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Re: Wildwuchs vs Normierung in Kommunikationssystemen



According to PILCH Hartmut:

> Die fuehrt zu Schwachsinnsformeln wie "Liebe Buergerinnen und Buerger".
> Lojban kennt auch nicht diese Unterscheidungen.  Eine gute Sprache erlaubt
> dem Sprecher, die benoetigten Mittel frei zu waehlen.

Lojban kennt, scheint mir, so einiges nicht.

Zweck einer Sprache ist es nicht zuletzt, dem Hörer das Verstehen zu
leicht zu machen. Eine ziemlich schwierige Aufgabe für ein
Planungskommittee, weil niemand so ganz genau weiß, wie es eigentlich
funktioniert.

Damit Kommunikation funktionieren kann, muß die Sprache einerseits
effizient sein; andererseits benötigt sie ein gewisses Maß an
Redundanz. Im Deutschen sind es "nutzlose Informationen wie
Singular/Plural, Zeit, Geschlecht" usw., die dem Satz eine klar
erkennbare Struktur geben. Während man spricht, baut der Hörer eine
Erwartung darüber auf, wie der Satz weitergehen wird. Für das
Sprachverstehen kommt es darauf an, den Hörer -- durch Redundanz in
der Äußerung -- zu lenken und seine Erwartung nicht zu enttäuschen.

In anderen Sprachen sind u.U. ganz andere "nutzlose Informationen"
erforderlich; aber eine Sprache ohne das richtige Maß an Redundanz
wäre nur mit Mühe zu verstehen. Das dürfte auch erklären, warum eine
so wundervolle Sprache wie Lojban niemand spricht.

Syntaktische Mehrdeutigkeiten sind in der Realität kein Problem.
Meistens werden sie durch den Zusammenhang aufgelöst; wenn dem nicht
so ist und es tatsächlich darauf ankommt, dann muß man eben eine
andere Formulierung wählen (eine Patentschrift ist ja kein
Gedicht).

Loglan/Lojban paßt gut in eine Zeit, in der man glaubte, unmittelbar
vor der vollautomatischen Computerübersetzung zu stehen und in der,
wohl nicht ganz zufällig, die Whorf-Hypothese grade in war. Aber
modern?

> Ohne eine normierende Kraft kommt nur das an Sprachsystem zustande, was
> der DAU unbedingt braucht, um die kurzfristigsten Kommunikationsziele zu
> erreichen.

Oh weh.

-- 
How can the combination of fragments of knowledge existing in
different minds bring about results which, if they were to be
brought about deliberately, would require a knowledge on the
part of the directing mind which no single person can possess?
                                                              -- F.A. v. Hayek