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Re: Berufung Voss ./. T-Online (Vorratsspeicherung), Termin fuerEntscheidungsverkuendung



Holger Voss wrote:

> Ich habe die Verfahren nicht in ihrer Gesamtheit verfolgen können, aber
> soweit ich die Entscheidungen gelesen habe, halte ich die Einschätzung,
> wonach die Zuordnung von dynamisch vergebenen IPs zu Personen nicht das
> Fernmeldegeheimnis tangiere, für absolut unhaltbar.

Die Information, die sich aus der Existenz einer dynamisch vergebenen
IP-Nummer gewinnen lässt, lässt aber keine Rückschlüsse auf das
Bestehen, die Art oder die Inhalte einer Kommunikationsverbindung zu.
Die Zuteilung einer IP-Nummer zeigt nur an, dass ein potentieller
Terminationspunkt einer Kommunikationsverbindung existiert, so wie ein
mit einem Namen versehener Briefkasten oder eine Telefonnummer im
Telefonbuch. Sollte hier bereits das Fernmeldegeheimnis berührt sein,
wären Briefkästen mit Namen oder Telefonnummern im Telefonbuch auch
nicht mit dem Post- und Fernmeldegeheimnis vereinbar. Wenn ein
Telefonnetzbetreiber registriert, ob jemand den Hörer abgenommen, d. h.
eine Verbindung zum Telefonnetz hergestellt hat, ist es auch nicht
möglich festzustellen, ob jemand oder wer mit wem telefoniert hat. Wenn
jemand jede Woche seine Anschrift ändert, entsteht aus dem Postgeheimnis
auch kein Anspruch auf Nichtzustellbarkeit von Schriftstücken.

Diese Unterscheidung zwischen dynamischer und statischer IP-Nummer ist
in meinen Augen nicht sinnvoll und führt an dem entscheidenden Problem
vorbei: dem Speichern von Daten unterschiedlicher Informationsebenen bei
unterschiedlichen End- und Zwischenstellen einer
Kommunikationsverbindung. Jede Einzelinformation ist für sich vielleicht
bedeutungslos, aber die Zusammenführung kann das Fernmeldegeheimnis
verletzen und den Versuch anonymen Kommunizierens konterkarieren. Die
Speicherung fragmentarischer Daten erleichtert das Aushebeln des
Fernmeldegeheimnisses im Internet erheblich, da ein einzelnes Datum für
sich das Fernmeldegeheimnis nicht berührt.

Einen Brief kann man anonym versenden, man muss aber damit rechnen,
keine Antwort zu bekommen, es sei denn, man hätte ein anonymes Postfach.
Man kann anonym aus einer Telefonzelle anrufen, kann aber nicht
zurückgerufen werden, es sei denn, die Rufnummer der Telefonzelle wäre
bekannt. Ich weiß nicht, ob ein Rechtsanspruch auf ein anonymes Postfach
oder eine rückrufbare Telefonzelle besteht. Sollte dies so sein, wäre
auch das Recht auf anonyme Teilhabe am Internet zu gewähren. Dies ist
aber keine Frage der dynamischen oder statischen IP-Nummer, sondern des
Rechts auf Zuteilung eines anonymen Terminationspunktes, unabhängig von
der technischen Ausgestaltung. Ob dieser anonyme Terminationspunkt der
Regelzugang, wie von Dir gefordert, oder die Ausnahme, wie im Brief- und
Telefonbereich, sein soll, wäre noch zu überlegen.

Viele Grüße

Gerhard

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