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Re: [FYI] Kunstpreis an Linux



Moin,

ein paar knappe Kommentare dazu moechte ich mir noch gestatten:

>Rudolf Steiner hat mal formuliert:
>Freiheit im Geistesleben
>Gleichheit im Rechtsleben
>Bruederlichkeit im Wirtschaftsleben.
>
>Freiheit im Rechtsleben tendiert zum "Recht des Staerkeren".

Und diese Freiheit im Rechtsleben evoziert Gesetze, die es den
Schwaecheren erlaubt, gegen Staerke vorzugehen. Gesetze im
Rechtsstaat ermoeglichen Schwachen, staerker als Starke sein zu
koennen. Das Gesetz macht sie gleich. Allein dieses eine Beispiel
zeigt den romantischen Einschlag dieser Zuordnungen oben - sie sind
eher was fuer Astrologen, die blosse Systematizitaet schon fuer einen
Aspekt von Wahrheit halten. Jede Permutation der Zuordnungen waere je
fuer sich instruktiver.

>Die Komplexitaet der Ergebnisse von CASE ist jedoch nicht unbedingt
>das, was eigentlich gewollt ist. An genau dem Punkt, wo Resourcen

Die Qualitaet der Ergebnisse kann ich nicht beurteilen. Mir ging es
nur darum, CASE als ein maechtiges Paradigma zu bezeichnen, das die
Phantasie unserer Informatiker schient. Informatiker arbeiten von je
her daran, sich selbst durch den Entwurf intelligenter Maschinen
ueberfluessig zu machen. Noch nie waren sie dabei so erfolgreich,
noch nie war der Bedarf nach Informatikern groesser.

>> ist zu erlernen. Direkt am Produkt (Programmsource, Text, HTML-Seite)
>> darf nicht mehr geruehrt werden, sondern an der Maschine 
>> (Source-Generator, SGML/ UDO-Dokumentationssystem, Datenbank).
>
>Das ist richtig, weil der Rotz so komplex ist, dass das ganze "binaer"
>funktioniert, tendenziell und ueberwiegend: nur-so oder gar-nicht.

Hmmm... was meinst Du? Gerade komplexe Systeme funktionieren vielfach
nicht binaer. Anders als Werkzeuge, die man unter dem Aspekt von
heil/ kaputt beobachten kann, so lassen sich Betriebssysteme und
Netzwerke ja zusaetzlich unter dem Aspekt "stabil/nicht-stabil
funktionierend" beobachten. Ein Nachbar fuhr monatelang mit einem
kaputten Auto.

Die Komplexitaet liegt woanders, ich wiederhole mich: Unsere
Informationsverarbeiter benutzen selbstoperative Maschinen und keine
tumben Werkzeuge mehr. Die Rueckmeldungen ihrer Beobachtungen stammen
nicht mehr direkt vom Gegenstand, sondern von den Maschinen, die sie
stattdessen beobachten (und die, im Unterschied zu Werkzeugen, immer
schon gesellschaftlich hergestellt sind. Insofern sind die
Beobachtungen ebenfalls immer schon gesellschaftlich vermittelte
Beobachtungen: Die alten Analog-Schieberegler werden ersetzt durch
Zahlenangaben: Echo 87, Hall 12, Distortion 2, saemtliche Tonmeister
der Welt der naechsten Generation werden dafuer ein Gefuehl
entwickelt haben.) Diese Maschinen gestatten ueberhaupt erst die
Produktion und die Verwaltung des Rotzes, der mit Werkzeugen einfach
nicht mehr zugaenglich ist. Da liegt die Komplexitaet.

>> primitivster handwerklicher Manier unter primitivsten
>> Organisationsbedingungen. Stimmt, und die kennen dann auch keine
>> Betriebsraete.
>
>Gewerkschaftliche Organisation ist ein Fortschritt des vergangenen
>Jahrhunderts, Einheitsgewerkschaften und Fraktionierungsverbote.

So ist es. Man darf einerseits feststellen, dass Funktionaere
gewerkschaftschaftlicher Organisationen heute gern und viel
reaktionaere Zuege an den Tag legen, trotz allen Geschmeidigwerdens,
weil ihnen die Mitglieder weglaufen. Andererseits laesst sich kaum
abschliessend beurteilen, welche Organisations-Optionen
Gewerkschaften noch zu realisieren imstande sind. Es waere politisch
absolut fatal, in Konfliktsituationen die Rolle der altmodischen
Gewerkschaften zu unterschaetzen, nur weil sie derzeit ein herbes
Theorie- und Praxisdefizit mit sich herumschleppen.

>Sourcecodebaeume und Distributionen wie bei Linux, BSD, ... sind
>ein Modell "dieses" Jahrhunderts.

Wie rechnest Du hier dasjenige heraus, was bereits durch Gewerkschaften
vermittelt errungen wurde oder wird?

>Ich halte freie Software fuer einen Pro-Test (lat., fuer etwas Zeugnis
>ablegen) und eine konstruktive Form dessen, was MaRo "wehren" nennt.

Selbstverstaendlich Zustimmung, freie Software ist eine weitere
konstruktive Form sich zu wehren.

>Die Wege, die Wettkaempfe, die Eitelkeiten - all die kleinen Schwaechen
>im Lebensalltag von Menschen mit den Hormonen der Affenhorde - sind
>"schwierig". Doch haeufig sind es "die Chefs", die das Problem sind
>und eben nicht die Mitarbeiter.

Wieso "doch"? Ja kein Zweifel, Chefs sind heute ueberwiegend das 
Problem.

>Meine einfache Frage: wieviel Quadratmeter Wiese und wieviel
>Jahre entsprechen den 20 kWh Dauerleistung pro Nase hier?
>Wer diese Frage weglaesst: wir versaufen unser Oma ihr klein
>Haeuschen.

Wir versaufen unser Oma ihr kleines Haeuschen, erst dadurch entsteht
Kultur. Was in diesem Bild mit einer Wollensentscheidung vielleicht
aufzuhalten scheint, stellt sich gesamtgesellschaftlich ganz anders
dar. Alle wollen irgendwas, was sich dabei dann herausmendelt,
unterliegt einer ganz eigenen, eben sozialen Evolution. Es ist
ziemlich belanglos, ob Du da Gutes willst. (Fuer den
gesellschaftlichen Verlauf ungefaehr so belanglos wie noch die
raffiniertesten Geschichten, die man sich so in lokalen Politszenen
ueber die grausigen Motive der Kriegsparteien, insbesondere der
NATO, erzaehlt.) Aber das war hier bitteschoen nicht das Thema,
inwieweit Demokratie oekologisch rational ist. (Dass sie es ist, und
zwar mehr als jede Oekodiktatur, ein gern gewaehltes Thema in den
80ern, scheint mir allerdings aufgrund der vergleichsweise besseren
Kommunikationsbedingungen ausgemacht.)

Gruss, Martin
-- 
Martin Rost - http://www.netuse.de/~maro/ - Germany, Kiel