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Re: Soll das patentierbar sein? Was soll patentierbar sein?



On Mon, Sep 22, 2003 at 01:54:23PM +0200, Rigo Wenning wrote:
> > Warum nicht? Ich habe immer noch kein einziges überzeugendes Argument
> > gelesen, warum der Schutz, den Software durch das Urheberrecht genießt,
> > nicht ausreichen soll.
> Das hat glaube ich mit der Investition in Funktionalität zu tun.

Inwiefern wird in Funktionalität investiert? Ich verstehe nicht, was
Du damit meinst.

Wenn Du Software entwickelst, dann steckst Du Dein Geld in das Be-
zahlen von Programmierern. Diese stellen dann (mehr oder weniger)
funktionierende Computerprogramme her, die urheberrechtlich geschützt
sind. Wo genau ist jetzt die "Investition in Funktionalität"?

> Trotz
> closed source sind bestimmte Funktionalitäten sichtbar und können ohne
> die vorher gemachte Investition recht einfach nachprogrammiert werden.

Ja und? Das ist immer so bei Software, dass Du alles (möglichst nicht
nachprogrammierst, sondern als Bibliothek oder Komponente) nutzt, was
schon da ist, und dann eben Deine Verbesserungen anfügst. Genau das
macht Computerprogramme aus, dass sie eben _nicht_ völlig von Grund auf
mit eigenen Ideen versorgt sind. Blos nicht.

Schon alleine um die Nutzer nicht zu frustrieren, darf man das gar nicht.

> Insofern rede ich unten von Investitionsschutz. Bloss ist 20 Jahre für
> einen solchen Schutz keine akzeptable Frist, da stimmen fast alle
> überein, sogar Axel ;)

Ich sehe gar keinen Sinn in einem solchen "Investitionsschutz". Welche
Investition genau meinst Du?

> > Patentämter bauen ständig Scheiße, also gießen wir das gleich in ein
> > Gesetz"?
> Ich denke, dass ist der Konsens der Gegner aus verschiedensten Lagern.

OK. Und was spricht dafür? Nur, dass ich mal die Argumente der Gegen-
seite verstehe, oder sehen kann, ob es auch rationale und für Nicht-
Juristen nachvollziehbare Argumente überhaupt gibt.

> > Ich versuchte (nicht nur hier, und nicht nur ich) zu argumentieren,
> > weshalb Softwarepatente zu weniger Innovation und zur Unterdrückung
> > der kleinen, schnellen führen werden. Wo ist das Pro-Argument?
> Die grossen fürchten den kleinen, der schneller das Patent hatte. Ein
> Beispielsfall ist Eolas. Da nützt kein cross-licensing mehr etwas. 

Ahem... ich kenne den Fall nicht, wie kann ein Kleinunternehmen (sagen
wir mal, 3 Mitarbeiter, 500.000 EUR Jahresumsatz, ist ja oft typisch
für die Branche) jetzt sich die 50.000,- EUR für die "internationale"
Patentierung leisten und dann noch mit Prozessen im Streitwert von
mehreren 10.000.000,- EUR sein "Recht" durchsetzen? Und das bei Software,
wo Du nur eine Zeile änderst, oder ein Pixel, und alles ist eigentlich
ganz anders, je nachdem, wer das wie interpretiert? Wie genau soll das
gehen?

Sorry, da lachen die Großen doch nur, wenn der kleine juristisch gegen
sie vorgehen will. Nur in den USA ist so was möglich, wo die Anwälte
oft erfolgsbezogen bezahlt werden, und teilweise die abstrusesten
Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können. Beim z.B.
deutschen Schadensersatzrecht und der deutschen Zivilgerichtsbarkeit
ist das doch völlig unmöglich.

Die Großen fürchten den kleinen doch nur, wenn er schneller ist als
sie und schnell groß wird. Schafft er das nicht, wird er doch sowieso
in seine Nische ausweichen müssen, oder aber OpenSource-Produkte an-
passen und ins Projektgeschäft gehen müssen.

Oder wie soll das in der Praxis gehen?

> > Alles, was ich las, klang nach "wir müssen Siemens und T-Systems noch
> > mehr protegieren". Warum um Himmels Willen wir _das_ tun sollen, bleibt
> > offen.
> Nein, darum geht es nicht allein. Ein kaputtes Patentwesen schützt die
> Grossen. Ein funktionierendes Patentsystem würde auch Kleine schützen.

Wie ist ein in dieser Hinsicht "funktionierendes Patentsystem" überhaupt
denkbar? Ich meine nicht irgendwelche gutgemeinten Gesetzgebungen,
sondern ausschließlich die Rechtspraxis, dass das alles gut gemeint ist,
setze ich voraus.

Auch ein perfektes Patentsystem kann doch niemals die Probleme des
Zivilrechtes ausgleichen. Wie sollen die kleinen denn die großen
verklagen? Wie soll das gehen? Und wie um Himmels willen soll das
bei Softwarepatenten gehen, die man auch ohne böse Absicht inter-
pretieren kann wie man will, und verletzt (oder auch nicht) sehen
kann wie man will, wenn nicht jemand den identischen Code verwendet
hat, oder man Dateiformate "schützt"? Das letztere wäre übrigens
IMHO gar kein großes Problem da zwecklos, wenn wenigstens das
Durchsetzen von Lizenzgebühren unverzüglich beginnen müsste.

Dann würde ein "geschütztes" Format halt niemand verwenden.
Nur: was bringt das dann überhaupt noch?

> > > - das Patentsystem muss für beide Wirtschaftsmodelle, also open _und_
> > > 	closed soure angepasst werden.
> > Das schon gar nicht. OpenSource und Patente sind zweierlei, die nichts
> > miteinander zu tun haben. Höchstens werden Dinge wie Ogg-Vorbis ent-
> > wickelt, damit man wieder normal arbyten kann.
> Ein Patent-pool ist eine wirksame Abwehrwaffe. Wenn Du meinst, die
> OS-Szene solle doch bitte mit blanker Brust und ohne Waffe dem
> Feindesheer entgegengehen, dann halte ich das für einen schlechten Rat.

Und ich für einen sehr guten. OpenSource setzt sich durch, auch wenn
Microsoft Ogg Vorbis zum Standardformat für Musik auf Windows mit
Mediaplayer macht, Patente sind da nur hinderlich. Ausschließlich
Microsoft nützt es, wenn durch das de-facto-Monopol von Windows der
Mediaplayer nur noch patentierte Codecs unterstützt, und per DRM
verhindert wird, dass ein nicht von Microsoft lizensierter Codec
genutzt werden kann.

Wo genau soll der Vorteil von Softwarepatenten für OpenSource liegen?

> > > 1/ Investitionsschutz ja, aber innerhalb überschaubarer Grenzen
> > Was soll denn das heißen?
> siehe oben. Investition in die Entwicklung neuer Funktionalität (z.B.
> idea-patent) Aber 20 Jahre sind einfach zuviel.

Forschung wie beispielsweise das Entdecken neuer Algorithmen sollte
über die üblichen Forschungseinrichtungen finanziert werden und dann
allen zur Verfügung stehen, nicht durch Patente und Lizenzen auf einen
kleinen Kreis beschränkt.

> > > 4/ Kein "Eigentums-Status für Patente, so dass die Rechte AUS dem
> > >    Patent einfacher beschnitten werden können. 
> > Das habe ich nicht verstanden, kannst Du das bitte erläutern?
> In den USA ist das schon so (Dell vs. DOJ im Verfahren Vesa Localbus).
> Da hatte ein Gericht entschieden, dass sich Dell nicht fair verhalten
> bei der Standardisierung und verurteilte Dell dazu, dass Dell nicht mehr
> aus dem Patent gegen die Hersteller von Vesa Localbussen vorgehen kann.
> In DE wäre das eine Enteignung, die einen Haufen Probleme mit Art. 14 GG
> und Enteignungsvorschriften nach sich ziehen würde.

OK, bin kein Jurist, geb's auf und werde in diesem Punkt nicht mitreden
;-) Ich verstehe nicht, was Patente denn sonst sein sollen außer Eigentum.

> > > Es wäre z.B. ein Fortschritt, wenn die Patentämter ein Patent ablehnen
> > > könnten, weil es zu weit definiert ist (keine geltungserhaltende
> > > Reduktion). 
> > "Das ist kein technisches Verfahren, was Sie hier beschreiben, sondern
> > eine allgemeine Vorgehensweise. Als solche ist diese nicht patentierbar,
> > bitte beschreiben Sie doch ausschließlich technische Verfahren, wenn Sie
> > ein Patent einreichen".
> Damit haben Sie 2000 Euro in den Sand gesetzt. Das wird Ihnen eine Lehre
> sein. Aber Sie können sich gegen Ihren Patentanwalt wenden. Der wird
> in Zukunft besser aufpassen, dass so ein schlechtes Paper nicht mehr
> eingereicht wird.

Gute Idee. Warum soll das mit der bisherigen Rechtslage nicht machbar sein?

Bitte nicht falsch verstehen, ich interessiere mich wirklich für 
die Argumente der Gegenseite.

Deshalb: kann irgendjemand hier ein _realistisches_ Szenario für die
_Rechtspraxis_ zeichnen, wie Softwarepatente positiv für KMUs und/oder
für OpenSource sein sollen? Irgendein Beispiel vielleicht?

Viele Grüsse,
VB.
-- 
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