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Re: Termin bei TCP/IP wegen Internet-Filterung



On Tue, Mar 21, 2000 at 08:12:40PM +0100, Sierk Hamann wrote:
> Rigo Wenning schrieb:
> 
> > Ich habe schon lange gesagt, dass unsere Rechtsordnung bisher immer
> > am Verteiler, also technisch am Sender angesetzt hat. Die Filter
> > sind alle auf den Rezipienten konzentriert. Was dabei rechtlich
> > rauskommt, kann ich ohne grosse Analyse, fuer die ich keine
> > Zeit habe, nicht sagen.
> 
> Ist letztlich völlig wo die Wirkung erzielt wird egal. 
> Es bleibt bei einem kommunikativen Vorgang.

Eben nicht. Das BVerfG hat da sehr fein unterschieden. Schau 
Dir mal die Rechtsprechung zu den ganzen DDR-Zeitungen an. Damals 
war genauso eine Hexenjagd im Gange. Ich glaube es ist der 27. 
Band. Den Rezipienten am Empfang hindern ist einfach noch einen 
Schritt weiter. Denk an die Nazis und den Volksempfaenger...

Was ist z.B. Wenn das MP3 in irgendeinem Staat legal ist und 
dort verteilt werden darf? Darf man dann von Deutschland aus 
nicht mehr zugreifen? Die Entscheidung des BVerfG enthaelt 
viele Antworten zu diesen Fragen....
>  
> Soviel verrate ich gern:
> 
> 1. Man muss das Zensurverbot im GG etwas erweitern, sprich modernisieren
> (schwer)

Halte ich nicht fuer den richtigen Ansatzpunkt, wie die Erfahrung 
mit free-speech-hype in US zeigt...

> 2. Man muss ein bißchen mit der Drittwirkung der Grundrechte zaubern
> (revolutionär)

Gefaellt mir sehr die Idee. Ich meine auch, dass das letztlich 
meiner Ansicht zugrundeliegt. Vergleiche GmbH der Gemeinde, hat 
aber dann direkte Verbindung zu 3. 

> 3. Man kann noch mit dem staatlichen Gewaltmonopol daherkommen - habe
> ich mir noch nicht so überlegt. Stichwort: "Schwarze Sheriffs" auf dem
> Datenhighway (sehr vielversprechend)

Letztlich, in Verbindung zu 2., wird Gewalt privatisiert und dereguliert. 
Das duerfte dann schwierig werden. Auch der Staat selbst privatisiert 
Vollstreckung, indem er sagt, wenn Ihr nicht installiert, nehmen wir 
alles bis zur Steckdose mit.... Damit entsteht eines der ja so schwierigen 
Dreiecksverhaeltnisse (nicht nur in der juristerei sind die schwierig ;-)

> 4. Unklar ist noch das Problem der ausländischen Grundrechtsträger

Das ist Voelkerrecht und beruht meist auf dem Territorialprinzip. Wo 
es zu offen verletzt wird, ein Rechtsimperialismus entsteht, den 
Deutschland in der xs4all-affaire voll gezeigt hat, dort wird es dann 
irgendwann voelkerrechtswidrig. Das solltest Du aber besser wissen...

> 5. Es gibt leider nicht die Figur der Grundrechtsgefährdung...

Darum geht es doch gar nicht. Es geht nicht um das Vorfeld, es 
geht darum, welche Auswirkungen es hat, wenn das System in einem 
konkreten Fall anschlaegt, welche Missbrauchsgefahren mit solch 
einem System verbunden sind etc...

> 6. Die G-10 / BigBrother Rechtsprechung kann man vielleicht...

Interessante Frage, wenn die Maschine Kenntnis nimmt, nimmt 
dann auch der Verantwortliche Kenntnis? Was waere dann mit 
Par 85 TKG. Jeder koennte damit Filter installieren, solange 
er nicht konkret in die Kommunikation reinschaut. Aber ist ein 
Filter nichts anderes als eine automatisierte Entscheidung, die 
getroffen wird, nachdem man reinschaut?

>  
> Aber selbst dann wird es verdammt _schwierig_, eine _Verletzung_ der
> Kommunikationsfreiheit zu begründen. Betroffen ist sie wohl... und meine
> geliebten Kollegen, u.a. v. Bonin jubeln noch über die "kooperative
> Selbstregulierung", weil man mit so einer Diss. wohl einen Schreibtisch
> mit Standleitung bei AOL bekommt *frotzel*

Ich teile sie in die Meinungsfreiheit und die Rezipientenfreiheit. 
Ich will alles in Deutschland abrufen koennen, was in der Welt legal 
ist und allgemein zugaenglich. Das und nicht weniger garantiert mir 
das Grundgesetz. An Dir, hinter diesen Wortlaut zurueckzufallen...
> 
> Und jetzt kommen die handfesten Angriffspunkte:
> 
> - der Datenschutz und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
> müssen unversehrt bleiben.

Gegenargument: Es handelt sich nicht um personenbezogene Daten, 
da die Person weder identifiziert wird, noch irgendwelche 
Verbindungen dazu hergestellt werden... Vorbehaltlich des 
loggens von IP-Nummer, dann Streit

> - das Fernmeldegeheimnis muß gewahrt bleiben.

Sie oben Kenntnis

> - die sollten Provider einfach nicht mitmachen.

Was bedeutet Anspruch auf Internet juristisch? AGBG? Nichtleistung, 
Falschleistung? Wenn ich nur AOL bekomme, ist das dann Internet?
Oder reicht ein Intranet unter IP? Zivilrechtler streiten sich 
aber lieber ueber Domain-Namen....

> - ich besorge mir eine ISDN-Einwahlleitung nach .ru

roaming access via ibm.net mittels 0130 von Deutschland aus.....

> 
> Dazu (Datenschutz) fehlen mir aber ein paar Angaben zur Technik. Man muß
> man den ganzen Vorgang datenschutrechtlich _zerlegen_. Wenn die
> speichern, wer auf welche bösen Dinge zugreift ist es jedenfalls aus. 
>  
> > Vom Gefuehl her wuerde ich aber sagen, es wird schwierig, ein
> > solches System durchzusetzen, weil das Telekommunikations-
> > geheimnis, die Rezipientenfreiheit etc betroffen sind und weil
> > man nur Dinge blocken duerfte, deren Verteilung in Deutschland
> > gerichtlich! untersagt ist. 
> 
> Den Gedanken mit der rechtskräftigen Untersagung kann ich nicht
> nachvollziehen. 

Angenommen, er hat Anspruch auf Internet. Wenn ein Leistung 
unterbleibt, brauchst Du doch irgendeine Rechtfertigung. Dein 
Vermieter kann Dich doch auch nicht in jedem Moment vor die 
Tuer setzen. Wenn ich was nicht bekomme, will ich das wissen 
und wissen warum? + Argument schwarze Sherrifs. Entspricht 
es noch meinem Vertrag?

> 
> Solange es sich hier um eine Privatveranstaltung handelt...Das Problem
> des Internet ist nicht die "Rechtsfreiheit", sondern die
> "Staatsfreiheit". Wo kein Staat, da keine Grundrechte. Und ich habe
> bislang keinen Aufsatz gefunden, der vorlauter verzückung über
> Selbstregulierung und Cyberlaw mal die Frage "Wo bleiben eigentlich
> unsere Grundrechte" geklärt hätte. 

Drittwirkung via Generalklauseln. Du hast es oben angedeutet. 
Kann die PhonoIndustrie Provider zwingen? Nein. Es sei denn, 
der Staat oder seine Organe helfen nach mit anderem Druck, dann 
Privatisierung staatlichen Handelns. 

Meine Frage lautet immer, kaeme RPS als Gesetz im Bundestag durch? 
Als Gesetz muss es mit dem GG konform sein.
  
> 
> Böckenförde und Forsthoff haben es kommen sehen. Nach dem Verbändestaat
> der Settop-Box-Portal-Medienstaat...die FAZ ist..., die FR ist.... und
> AOL ist links oder was?
> 
> >Ansonsten wuerde man in die Rechte
> > des Rezipienten ohne Rechtsgrund eingreifen, was wiederum
> > Rueckwirkungen auf den Vertrag Provider-Kunde haette.
> 
> Ja, ein hoffnungsfroher Angriffspunkt, nur dürfte eine Pflichtverletzung
> schwer konstruierbar sein. Eine rw Download zu ermöglichen halte ich
> nicht für eine Vertragsleistung.

Ich rede nicht von einem rechtswidrigen Download. Wo steht geschrieben, 
dass ich nicht empfangen darf, was in irgendeinem Land der Erde legal 
ist? Was bedeutet Anspruch auf Internet? 315 BGB nach Gusto des Providers?

Gruss

Rigo