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Re: [FYI] Ethical Programmers Guild



On Sat, Dec 05, 1998 at 12:53:14PM +0100, Ralf W. Stephan wrote:

...zu Programmierer-Ethik...
 
> http://slashdot.org/features/98/12/04/1158251.shtml

...
                                       
>      This time period is quite an important one when it comes to these
>    issues. How biometric identification and data privacy will be handled
>     will most likely set up the paradigm for how it will be handled when
>       everyone will be running Linux 4.x on a processor that computes
>                             teraflops with ease.

Zustimmung zum Paradigmenwechsel durch technischen Fortschritt.

Ich sehe das jedoch nicht in der Zukunft, sondern bereits in der
Gegenwart. Heute haben im Lebensmitteleinzelhandel verkaufte
Computer die Qualitaet, die sich Herold fuer seinen Sonnenstaat
ertraeumte.

Die paar Dutzend Personenmerkmale, die Herold privilegiert
speichern wollte fuer alle Buerger statt nur fuer die
Buerger, die in der sogenannten "Kundenkartei" der Polizei
stehen, passen auf die Festplatte eines ALDI-Computers.
Man nehme irgendeine Telefonbuch-CD als Stammdaten; die
Korrekturdaten dazu auf Platte brauchen wenig Platz und
der Restplattenplatz ist fuer Personenmerkmale.

Im WWW findet man die Rechercheprogramme fuer die grafisch
huebsche Auswertung komplexer Daten. Etwa von Telefonaten
in Gruppen als farbiges Strukturgeflecht: man sieht ein
Bild und bekommt einen Eindruck von einer Kommunikations-
struktur einer Gruppe und von den im Bild als Knotenpunkt
markierten Personen.
Was man sieht, laesst sich nicht direkt in Worte fassen -
aber man weiss grob, wen man vor sich hat, wenn man weiter
recherchiert.
Oder etwa grafische Aufbereitung der Kommunikation von 
Gefaengnisinsassen.
So kann man bei den Knastbesuchern die "Interessanten"
herausfiltern. Die grafische Darstellung, wer etwa mehrere
Knackis besucht und Zeitablaeufe, ...
Nett.

Soll man solche Programmierung "verbieten" als "unethisch"?
Hacker brauchen gelegentlich solche Soft fuer andere Aufgaben
als die Gefaengnisverwaltung und wenn sie nicht frei im Web
steht zum Download, wird sie eben zusammengeschrieben.

...
>     the next thought, some may say that computer programmers almost have
>                 an obligation to keep "Big Brother" in line.

Ich habe das einmal praktisch ausprobiert.
Ein Kunde, Fotosatzbereich, wollte von mir eine Soft, um die Zahl
der getasteten Zeichen seiner Mitarbeiter automatisch zu erfassen.
Ich wollte das nicht programmieren und habe mich um eine dem Kunden
verstaendliche Ausrede bemueht. Zum einen war das der Preis und zum
andern habe ich ihm argumentativ einen Teil meines Jobs aufgedrueckt.
Ich sagte ihm, das sei fuerchterlich kompliziert und schon das
Problem der Backspace-Taste sei riesig. Denn wenn man die mitzaehlt,
erhoeht sich die Zeichenzahl zu seinem Nachteil. Und noch so ein
paar Sachen. Er verzichtete auf dieses Projekt auch ohne so ein
Manifest.

Daraufhin beobachtete ich, was er eigentlich macht, wenn er einen
neuen Mitarbeiter testet:
er nimmt ein Manuskript aus der laufenden Arbeit, zaehlt mal eben
Zeichen pro Zeile und Zeilen pro Seite, multipliziert das im Kopf
und schaut dann auf den Schwierigkeitsgrad (viele Korrekturen drin,
evtl. Tabellen oder Fremdsprachensatz mit Akzenten usw.).
Daraus ergibt sich ein Richtwert von entweder mehr als 10 000
Zeichen pro Stunde oder weniger.
Dann kommt die Manuskriptuebergabe und er verschwindet.
Nach irgendeiner Zeit kommt er wieder und wirft nur einen Blick,
auf die Uhr und auf welcher Seite der Mitarbeiter angelangt ist.
Damit weiss er recht detailliert: besser oder schlechter als
erwartet.
Will sagen: meine faktische Weigerung so etwas zu programmieren
hat an der Lage wenig geaendert. Ich habe heute noch immer keinen
Bock auf solche Soft, werde aber nicht ein solches Manifest
unterzeichnen.

>    This proposed computer guild would make refusal significantly easier.

Das ist Theorie. In der Praxis zahlt ein Hauseigentuemer mal eben
10 000 DM, damit die Mieter die unter Kuendigungsschutz stehende
Wohnung verlassen zwecks Luxussanierung und da greift auch ein
ethisch nachdenklicher CCCler zu (alles schon erlebt).

...
>      * A Clear Manifest agreed to by the members of the organization. The
>        manifest is the position on the organization, what are, in our
>        eyes, acceptable and not-acceptable uses of computers.

Der Gedankenansatz ist falsch.
Beispiel (alles AFAIK und aus der Erinnerung):

Der Einsatz von Computern etwa als Vorlesemaschine fuer Blinde ist
gut, aber fuer die maschinelle Erfassung personenbezogener Daten
bei Militaer und Geheimdienst schlecht.

Kurzweil entwickelte ca. 1977 seine Blindenlesemaschine.
Diese IMO erste schriftunabhaengige (!) universelle OCR-Soft
schrieb er fuer einen blinden Freund; sein Computer, eine NOVA,
stand bei ihm im Schlafzimmer.
Die Ingenieure, mit denen zusammen er die Firma gruendete und
betrieb, waren sich einig, _nicht_ an die CIA zu verkaufen,
als diese bei ihnen anfragte. Spaeter wurde die Firma an
XEROX verkauft, die Verkaeufer verdienten dann mehr als die
Ingenieure und verkauft wurde an alle, die zahlen konnten.

Huch, ich muss weg.
Abbruch. Ende.
wau