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Re: Artikel: Gefangen im Internet



Josef Dietl wrote:
> Es spielt keine Rolle, ob der Schulleiter anständigen Internet-Anschluss
> für seine Schüler will oder nicht: ein Teil seiner Schüler macht's halt
> dann einfach ausserhalb des von ihm kontrollierten Bereichs, von zu Hause
> aus, aus einem Internet-Café oder sonstwie. Der Effekt, den er bewirkt ist,
> dass eine soziale Schere aufgeht: Anstatt allen Schülern gleichmässige
> Chancen zum Umgang mit dem Kommunikationsmedium der Zukunft zu bieten,
> bewirkt er eine Trennung in Informations-Reiche (also Internet-Café-Kunden,
> typischerweise Kinder besser situierter Eltern) und Informations-Arme
> (normalerweise Kinder ärmerer Eltern). Das Ganze wiederholt sich auf jeder
> Stufe, ob Schule, Land Bayern oder Bundesrepublik. Wer Statistik kennt,
> findet dahinter irgendwo das Prinzip der grossen Zahlen wieder.

Dem muss ich widersprechen. Die Qualitaet der Ausbildung haengt
mitnichten an der Moeglichkeit, in der Schule beliebig viel mit
dem Internet herumzuspielen. Medienkompetenz foerdert man durch
exemplarische Behandlung im Rahmen des "normalen" Unterrichts,
nicht durch wildes Herumsurfen ohne paedadogische Begleitung
und Einordnung. Und in paedagogischer Hinsicht gibt es zum
Internet "an sich" nun mal nicht viel zu sagen - es ist lediglich
eine technische Infrastruktur. Ohne ein konkretes Projekt macht
es keinen Sinn, Schueler im Internet herumsurfen zu lassen.

Abgesehen davon duerfte es fuer die Lehrperson schwer sein, den
Jugendschutz sicherzustellen. Auch ist es fuer Schuelerinnen
demuetigend, in einem vom Lehrer unbeobachteten Moment von den
Mitschuelern mit Pornobildern konfrontiert zu werden, und sich
da kaum wehren zu koennen. (Oder sollen die "gleichen Chancen
auf Kosten der Schueler*innen* hergestellt werden?)

Nach langjaehriger Internet-Erfahrung wage ich auch mal zu
bezweifeln, dass ein Internet-Zugang zu "Informationsreichtum"
fuehrt. Einige spezielle Dinge (besonders im Zusammenhang mit
Computern selbst) weiss man vielleicht schneller, aber das ist
es dann auch schon. Ach ja, und an die oben genannten Porno-
bilder kommt man einfacher. Aber das rechtfertigt wohl kaum
den "Internetzugang fuer alle" waehrend des Unterrichts.

Dem "Sie wissen ja gar nicht, ob wir das ueberhaupt wollen" des
Lehrers wuerde ich zustimmen. Um es mit Joseph Weizenbaum zu
sagen: man muss nicht alles machen, nur weil es machbar ist.
Die Einrichtung eines (in Deutschland ueblicherweise nicht billigen)
Internetzugangs sollte schon aus paedagigischer Sicht einen
deutlichen Nutzen bringen - ansonsten sollte man besser darauf
verzichten.

Aehnlich die Idee, schon im Kindergarten sollten die Kinder mit
Computern spielen koennen. Als ob man jemals Kinder zum Spielen
mit dem Computer haette ueberreden muessen. Die Faszination, die
von der Technik ausgehen mag, sollte nicht darueber hinweg-
taeuschen, dass in der Schule andere Inhalte vermittelt werden
sollten - z.B. soziale Kompetenz und die Faehigkeit zu kritischem
und selbstaendigem Denken. Die Anonymitaet des Internet und das
Fehlen von realer Konsequenz beim Agieren in der "virtuellen Welt"
macht das Internet dabei zu einem denkbar ungeeignetem Lernmedium.

Viele Gruesse,
Markus.