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Re: C@are Child



> 
> Holger Veit:
> (...)
> >kompliziert ist. Dein Filtersystem ist a priori zu kompliziert. Das einzige
> >Filtersystem, was noch breit akzeptiert wird, ist ein Zeitschriftenkiosk:
> >wenn Du selbst nicht den L^HFocus lesen willst, kaufst du ihn nicht, und
> >wenn Du nicht willst, dass die Kids den Playboy kaufen, dann biete ihn dort
> >nicht an.
> 
> Erstens ist das aufgrund der Monopolstruktur im
> Kioskvertrieb so nicht moeglich: ich kann die Vorhaltung
> von mir gewuenschter Zeitschriften AFAIK erzwingen
> (wenn ich mich vorher melde und sie kaufen will);
> das ist ein Resultat der Erfahrungen von 1933-1945
> und das habe ich bez. der TAZ auf einem kleinen Dorf
> in der Naehe Heidelbergs auch mal so gehandhabt.

Ich weiss sehr wohl, dass die Kiosk-Metapher unvollstaendig ist.
Dennoch besitzt sie zwei zentrale Eigenschaften, die man vom
Internet verlangt: Abfragemoeglichkeit der Verfuegbarkeit
von Datenmaterial und Zugangskontrolle. Ersteres erledigt das
Internet - zwar schlecht, aber immerhin - durch Suchmaschinen,
bei letzterem versagt es konzeptionell (muss es versagen, wenn
es seine Funktion erfuellt). Den Kioskbesitzer kann ich
dagegen zu meinem verlaengerten Arm machen, dass er meinen
Kindern nichts verkauft, was ich nicht will.
Dennoch wird immer die Metapher vom Internet als dem "Grossen
B(a)uchladen fuer Alle" - e-Commerce -, mithin also das Kiosk-
Modell, den Konsumenten ins Hirn gehaemmert, bis sie an einen
solchen Unsinn glauben.

> Zweitens schrieb Peter Heinlein in der WELT AM SONNTAG
> am 12.07.98 in der Rubrik "Menschen & Medien":
> 
> ---schnippp---
> Peter Lewandowski, seit 6 Monaten Chef des dt.
> "Playboy" laesst immer oefter Jugend-Idole ausziehen.
> Nach Ricky von Tic Tac Toe und dem Pop-Duo Mr.
> President, ziert die ehemalige "Bravo-TV" Moderatorin
> Jasmin Gerat die Juli-Ausgabe des Magazins.

Sex sells - was Wunder. Was entscheidet, ist das Geld, das
die Zielgruppe besitzt. Mittlerweile sind die Kiddies
eine wesentliche Zielgruppe, so stark, dass es sich lohnt,
alte gesellschaftliche Normen ueber den Haufen zu werfen.

> >Alles andere ist zu kompliziert. Dummerweise: beim Internet geht das Prinzip
> >in die Hose, da es keine kioskartige Raum/Zeit-Beschraenkung besitzt. Und dann
> >wird aus einem maechtigen Filtersystem sofort auch gleich ein komplexes
> >Gebilde, welches im Extremfall die Dimension des Internets selbst besitzt.
> 
> Hinzu kommt das Problem des Netz-Ueberlebenswillens:
> Weil die Netze eine Zensur als Existenzbedrohung empfindet,
> kopiert sie zu zensierende Infos einfach oft genug; das ist eine
> Art niederer Instinkt der Netze als Bio-Roboter.

Das sollten wir in einen anderen Thread ziehen. Die Frage, ob das
InTerraNet tatsaechlich bereits eine Lebensform konstituiert. Was Du 
als niederen Instinkt des Netzes selbst bezeichnest, ist IMHO mehr
eine inhaerent vorhandene Funktion des Betriebssystems Node-Administrator,
welche so haeufig implementiert ist, dass sie als generelle Eigenschaft
nicht der Zellen erscheint, sondern des Netzes selbst. Moeglicherweise
ist sie das auch, vergleichbar mit der Generalisierung des Beduerfnisses
eines Organismus zu atmen, zurueckgefuehrt auf den biologischen Mechanismus
der Zellen, Sauerstoff aufzunehmen oder abzugeben. Vielleicht aber auch
ist die Ablehnung von Zensur eine Manifestation eines uebergeordneten
Prinzips eines Lebewesens, zu wachsen, sich zu entwickeln, sich auszubreiten
und zu veraendern - wodurch ein Zensor, der einen bestimmten Zustand konser-
vieren will, automatisch als Fremdkoerper, als Krankheitserreger eingestuft
wird.
Finde ich hochinteressant, aber da muessen wir noch ein paar Diskussions-
iterationen spendieren.

> Insofern sind diejenigen, die nicht auf Freiwilligkeit,
> sondern auf Zwang setzen bei der Entfernung von Zensur,
> die groessten Dreckschweine, weil sie aus Dummheit
> negative Information weit breiter streuen als es ohne
> diesen Fokus geschehen wuerde.

Moment: habe ich das richtig gelesen, dass der Krankheitserreger nicht
der Zensor ist, sondern derjenige, der den Krankheitserreger mit Gewalt
beseitigen will?

> Aber dazu ist es notwendig, das Internet als Lebewesen
> zu begreifen. Und das dauert bei den Schwarzkitteln.

-- 
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