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Re: Soll das patentierbar sein? Was soll patentierbar sein?



On Mon, Sep 22, 2003 at 02:29:45PM +0200, vb@dontpanic.ulm.ccc.de wrote:
> > Das hat glaube ich mit der Investition in Funktionalität zu tun.
> 
> Inwiefern wird in Funktionalität investiert? Ich verstehe nicht, was
> Du damit meinst.

Development und Ingenieurszeit kostet Geld. Wenn man eine vollständig
neue Funktionalität (der selbst-waschende Web Service) erstellt, dann
hat man eine lange Phase der Forschung/Planung/Entwicklung bevor der
erste Programmierer auch nur eine Zeile schreibt. Wenn andere das
einfach übernehmen können, dann haben sie die Kosten für
Forschung/Planung/Entwicklung gespart und können entsprechend billiger
anbieten, denn diese Kosten fallen beim Entwickler auf die ersten 2
Jahre auf den Kaufpreis kalkuliert an.

> 
> Wenn Du Software entwickelst, dann steckst Du Dein Geld in das Be-
> zahlen von Programmierern. Diese stellen dann (mehr oder weniger)
> funktionierende Computerprogramme her, die urheberrechtlich geschützt
> sind. Wo genau ist jetzt die "Investition in Funktionalität"?

Ach ja, wenn es so einfach wäre ;)

> 
> > Trotz closed source sind bestimmte Funktionalitäten sichtbar und
> > können ohne die vorher gemachte Investition recht einfach
> > nachprogrammiert werden.
> 
> macht Computerprogramme aus, dass sie eben _nicht_ völlig von Grund auf
> mit eigenen Ideen versorgt sind. Blos nicht.

Einerseits ja, wenn man das so will -ich meine Geben und Nehmen auf
Basis von open source- aber es gibt auch andere ökonomische Systeme
neben open source. In dem Moment, in dem man Geld dafür haben will wird
die Argumentation mit der Investition interessant, weil sich diese
Investition direkt auf den Preis auswirkt.
> 
> Ich sehe gar keinen Sinn in einem solchen "Investitionsschutz". Welche
> Investition genau meinst Du?

Ich sehe immer nur, wenn eine Firma beschlossen hat die Investition in
die Standardisierung einzubringen. Oftmals bedeutet dies, dass Rechte
aufgegeben werden, damit es breiter Verwendung zufliessen kann.
> 
> > > Patentämter bauen ständig Scheiße, also gießen wir das gleich in ein
> > > Gesetz"?
> 
> OK. Und was spricht dafür? Nur, dass ich mal die Argumente der Gegen-
> seite verstehe, oder sehen kann, ob es auch rationale und für Nicht-
> Juristen nachvollziehbare Argumente überhaupt gibt.

Die Vereinheitlichung von Auslegung und die Etablierung eines Rekurs zum
EuGH. Das bedeutet, dass man sich in Schweden auskennen und mit diesen
Kenntnissen in Spanien operieren kann. Das spart eine policy für all 15
Staaten auszukaspern.
> 
> > > Ich versuchte (nicht nur hier, und nicht nur ich) zu argumentieren,
> > > weshalb Softwarepatente zu weniger Innovation und zur Unterdrückung
> > > der kleinen, schnellen führen werden. Wo ist das Pro-Argument?
> > Die grossen fürchten den kleinen, der schneller das Patent hatte. Ein
> > Beispielsfall ist Eolas. Da nützt kein cross-licensing mehr etwas. 
> 
> Ahem... ich kenne den Fall nicht, wie kann ein Kleinunternehmen (sagen
> wir mal, 3 Mitarbeiter, 500.000 EUR Jahresumsatz, ist ja oft typisch
> für die Branche) jetzt sich die 50.000,- EUR für die "internationale"
> Patentierung leisten und dann noch mit Prozessen im Streitwert von
> mehreren 10.000.000,- EUR sein "Recht" durchsetzen? Und das bei Software,
> wo Du nur eine Zeile änderst, oder ein Pixel, und alles ist eigentlich
> ganz anders, je nachdem, wer das wie interpretiert? Wie genau soll das
> gehen?

In den USA bekommt der Anwalt teile der Summe. In DE gibt es
Gerichtskostenhilfe. Wenn man einen guten Anspruch hat, dann bekommt man
auch Hilfe bei der Durchsetzung.

> 
> Sorry, da lachen die Großen doch nur, wenn der kleine juristisch gegen
> sie vorgehen will. Nur in den USA ist so was möglich, wo die Anwälte

Die Grossen können auch kalkulieren. Und wenn der Prozess mehr kostet
als er bringt, dann einigt man sich aussergerichtlich. Natürlich werden
vorher alle miesen Tricks probiert. Das macht Anwälte doch so
sympathisch ;)

> Die Großen fürchten den kleinen doch nur, wenn er schneller ist als
> sie und schnell groß wird. Schafft er das nicht, wird er doch sowieso
> in seine Nische ausweichen müssen, oder aber OpenSource-Produkte an-
> passen und ins Projektgeschäft gehen müssen.

Vielfach kaufen grosse Firmen kleine Firmen auf um an deren Know-How und
Patente heranzukommen. D.h. inzwischen ist es fast ein Ziel sich teuer
kaufen zu lassen und den nächsten kleinen Laden aufzumachen..

> Wie ist ein in dieser Hinsicht "funktionierendes Patentsystem" überhaupt
> denkbar? Ich meine nicht irgendwelche gutgemeinten Gesetzgebungen,
> sondern ausschließlich die Rechtspraxis, dass das alles gut gemeint ist,
> setze ich voraus.

Wenn ich das wüsste, dann hätte ich sicher ein Patent darauf. Leider
gibt es keine Patentlösungen, weil sich die Forschung bisher damit nicht
befasst hat. ;o 

Es geht jedenfalls darum, dass ein valides dichtes Patent die
Investition erbringt ohne zu einer totalen Blockade des Marktes
auszuarten. Je mehr junk es gibt, desto mehr FUD kann produziert werden,
auch von kleinen Unternehmen. 
> 
> Auch ein perfektes Patentsystem kann doch niemals die Probleme des
> Zivilrechtes ausgleichen. Wie sollen die kleinen denn die großen

Nein, das eine hat mit dem anderen nix zu tun. Das Unternehmersein,
insbesondere in DE verlangt, dass man sich mit Prozessökonomie
auseinandersetzt, weil Klagen zu einem der beliebtesten
Wettbewerbsmitteln der Wirtschaft in DE zählen. Das ist einfach Teil der
Landschaft.

> 
> Dann würde ein "geschütztes" Format halt niemand verwenden.
> Nur: was bringt das dann überhaupt noch?

Das habe ich schon oft gehört. Nicht jedes Patent ist ein Knaller. Viele
Patente schlummern fest bis es nach 20 Jahren vorbei ist und niemand hat
das je benutzt. Wenn man versucht damit Kohle zu machen kann es wirklich
sein, dass alle davonlaufen. 

Philips hat allerdings mit dem CD-Patent vorgemacht, wie etwas allgemein
verwendet werden kann und sie trotzdem Geld verdienen. Es muss schon ein
wesentlicher Schritt sein und eine gaanz geringe Gebühr. Heute glauben
viele ihr one-click-schrott sei doch Milliarden wert... Das funktioniert
aber nicht. Wenn das Patent wirklich nicht umgangen werden kann, tötet
der Patentinhaber also mit seinen Phantastereien seinen eigenen Markt.

> 
> > > > - das Patentsystem muss für beide Wirtschaftsmodelle, also open _und_
> > > > 	closed soure angepasst werden.
> 
> Und ich für einen sehr guten. OpenSource setzt sich durch, auch wenn
> Microsoft Ogg Vorbis zum Standardformat für Musik auf Windows mit
> Mediaplayer macht, Patente sind da nur hinderlich. Ausschließlich
> Microsoft nützt es, wenn durch das de-facto-Monopol von Windows der
> Mediaplayer nur noch patentierte Codecs unterstützt, und per DRM
> verhindert wird, dass ein nicht von Microsoft lizensierter Codec
> genutzt werden kann.

Niemand verlangt von einem Patentinhaber, dass er Geld für seine
Erfindung nehmen muss. Er kann ein Patent auch rein als Abwehr
gebrauchen. (z.B. gegen extend and customize a la MS)

> 
> Wo genau soll der Vorteil von Softwarepatenten für OpenSource liegen?

OpenSource ist nur mittels Urheberrecht möglich, dass gegen die
Piratisierung des Code schützt. Bei Patenten kommt eine zusätzliche
Schutzschicht, die die Idee schützt, nicht nur die Form. Damit kann man
auch bestimmte Dinge sichern und man hat Handelsmasse für
cross-licensing. Aber ich rede normalerweise nicht den Patenten das
Wort. Ich will nur sicherstellen, dass solche Dinge möglich bleiben.
> 
> > > > 1/ Investitionsschutz ja, aber innerhalb überschaubarer Grenzen
> 
> Forschung wie beispielsweise das Entdecken neuer Algorithmen sollte
> über die üblichen Forschungseinrichtungen finanziert werden und dann
> allen zur Verfügung stehen, nicht durch Patente und Lizenzen auf einen
> kleinen Kreis beschränkt.

Sorry, aber das ist weltfremd. Die Forschung wird auch zu einem
wesentlichen Teil von Unternehmen getragen. Das Eolas-Patent resultiert
aus einem Forschungsprojekt der University of California. Also das
Modell entspricht nicht der Realität.

> > > > Es wäre z.B. ein Fortschritt, wenn die Patentämter ein Patent ablehnen
> > > > könnten, weil es zu weit definiert ist (keine geltungserhaltende
> > > > Reduktion). 
> > > "Das ist kein technisches Verfahren, was Sie hier beschreiben, sondern
> > > eine allgemeine Vorgehensweise. Als solche ist diese nicht patentierbar,
> > > bitte beschreiben Sie doch ausschließlich technische Verfahren, wenn Sie
> > > ein Patent einreichen".
> > Damit haben Sie 2000 Euro in den Sand gesetzt. Das wird Ihnen eine Lehre
> > sein. Aber Sie können sich gegen Ihren Patentanwalt wenden. Der wird
> > in Zukunft besser aufpassen, dass so ein schlechtes Paper nicht mehr
> > eingereicht wird.
> 
> Gute Idee. Warum soll das mit der bisherigen Rechtslage nicht machbar sein?

Das hat Axel ausführlich beschrieben. Die Prüfer tun das nicht und die
Rechtslage enthält -soweit ich das verstanden habe- eine
geltungserhaltende Reduktion.
> 
> Deshalb: kann irgendjemand hier ein _realistisches_ Szenario für die
> _Rechtspraxis_ zeichnen, wie Softwarepatente positiv für KMUs und/oder
> für OpenSource sein sollen? Irgendein Beispiel vielleicht?

Ja: Man bekommt mehr Geld von Investmentbankern, weil die die Patente
als Portfolio im Falle der Pleite an Grossfirmen verhökern können. Es
bietet Schutz vor embrace and extend a la MS-Java. Das ist mit dem
Urheberrecht teilweise nicht möglich, da nur die Form geschützt ist.
Alte Idee im neuen Gewande bringt das KMU dann um ;)

Gruss

Rigo



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