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Re: BGH-Entscheidung: T-Online darf Verbindungsdaten nicht mehr speichern



Hallo Hartmut,

PILCH Hartmut schrieb/wrote (10.11.2006 09:13):

> Holger Voss schrieb/wrote (10.11.2006 00:39):
> 
>> PILCH Hartmut schrieb/wrote (09.11.2006 13:06):
>> 
>>> Wir haben ein Interesse daran, dass gewisse persönliche Daten 
>>> öffentlich verfügbar [...] sind.
>> 
>> Da kann ich Dir nicht ganz folgen. [...] Welches Interesse soll ich
>> (bzw. sollen wir) haben, dass persönliche Daten (auch ohne 
>> ausdrücklichen Wunsch der Betroffenen) öffentlich verfügbar sind?
> 
> Wenn gewisse Daten vorhanden sind, sinken die Transaktionskosten für 
> alle.

Ich hatte ehrlich gesagt auf eine etwas konkretere Antwort gehofft.
_Wann_ können mir _welche_ vermeidbaren Transaktionskosten entstehen,
weil persönliche Daten auch ohne den Willen der Betroffenen öffentlich
verfügbar sind?


> Das ist wohl etwa der Sinn der Impressumspflicht.

Ich halte die Impressumspflicht für einen Fehler. Aber das ist -
zumindest teilweise - ein anderes Thema.


> Es gibt aus 
> diesem Grunde auch die (von Michael Plümpe, einem Opfer juristischer 
> Verfolgungsjagden und anderer gemeingefährlicher Schikanen durch 
> mafiöse Ringe, irgendwo über http://www.gegenjustizunrecht.de/ 
> auffindbar, gut begründete Forderung), dass über whois wirklich 
> jedermann finden können soll, wer wann welche Internet-Domain 
> registriert hat.

Welche Transaktionskosten sind Michael Plümpe entstanden und welche
Gründe führt er an?

(http://www.gegenjustizunrecht.de/ leitet um auf
http://www.powerinternet.nl/, ein thematischer Bezug ist dort nicht
erkennbar.)


> Ähnliche Bedürfnisse erfüllt die Schufa.

Die Schufa-Daten sind nicht öffentlich verfügbar, daher verstehe ich den
Bezug nicht. (Im Übrigen halte ich die Schufa für einen ziemlich
fragwürdigen Verein, aber auch das ist ein anderes Thema.)


>> Gerade bei staatliche Stellen (Polizei, Sozialamt, Geheimdienste, 
>> Ausländeramt ...) sollte m. E. sehr kritisch überlegt werden, 
>> welche Daten für diese Stellen verfügbar sein dürfen. Hier kann es 
>> für Menschen sehr schnell von extremem Nachteil sein, wenn die 
>> staatlichen Stellen zu viel wissen. (Ich denke zum Beispiel an die 
>> circa 500.000 bis 1 Mio. Menschen, die hier in der BRD ohne gültige
>>  Aufenthaltspapiere leben und die damit, was staatlichen Schutz 
>> angeht, nahezu vogelfrei sind.)
> 
> Vielleicht hat aber die ansässige Bevölkerung ein berechtigtes 
> Interesse daran, mitzubestimmen, wer sich hier aufhält, und diese 
> Entscheidungen auch durchgesetzt zu sehen.

Das sehe ich anders. Meines Erachtens ist Freizügigkeit (wie Art. 11 GG
sie "Deutschen" zubilligt), ein Menschenrecht. - Aber auch das ist ein
anderes Thema.

Mir ging es hier nur darum, dass die Verfügbarkeit von Daten für
staatliche Stellen von extremem Nachteil für Menschen - und nicht nur
für Kriminelle - sein kann.

Tatsächlich sorgt die Verfügbarkeit persönlicher Daten für staatliche
Stellen regelmäßig dafür, dass Menschen (insbesondere Menschen ohne
gültige Aufenthaltspapiere) an der Ausübung ihrer Menschenrechte
gehindert werden. - Z. B. das Recht auf Bildung, das Kinder ohne legalen
Aufenthaltsstatus nur dann wahrnehmen können, wenn das Ausländeramt
nicht nachsehen kann, wer welche Schule besucht. (Vgl.
http://www.taz.de/pt/2006/10/16/a0103.1/text.)


>> Auf _alle_ Daten, die irgendwo gesammelt werden, kann der Staat 
>> unter bestimmten Umständen irgendwie zugreifen.
> 
> Darüber ist man ja u.U. froh, wenn etwa deshalb ein Mord aufgeklärt 
> werden kann.

Die Aufklärung eines Mordes ist selten davon abhängig, ob der Staat
schon im Vorfeld (also verdachtsunabhängig) persönliche Daten gesammelt
hat. Gerade bei Mord war die Aufklärungsrate (der Mordfälle, die
überhaupt als solche erkannt wurden) schon immer so hoch, dass sich die
Abschreckungswirkung durch eine verstärkte Überwachung nicht erhöhen lässt.

Die massenhafte Sammlung persönlicher Daten dient eher anderen Zwecken.
Vor allem einem allgemeinem Machtstreben des Systems "Staat", konkret
zum Beispiel der Verfolgung von unerwünschten AusländerInnen.


>> Wenn ich eine Webseite besuche, willige ich in der Regel _nicht_ 
>> ein, dass meine IP-Adresse gespeichert wird.
> 
> Implizit schon.  HTTP-Kommunikation erfordert nun mal Übertragung der
> IP-Adresse, und dass die Gegenseite Informationen,die sie einmal 
> hat, nicht wieder vergisst, ist anzunehmen

Ich muss annehmen, dass meine KommunikationspartnerInnen gegen geltendes
Gesetz verstoßen? - Das wirft kein gutes Licht auf dieses
Gesellschaftssystem.


>> Und wenn ich eine Webseite nur besuchen kann, wenn ich in die 
>> Speicherung meiner IP-Adresse einwillige, dann kann von 
>> Freiwilligkeit keine Rede mehr sein.
> 
> Doch.
> Du kannst auf den Besuch verzichten.

Genau damit ist keine Freiwilligkeit mehr gegeben. Statt dessen wird ein
Druckmittel (ich darf die Webseite sonst nicht abrufen) gegen mich
verwandt, um mich dazu zu bringen, in die Speicherung der IP-Adresse
einzuwilligen.


> Du kannst eine Initiative gründen, die interessante Webseiten 
> spiegelt und dort derart verfügbar macht, dass IP-Adressen nicht 
> gespeichert werden.

Wenn das nötig wäre, wäre das ein ganz erheblicher Eingriff in die
Möglichkeiten, das Internet zu nutzen.

Die meisten Webseiten, die ich abrufe, sind urheberrechtlich geschützt.
Sie dürfen also nicht einfach von Dritten unter anderen Bedingungen
(ohne IP-Speicherung) veröffentlicht werden.

Ein Großteil der Webseiten, die ich abrufe, erreiche ich über Links (von
einer Suchmaschine oder von anderen Webseiten oder ...). Ich erreiche
sie, ohne vorher zu wissen, ob dort persönliche Daten von mir
gespeichert werden oder nicht.


> Du kannst darauf hinwirken, dass im Netz ein Druck auf 
> Webseitenbetreiber entsteht, sich als nichtspeichernd auszuweisen. 
> Andernfalls bekämen sie dann vielleicht keine Besucher und keine 
> Links.

Diese Hoffnung halte ich für naiv.

Schönen Gruß


Holger

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