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Wildwuchs vs Normierung in Kommunikationssystemen



> Syntaktische Ambiguitaeten sind unproblematisch, insbesondere bei den
> von Dir unten erwaehnten Beispielen. Das Japanische hat im Vergleich zu
> DE und EN eine Reihe von wesentlich boesartigeren Problemen, naemlich
> fehlende Unterscheidung von Singular und Plural, fehlende Artikel, fehlende
> Konjugation der Verben etc. Das weisst Du! Du musst irgendwie den Kontext

Das Japanische ist auch hier wesentlich besser als DE und EN.
Es hat nicht *obligatorische* Unterscheidungen sondern stellt dem Sprecher
frei, die Wortbausteine dort anzufuegen, wo sie gebraucht werden.
Im Deutschen ist besonders die obligatorische Geschlechtswahl laestig.
Die fuehrt zu Schwachsinnsformeln wie "Liebe Buergerinnen und Buerger".
Lojban kennt auch nicht diese Unterscheidungen.  Eine gute Sprache erlaubt
dem Sprecher, die benoetigten Mittel frei zu waehlen.

> transportieren, wenn Du etwa im Kaufhaus 'kaimasu' sagst: Kaufe nun ich, oder
> wir, und was wird da gekauft? Beim Gespraech wird das meiste aus dem

"kaimasu" ist syntaktisch eindeutig.  Die Unschaerfe ist gewollt.  Es
handelt sich nicht um syntaktische Ambiguitaet.  Wenn ich mehr Information
geben will (etwa weil der Kontext sie nicht liefert), kann ich sie Stueck
fuer Stueck zufuegen.  Im Deutschen steht es mir nicht frei, die
Information Stueck fuer Stueck zusammenzubauen.  Ich bin an Konglomerate
gebunden, in denen nutzlose Informationen wie Singular/Plural, Zeit,
Geschlecht, Modus u.a. zwangsweise enthalten ist.

> Zusammenhang klar, bei der Schrift muss man schon zu Kanji greifen, weil
> die Kana-Schrift selbst schon hochgradig mehrdeutig ist (insbesondere weil
> man auf Wortzwischenraeume verzichtet).

Wortzwischenraeume sind noch immer ein recht primitives Konzept.  Zur
echten Abgrenzung brauechte man Klammerpaare.  Sprachen, die keine
Wortzwischenraeume haben, entwickeln oft Klammerpaare in Form von
syntaktischen Woertern.  Kann man beim klassischen Chinesischen gut
beobachten.  Im Japanischen gibt es ein Kana (wo), das heute nur noch
syntaktische Funktion hat.  Auch die japanische Einteilung in Kanji und
Kana ist ausdrucksstaerker als das Konzept der Wortzwischenraeume. 

> > Ein besonders triviales Beispiel einer solchen Ambiguitaet ist:
> >   Er waescht die Teller im Waschbecken.

Wiegesagt, besonders trivial.  Viel vertracktere Beispiele enthaelt die
Referenzgrammatik von Lojban.

Ich wollte schon lange Webseiten ueber die Staerken und Schwaechen der
einzelnen Sprachen schreiben.  Es ist nicht so, dass alle Sprachen gleich
gut waeren und alle Kommunikationsbeduerfnisse des Menschen durch den
"natuerlichen" Wildwuchs einer Sprache geloest wuerden.  Dieser Wildwuchs
fuehrt zu aehnlichen Beschraenkungen unserer Kommunikations- und
Denkfaehigkeiten wie der Wildwuchs auf kommerziellen Informationsmaerkten.
Ohne eine normierende Kraft kommt nur das an Sprachsystem zustande, was
der DAU unbedingt braucht, um die kurzfristigsten Kommunikationsziele zu
erreichen.  Das fuehrt dann zu unterschiedlichen Sackgassen, den
natuerlichen Sprachen, von denen die eine hier und da ein wenig besser
(fuer Kommunikation und Denken) als die andere sein kann. 

Eine klassische Hypothese von Sapir & Whorf besagt, dass die Qualitaet der
Sprache die Qualitaet des Denkens beschraenkt.  Lojban ist offiziell
u.a. angetreten, um diese These zu ueberpruefen.

--
Hartmut Pilch
http://www.a2e.de/phm/