Jahr wirklich niemand an mich
herantrat und mit mir einen Termin ausmachte, wenn es um computerspezifische
Dinge geht. Ich war in 99% aller Pausen im Affenkäfig, und wirklich erreichbar.
Augenscheinlich wollte keiner meine Hilfe in Anspruch nehmen. Und ich habe
wirklich keine Lust, den Leuten hinterherzurennen und ihnen geradezu meine Hilfe
"aufzudrängen". Wie gesagt, es bestand die Möglichkeit, mich in den Pausen zu
erreichen und sich mit mir zu besprechen; diese Möglichkeit wurde jedoch nicht
in Anspruch genommen.

Ich habe auch eine Kontaktadresse bzw. -Telefonnummer genannt, unter der man
nähere Informationen bezüglich einer Schulinstallation (Anbindung ans Internet,
Konfiguration der Rechner, Workshops für Lehrer, Support, für insgesamt ca.
500 DM) bekommen kann. Augenscheinlich wurde diese meiner Meinung nach recht
einfache, sehr kostengünstige und wenig nervenaufreibende Möglichkeit nicht ge-
nutzt.

Ich hoffe, daß ich bis hierhin einen einigermaßen sachlichen Ton wahren konnte.
Wenn nicht, so bitte ich dies zu entschuldigen.

Sofern es an diesem Gymnasium jemals einen vernünftigen Internet-Zugang geben
sollte (unter "vernünftig" verstehe ich: Nutzung jeglicher IP-Dienste, unter
anderem auch E-Mail, ftp, gopher, archie, etc.), wird dieser -- verständlicher-
weise oder unverständlicherweise, je nachdem, wie man es sehen möchte -- in
irgendeiner bestimmten Form kontrolliert werden; sei es über sog.
Firewalls/Proxies, mit denen sich Restriktionen auf IP-Ebene durchführen lassen
oder anderen Dingen. Hierzu möchte ich einen Gedanken einer Netzpersönlichkeit,
Kristian Köhntopp, aufgreifen. Kristian ist nicht nur seit "Ewigkeiten" im Netz
unterwegs, sondern er befaßt sich auch mit der Kultur des Internets, Datenschutz
etc.pp.:

"Das Internet ist der perfekte Spiegel der Gesellschaft. Gefällt Ihnen, was sie
sehen?"

Das Internet ist de facto nicht kontrollierbar, denn dazu wurde es nicht
designed.

Diese zwei Sätze sowie die gesondert folgende Anlage möchte ich unkommentiert
stehenlassen. Es möge sich jeder dazu informieren und seine Meinung bilden. Ich
habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß die Politik irgendwann einmal
begreifen wird, wie das Internet funktioniert. Orwells "1984" ist leider heute
schon Realität (und nicht einmal die Restriktionen beim "großen Lauschangriff"
funktionieren, siehe SPIEGEL 21/98, Seite 37).

Ich würde gerne eine Schule sehen, die mit den "bösen Dingen" im Internet
richtig umgeht und -- aus Sicht der Schule -- "verbotene" Inhalte nicht einfach
"wegsperrt". Wegschauen ist auch keine Lösung.

In diesem Sinne & mit freundlichen Grüßen