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Re: Ich bin angeklagt



At 06:18 10.01.1997 EST, Angela Marquardt wrote:

>Seit ein paar Tagen ist es amtlich. Fuer Links im Netz auf Seiten, die der
>deutschen Justiz nicht passen, wird mensch strafrechtlich verfolgt. Nach der
>Zensur meiner Seiten bei Compuserve, steht ein Verfahren in dieser Sache an.

Die in diesem Fall besonders wichtige Frage koennte meines Erachtens die
folgende sein: Ab wievielen Rekursionsstufen ist eine Meinungsaeusserung
auch in Deutschland straffrei? Zur Erklaerung: Strafrechtlich verfolgt
werden im oben zitierten Verfahren Hyperlinks aus einer privaten Homepage
auf eine ebenfalls private Homepage, die unter anderem Texte der in
Deutschland verfemten "Radikal" anbietet. In diesen Texten wird beschrieben,
wie ein Anschlag auf Strecken der Deutschen Bahn aussehen koennte. Es ist
noch nicht einmal erwiesen, dass es aufgrund dieser Radikal-Texte zu
Anschlaegen kam. Eine seltsame Konstellation tut sich da auf: Wir haben es
mit mutmasslichen Symphatisanten von Bahnanschlaegen zu tun, auf deren Texte
jemand verweist, der diese Texte fuer diskussionswuerdig haelt. Was waere,
wenn es jetzt eine Kette von Hyperlinks gaebe, die schliesslich auf die
inzwischen zensierte Homepage von Angela Marquardt zeigen? Es ergaebe sich
folgende Struktur:

Jemand haelt ein Thema fuer diskussionswuerdig -> Jemand ... -> .... -> 
Jemand haelt ein Thema fuer diskussionswuerdig -> Homepage von A. Marquardt -> 
Radikal-Seiten bei XS4ALL.

Da bis jetzt keine Rekursionsstufe angegeben wurde, ab der Straffreiheit
garantiert sein soll, ergibt sich nur ein Schluss: Hier sitzt nach der Logik
der Anklaeger das gesamte Internet auf der Anklagebank. Denn immerhin
koennen die inkriminierten Seiten von ueberallher eingesehen werden. Es gab
Dutzende von Mirror-Servern, vor allem in den USA.

Es gibt also Grund genug, sich mit Angela Marquardt zu solidarisieren, denn
sie wird stellvertretend fuer die Netzgemeinde angeklagt. Hier wird unser
aller Recht infrage gestellt, ueber das Netz auf Inhalte zugreifen zu
koennen, die den deutschen Behoerden nicht passen. Das erinnert an
singapurische Verhaeltnisse und hat mit Demokratie nichts zu tun.

Die Freiheit der Rede schliesst meines Erachtens auch mit ein, dass jemand
wie Angela Marquardt einen Brandanschlag auf die Druckerei eines
Fascho-Blattes "verstehen kann." In Usenet-Beitraegen wird darauf abwertend
eingegangen, und es wird mit der Zensur ihrer Hyperlinks auf die
Radikal-Seiten verglichen. Ich moechte an dieser Stelle feststellen, dass
das Eine nichts mit dem Anderen zu tun hat. Die Anklage gegen Angela
Marquardt beruehrt unsere eigenen Interessen. Das sollte Grund genug fuer
eine Sesibilisierung sein.

Holger