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Re: Urheberrecht: Ganz und gar boese?



>Noch mal mein Argument: Urheberrechtlichen Schutz zu beanspruchen ist
>nur als Gewaltakt denkbar, indem diejenigen ausgebeutet werden, die
>diesen Schutz nicht beanspruchen (koennen z.B. weil sie laengst tot
>sind). Dieser Gewaltakt ist gut getarnt. Du koenntest fuer jeden
>eigenen originellen Gedanken gar nicht die faelligen Lizenzgebuehren
>bezahlen (man denke allein an die Erfindung der Null), wenn sich
>jeder derart rational verhielte. (Im uebrigen geht es nicht um
>Gedanken, die sind frei, sondern um Kommunikationen.) Eine Freundin
>von mir, Webmeisterin, beklagte, wie hemmungslos die Konkurrenten
>Ihre Ideen auf Ausstellungen klauten.... nachdem sie mir zuvor ihre
>neueste Federboa gezeigt hatte, deren Anregung sie von einer
>Ausstellung mitnahm. Diese Art des doch recht gering aufloesenden
>Reflexionsvermoegens ist vermutlich selbst noch typisch fuer eine
>Handwerker-Umgebung.


Das Urheberrecht will kuenstlerische Schaffensprozesse stimulieren, deshalb 
schuetzt es nicht die Idee, sondern deren Umsetzung in ein Werk. 
Andernfalls wuerde es moeglicherweise zu einem echten Innovationshemmnis; 
wenn ich etwa lauter gute Ideen habe und aus ihnen nichts mache, sondern 
warte, bis sie mir jemand abkauft, der tatkraeftiger ist als ich. 
Abschreckendes Beispiel: in den USA gab es ein paar Faelle, wo Patentaemter 
Geschaeftsideen patentiert haben, nicht deren technische Umsetzung. So 
erhielt die Firma Cybergold ein Patent, Nutzer fuer das Betrachten von 
Werbung zu bezahlen. Das ist natuerlich innovations- und 
wettbewerbshemmend.

>Ich sprach nicht von einem Abschaffen des Urheberrechts. Ich sprach
>davon, dass die individuelle Zurechnung von Urheberschaft, und dem
>daraus ruehrenden Eigentumsanspruch, zu einem Problem geworden ist,
>das typisch fuer jede industrielle Produktionsweise ist. BTW: Wie
>lauten die Namen derjenigen, die Deinen Schuh hergestellt haben?

Das Urheberrecht geht davon aus, dass ein Kunstwerk immer von einem oder 
mehreren schoepferischen Individuen stammt und Ausdruck ihrer 
Persoenlichkeit ist. Das ist vielleicht nicht unbedingt ein Relikt des 
vorindustriellen Zeitalters, da ja auch moderne Medienprodukte, z. B. 
Filme, einem bestimmten Regisseur zugerechnet werden. Den Vergleich mit dem 
Schuh oder der Autotuer finde ich deshalb nicht passend.
Allerdings finde ich es einen sehr interessanten Gedanken, dass kreative 
Arbeit in zunehmendem Mass arbeitsteilig geschieht und dass das 
Urheberrecht derzeit nicht darauf eingestellt ist. Hier gibt es 
tatsaechlich Anpassungsbedarf an die Wirklichkeit. War mir bis jetzt in der 
Form noch nicht klar.

>(Als eine (Interims-?)Loesung zur
>Regelung von Verwertungsrechten a la VG-Wort kann ich mir uebrigens
>vorstellen, dass sich Internet-Paeckchen anhand von Content-Tags
>besteuern liessen.)

Tags finde ich ne gute Idee mit viel Zukunft, Steuern oder steueraehnliche 
Abgaben nicht so sehr, weils das Problem eines Verteilungsschluessels gibt 
und weil ein steueraehnliches System den Akteuren nicht viel 
Gestaltungsspielraum bei der Entwicklung urheberrechtlicher 
Geschaeftsmodelle lassen kann.