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Re: Musterprozess: Internet-Anbieter haften für Raubkopien



Wau meinte am 12.04.00 um 12:11 in /ML/FITUG
zum Thema "Re: Musterprozess: Internet-Anbieter haften für Raubkopien":

> > in einem Musterprozess gegen AOL entschieden, dass die
> > Online-Dienste haften.
>
> "Online-Dienste" ist das magische Wort.

Der Artikel läßt nicht erkennen, dass der 'Schurnalist' über eine  
besonders differenzierte Begrifflichkeit verfügt, die einen solchen Schluß  
zulassen würde. Er verwendet z.B. auch "Internetdienst" synonym zu "Online- 
Dienste" und meint dabei mit dem umgangssprachlichen 'Dienst' den  
Handelnden bzw. das Unternehmen. Die einschlägigen Gesetze verstehen unter  
Dienst dagegen eine Leistung bzw. ein Angebot, eine Handlung.

> Wer an den Bits rumfummelt, macht aus einem Datenstrom einen
> bearbeiteten inhaltlichen Haufen und haftet fuer die Fummelei.

Das Interessante ist aber doch gerade, dass offensichtlich keine Fummelei  
stattgefunden hat: "Von dort aus konnten die AOL-Nutzer Musiktitel  
(Musikfiles) *unkontrolliert* herauf- und herunterladen."
Trotzdem soll der Provider verantwortlich sein - offenbar aufgrund einer  
Handlung, die er zuvor vorgenommen hat; gemeint ist vielleicht das  
Einrichten des unkontrollierten (unkontrollierbaren?) Forums oder das  
Unterlassen von Kontrollen. Begründung abwarten.

> Insofern ist das Urteil ohne Belang fuer "ordentliche" ISP,
> die Bits durchleiten statt zu fummeln.

Man wird auch hier nicht drumherumkommen, sich mit den Begrifflichkeiten  
ordentlich/unordentlich, Content-, Service-, Access-, Network- etc.  
Provider bzw. -Anbieter, Tele-/Medien-/Online-/Telekommunikationsdienst  
und insbesondere deren Abgrenzung genauer auseinanderzusetzen. Was ist  
denn "ordentlich"? - die krampfhaft wiederholte Forderung nach 'Full IP'  
bzw. 'RFC' trägt zur Klärung nicht sonderlich bei. Kann ein Provider z.B.  
bezüglich eines Dienstes gleichzeitig (!) Tele- und Telekommunikations- 
diensteanbieter sein? Wird seine Verantwortlichkeit bezüglich eines  
bestimmten Dienstes oder aufgrund seiner Haupttätigkeit (so ne Art  
Infizierung) beurteilt? Internet-Recht-Guru-wir-beten-dich-an Sieber  
vertritt dazu z.B. die Auffassung, dass "ein Ausschluß der rein  
inhaltlichen Verantwortlichkeitsregelung von Par. 5 TDG durch das TKG"  
grundsätzlich nicht in Betracht komme, weil allen Telediensten (Inhalt)  
immer Telekommunikation (Technik) zugrundeliege. Ein einfaches  
Zurückziehen von "ordentlichen ISPs" auf TKG wie es Lutz mit seinem "IP  
ist TKG" vorhat, scheint damit rechtlich nicht ohne weiteres möglich zu  
sein.

Die gelegentliche Verwirrung rührt IMHO auch daher, dass intersubjektiv/
-disziplinär gültige bzw. anerkannte Definitionen bzw. Abgrenzungen der  
Fachbegriffe entweder nicht vorhanden sind, bzw. Begriffe zwischen den  
Systemen Recht und Technik unterschiedlich verwendet werden. So wird bspw.  
der unter Par. 5 III fallende Accessprovider von den Technikern häufig als  
ISP (=InternetServiceProvider) bezeichnet, während andererseits der  
Begriff Serviceprovider von den Jurologen unter Par. 5 II verwendet wird.


Gruß,
Mario
-- 
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