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Re[2]: Experiment zu Machtstrukturen und Zensur im Internet



> Ihr nutzt nicht die hierarchische Struktur - die es nicht gibt - sondern die
> Dummheit der Nutzer aus.

Hierarchien gibt es durchaus, nicht nur durch Wissen oder
Nichtwissen. So war es beispielsweise dem CoreNic möglich,
vote-auction.com einfach aus entsprechenden Nameservern
auszutragen und somit diesen Namen weltweit abzuschalten.
Genauso ist Milosevic in Serbien mit oppositionellen Websites
verfahren (Kontrolle über .yu-Domainnamen).

Wenn in Baden-Württemberg an allen Schulen offiziell ein
bestimmter Filter-Proxy eingestellt werden muss und ein
Netzzugang ohne diesen Proxy nicht mehr möglich ist, entsteht
eine Hierarchie. Auch freiwillig installierte Filter lassen eine
Hierarchie enstehen.

Genauso schaltet DoubleClick Werbebanner und Bugs auf
verschiedenen Websites und kann dadurch einen Benutzer über
verschiedene Sites hinweg verfolgen.

In allen Fällen sitzt einer "oben" und kann die "unten"
überwachen oder manipulieren. Der als selbstverständlich
angenommene nicht-hierarchiche Aufbau des Netzes beruht zum
einem großen Teil auf Konventionen, oder auf der Annahme jeder
könne und wollte sich technische Möglichkeiten suchen, diese
Hierarchien zu umgehen.

> Damit habt ihr ein erhebliches juristisches Pandorafaß angestochen.
> Exmatrikulation ist möglich.

Das Risiko war uns bewusst, es ist jedoch bereits alles
geregelt.

> Hilflosigkeit ist sehr gut möglich. Desinteresse kaum, eher gesellschaftlich
> akzeptierte Unselbstständigkeit. Das wirft kein gutes Bild auf die
> Merz-Akademie. Die Bedingungen sind auch nicht realisitisch gewählt worden,

Was hätten wir Deiner Ansicht nach anders machen sollen?

>>Außerdem werden 2% aller Webzugriffe auf eine Werbeanzeige umgeleitet.
>>Diese kommt angeblich von InterAd.gov, einer fiktiven Vereinigung von
>>ICANN, Corenic, Internic und des Amerikanischen Wirtschaftsministeriums.

> Großartig :-( Wie wäre es mit einem Grundkurs Jura? Stichwort: Verleumdung?

So eine Reaktion hätten wir im Optimalfall von Seiten der
Studenten oder Dozenten erwartet. Diese Wirklichkeitsverdrehung
hat jedoch niemanden interessiert. Wohl auch aus dem Grund, dass
niemand ICANN, CoreNic und Internic überhaupt kennt und weiß,
was deren Aufgaben sind. -- Schließlich steht ja nicht auf jeder
HTML-Seite oben dran "Das Netz funktioniert Dank den Nics so
toll", sondern es funktioniert einfach irgendwie, wie Voodoo.

> Fazit: Empfehlung an alle bekannten Personalchefs: Merz-Akademie Studenden
> sind nicht selbstständig genug, um außerhalb des Elfenbeinturms überleben zu
> können. Abgänger können jedoch für Schreibtischposten in Behörden empfohlen
> werden.

Bitte mach es Dir nicht so einfach. Was für Dich aufgrund Deiner
Kenntnisse selbstverständlich erscheint, können andere überhaupt
nicht nachvollziehen. Ich könnte mir vorstellen, dass
Kybernetiker, Informatiker oder Juristen (sofern sie sich mit
dem Netz beschäftigen) anders reagiert hätten. Die Netzkünstler
entropy8zuper, die während unseres Experiments an der Akademie
waren, sind auch gleich dahintergekommen. -- Ein typischer
Netznutzer kann das jedoch nicht. Warum ist das so, wie kam es
zu dieser Entwicklung, wem schadet und wem nutzt sie?

Wir haben diese Nachricht nach Fitug gepostet, weil man sich
hier mit der Kluft auseinandersetzt, die sich in unserem
Experiment besonders deutlich zeigt. Wir wollten prüfen, wie
groß diese Kluft ist und wurden überrascht.

Dass beispielsweise gewisse Texte auf Websites nicht gelesen
werden wenn sie nach Werbung aussehen oder nichts mit dem Ziel
zu tun haben, das ein Benutzer gerade vor Augen hat, ist ja
bekannt. -- Wie weit das geht und welche Auswirkungen das hat
zeigt sich hier vielleicht. Einige von uns befragten Studenten
sagten, sie hätten dem Inhalt des Blockwart-Frames überhaupt
keine Beachtung geschenkt, sondern -- wenn überhaupt --
versucht, es irgendwie wegzubekommen. Teilweise wurde das auch
für ein PlugIn gehalten, es war also trotz der
Suchmaschinen-Logoflut und den Links zu erklärenden Texten
einigen nicht klar, dass es sich hierbei um einen "Service" der
Suchmaschine handeln soll.

Auch woher die Werbebanner auf eigenen Seiten kommen, wussten
viele scheinbar nicht. -- Aber wer weiß das denn, wer versteht,
dass Server oder Proxys Javascripts in jede Seite einfügen
können oder dazu überhaupt eine Veränderung der Daten notwendig
ist?

An der Consumer-Oberfläche des Netzes wird das nicht deutlich.
Das Netz soll konsumiert werden, nicht gestaltet oder genutzt.
Die Oberflächen aller Programme sind darauf ausgelegt, möglichst
viel von den technischen Abläufen zu verbergen. Auch die
Lizenzvereinbarungen, die man überall zu sehen bekommt, sind so
gestaltet, dass man nur OK klicken muss, ohne sie wirklich
gelesen zu haben.

drx