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Re: Wildwuchs vs Normierung in Kommunikationssystemen



> 
> > moeglicher Traeger. Gesprochener besitzt neben dem eigentlichen
> > Informationsgehalt noch weitere Redundanz- und Irrelevanz-Teile,
> > welche Sekundaerinformation, beabsichtigt oder unbeabsichtigt,
> > transportieren, z.B. Aussagen ueber den Sender selbst, etwa seine
> > aktuelle emotionale Verfassung. Mit dem Erleichtern des Verstehens
> 
> Lojban hat auch hierfuer ein sehr ausstrucksstarkes System von 
> Interjektionen.

Irrelevant. Erforderlich ist nicht nur ein Parser, sondern ein vollstaendiger
Analyser, der genau die Sekundaerinformation extrahiert und automatisch
anfuegt. Ansonsten koennte ich meine aktuelle Stimmung auch gleich mit 
Emoticons darstellen. Wenn ich erst mal an jeden Satz oder gar jedes
Wort ein Tag <Ironie> oder "Hufeisen hier nicht als Pferdeschuh gedacht, 
sondern bildlich im Sinne seiner Wirkung, wenn man es an den Schaedel bekommt,
aber auch nicht *so genau*", dann kannst Du dir die ganze Loyban-Syntaxerei
in eine Koerperoeffnung Deiner Wahl reinschieben (so, nun druecke mal formal
in Loyban aus, welche Oeffnung ich da meine, ohne das Wort zu erwaehnen, und
damit meine Aussage zu verfaelschen!).

> > hat das zunaechst mal garnichts zu tun. Das wiederum ist in der
> > Redundanz (Weitschweifigkeit) der Sprache selbst zu suchen, wenn z.B.
> > die Moeglicheit besitzt, den gleichen Sachverhalt auf verschiedene
> > Weise auszudruecken. Ein Paradebeispiel aus dem Bereich der kontextfreien
> > Sprachen, hier C:
> > 	while(*t++=*s++);
> > vs.
> > 
> > 	i = 0;
> > 	do {
> > 		t[i] = s[i];
> > 		i++;
> > 	} while (s[i-1] != '\0');
> 
> 
> Die Kurzvariante ist zweifelhaft, weil sie auf interne Eigenschaften von
> C zurueckgreift (etwa dass ein String mit '\0' endet) statt auf in andere
> Sprachen portierbare Programmlogik.

Das ist die Konvention, die C benutzt. '\0' == end-of-string. Period. Das
muss so repraesentiert werden, nicht anders. Die Semantik verlangt, dass
kein String legal das Zeichen '\0' enthalten darf. Was andere Sprachen da
treiben, ist irrelevant. Wenn Du eine solche Konvention ignorierst, verlange 
ich mit gleichem Recht fuer die japanische Sprache den Plural und in
Pascal die Pointer-Subtraktion. Wie? Ist nicht? Scheiss Sprachen!

> Die Langvariante ist ein Beispiel besonders schlechten Programmierstils,
> denn sie wiederholt unnuetze Rechnungen wie [i-1] in jeder Schleife,
> orientiert sich an langatmig-trivialer Alltagssprache ( do ... while ..) 
> und greift zudem noch ebenso wie die Langvariante auf C-Akzidentien
> zurueck. 

C'est la vie. Ich verlange von einem halbwegs intelligenten C-Compiler, dass
er den Basic Block {i++; if *(t+i-1) } geeignet aufloest etwa zu
	temp_register = i;
	i = temp_register + 1;
	temp_register2 = dereference(t + temp_register);
	jump_on_not_zero(temp_register2, begin_loop);
und im folgenden Schritt auch noch das i in ein Register packt und im
peephole-Optimizer dann das ganze noch ein bischen zusammenstaucht. Lies' ein
wenig compiler-generierten Assemblercode, allerdings nicht unbedingt gcc -
der optimiert lausig - und Du wirst feststellen, dass gute Compiler obiges
Zeug recht gut, kompakt und schnell zusammenziehen koennen.

> > Ersteres ist sicherlich (zumindest bei Zweiadressmaschinen mit
> > Autoincrement: PDP-11, 68K) optimal an die Hardware angepasst,
> > letzteres ist auch fuer den Nicht-C-Freak halbwegs lesbar.
> 
> Eine gute Sprache wuerde auch hier erlauben, dass man logikangepasst
> formuliert und auf dieser Basis unschaedlichen syntaktischen Zucker
> hinzufuegen kann.  C und Deutsch/Englisch erlauben weder noch.  Lojban
> erlaubt beides.

Damit bist Du irgendwo auf dem Denkniveau der 60er oder 70er Jahre stecken-
geblieben, als man noch glaubte, man koenne bei geeigneter formaler
Verpackung Dinge wie maschinelle Translation von Texten oder formale 
Verifikation von Software automatisch erschlagen. Ersteres scheitert daran,
selbst bei irgendeiner Lisp-artigen Syntax hinreichend viel an Kontext
unterzubringen - wie im obigen Absatz beschrieben, *automatisch* zu generieren,
ohne den Autor zu zwingen, jedes Nicht-Hufeisen nicht nur als solches zu
kennzeichnen, sondern auch gleich den absichtlichen Sinngehalt oder sogar 
unbeabsichtigte Konnotationen genau zu spezifizieren; die formale Verifikation
scheitert letztlich am Halteproblem, vordergruendig aber an der allerersten
Systemspezifikation, konkret: wer sagt denn, dass das, was formal beschrieben
wird, das ist, was ausgesagt werden soll? Laesst sich unmittelbar auf Loyban
applizieren: wenn ich absichtlich eine Metapher wie z.B. "das europaeische
Haus" benutze, assoziiert niemand damit eine bestimmte Geometrie, Zahl der
Tueren und Fenster, Form des Daches, Farbe der Regenrinne (if at all) etc.
Der Sinngehalt erschliesst sich hier nicht durch Massnehmen mit dem Zollstock,
aber komischerweise weiss jeder, was Gorbi mit dem Begriff seinerzeit
gemeint hat.

> > Beim gesprochenen Wort haben wir genau die Option, uns zwischen
> > einfachen Saetzen und geschnoerkelter Amtssprache mit zigfach
> > geschachtelten Nebensaetzen mit haengendem Verb zu entscheiden.
> > Typischerweise waehlen wir auch die erste Moeglichkeit. Bei
> > der Schriftsprache ist das vollkommen anders. Insofern
> > hat Ulf eher mit seiner Aussage recht als Du.
> 
> Wir haben in wildwuechsigen Sprachen nicht sehr viele Optionen.

Egg freelight! And ask not after sunshine.

> Das deutsche Verb vorzuziehen bedeutet aehnliches wie wenn ich in C einen
> positionalen Parameter "vorziehen" wuerde.

Stark die dunkle Seite der Macht seien bei Dir!

Gehen Sie zurueck auf LOS. Ziehen Sie nicht 4000 Mark ein. Lesen Sie ueber
die Chomsky-Hierachie der Sprachen nach, und *stellen Sie fest*, was der
Unterschied bei den einzelnen Ebenen *ist*, und warum kontextfreie Sprachen
lediglich eine Teilmenge der kontextbehafteten natuerlichen Sprachen sind.

-- 
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