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Re: Spiegel-Bericht zu BMJ+GI
- To: "Dr. H. Jochen Krieger" <advobox@geod.geonet.de>
- Subject: Re: Spiegel-Bericht zu BMJ+GI
- From: PILCH Hartmut <phm@a2e.de>
- Date: Tue, 19 Sep 2000 10:39:30 +0200 (CEST)
- cc: Heiko Recktenwald <uzs106@ibm.rhrz.uni-bonn.de>, debate@fitug.de, swpat@ffii.org
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- In-Reply-To: <39C718E7.E854DB3C@geod.geonet.de>
- Sender: owner-debate@fitug.de
> > Was hat denn Haftung mit Patentschutz zu tun ?
>
> Zugegeben, war nur ein vielleicht zu kurz geratener Schlenker.
> Auch bei der Anmeldung eines Softwarepatentes muss ja voll der
> Stand der Technik geprueft werden. Geschieht dies durch den
> Patentanwalt nicht ordnungsgemaess, ist schon die Haftungsfrage
> auf dem Tisch. Ich frage mich allerdings, wie denn wohl eine
> solche Neuheitsrecherche funktionieren soll. Vielleicht kennt
> jemand die Ueberlegungen der Oberdruiden insoweit.
Normalerweise erledigt das Patentamt die Recherche.
Der Patentanwalt ist dazu nicht verpflichtet.
Es ist allenfalls moeglich, gegen absichtliches Verschweigen bekannter
Technik zu klagen, aber dieser Tatbestand ist kaum nachweisbar.
Angesichts der Wertlosigkeit der Patentpruefung ist Frankreichs Position
vernuenftig: es findet keine Sachpruefung sondern nur eine Normalpruefung
statt. Dadurch laesst sich ein franzoesisches Patent immerhin schnell und
billig erwerben.
Als Beispiel fuer einen Patentanspruch, wie er typischerweise von
Sachpruefern des EPA gewaehrt und von Gerichten nicht beanstandet wird,
sei nochmals auf das BPatG-Urteil 17W/69/98 von Ende Juli 2000 verwiesen:
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bpatg17w6998de.html
--------------------
Der geltende Patentanspruch 1 vom 10. Februar 1998, eingegangen am 12.
Februar 1998, lautet:
Verfahren zur computergestützten Suche und/oder Korrektur einer
fehlerhaften Zeichenkette F_i in einem digital gespeicherten Text,
der die entsprechende fehlerfreie Zeichenkette S_i enthält,
dadurch gekennzeichnet, dass
a. die Auftretenshäufigkeit H(S_i) der fehlerfreien Zeichenkette S_i
ermittelt wird
b. die fehlerfreie Zeichenkette S_i nach einer Regel R_j verändert
wird, so dass eine mögliche fehlerhafte Zeichenkette f_ij erzeugt
wird,
c. die Auftretenshäufigkeit H(_ij) der Zeichenkette f_ij in dem Text
ermittelt wird,
d. die Auftretenshäufigkeiten H(_ij) und H(S_i) verglichen werden und
e. basierend auf dem Vergleich in Schritt (d) entschieden wird, ob
die mögliche fehlerhafte Zeichenkette f(_ij) die gesuchte
fehlerhafte Zeichenkette F(_j) ist.
Auch das BPatG hatte an der Qualitaet des obigen Hauptanspruchs nichts
auszusetzen.
Unbedingt lesenswert sind jedoch die klaerenden Worte des BPatG zum
"Computerprogramm als solchen" und den diversen Scheinargumenten des EPA
und BGH, die hier schoen und klar widerlegt werden:
...
Eine Definition des Begriffs "Programms als solchen" ist weder dem
Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung noch der bisherigen
höchstrichterlichen Rechtsprechung zu entnehmen... In der Entscheidung
"Logikverifikation" (Mitt 2000, 293) hat der BGH nunmehr jedoch hierzu
Ausführungen gemacht und auf im wesentlichen drei unterschiedliche
Meinungen hingewiesen. Danach könne hierunter zum einen das
gedankliche Konzept, das sich durch die jeweilige Anwendung
erschließe, verstanden werde, zum anderen das Produkt der eigentlichen
Programmierung, also die kodierten Befehlsfolgen für den Computer; die
dritte Meinung liege den Entscheidungen "Computerprogrammprodukt" und
"Computer program product II" der Beschwerdekammer 3.5.1 des EPA
zugrunde. Der Senat schließt sich der zweiten Meinung an.
Ausgehend davon, dass Programme für Datenverarbeitungsanlagen das
Gebiet der Datenverarbeitung bzw Computertechnik betreffen, orientiert
sich der Senat bei seiner Interpretation des Begriffs "Programm für
eine Datenverarbeitungsanlage als solches" am Verständnis des
Computerfachmanns. In der Fachsprache wird der Begriff "Programm"
mehrdeutig verwendet, bspw für Programmentwürfe, Programmdarstellungen
in höherer Programmiersprache, ablauffähige Maschinenprogramme und
auch für die unmittelbar Schaltglieder steuernden Bitmuster eines
Mikroprogramms (vgl "Das Computerprogramm im Recht" Dr. M.M. König,
Verlag Dr. Otto Schmidt KG, 1991, Rdn 150-155). Im weiteresten Sinne
umfasst der Begriff "Programm" die verschiedenen Entwurfsstufen und
Ausführungsformen eines Programms und wird sowohl für dessen
Aufzeichnung als auch für ein auf einem Computersystem ablaufendes,
d.h. aktives Programm verwendet (vgl "Lexikon Informatik und
Datenverarbeitung", 4. Aufl, R. Oldenbourg Verlag, München Wien, 1998,
S 652f). Im engeren Sinne verwendet der Fachmann den Begriff
"Programm" jedoch für den Programmcode und dessen Aufzeichnungen auf
Klarschriftdatenträgern wie Papier oder maschinenlesbaren
Speichermedien.
...
Nach alledem ist der Senat daher der Auffassung, dass unter einem
"Programm als solchen", das nach §1 Abs 2 Nr 3 und Abs 3 PatG vom
Patentschutz ausgeschlossen ist, der Programmcode und dessen
Aufzeichnung auf einem Speichermedium gleich welcher Art, sei es
Papier oder ein elektronisches Medium, zu verstehen ist. Eine in einem
Programm enthaltene Lehre - idR ein Arbeitsverfahren - kann hingegen
eine Erfindung im Sinne des §1 Abs 1 PatG sein, sofern diese Lehre
technischen Charkter hat, dh Wirkungen entfaltet, die über das übliche
Zusammenwirken von Programmaufzeichnung und Computersystem
hinausgehen, und damit den Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur
Erreichung eines Erfolges lehrt.
...
Eine andere Meinung vom "Programm als solchen" ergibt sich aus der
Entscheidung "Computerprogrammprodukt/IBM" bzw aus "Computer program
product II/IBM" (T 0935/97-3.5.1 vom 4. Februar 1999); gemäß der dort
vorgenommenen Interpretation können Aufzeichnungen von Programmen auf
Speichermedien patentfähig sein. ...
Dem dort vertretenen Verständnis eines Programms als solchen vermag
der Senat jedoch nicht zu folgen. Nach den Ausführungen in der
Entscheidung "Computerprogrammprodukt/IBM" wird der Begriff
"Computerprogramme" ebenso wie "Computerprogramme als solche"
unterschiedslos für Programminhalt, d.h. aktiv ablaufende Programme,
und Programmaufzeichnungen auf Speichermdien verwendet. Eine
Unterscheidung zwischen dem "Programm als solchen" und dem Programm im
weiteren Sinn wird dort allein an Hand des rechtlichen Maßstabs des
"technischen Charakters" getroffen. Danach ist einem auf einem
Speichermedium gespeicherten Programm technischer Charakter
zuzusprechen, wenn bei der Auführung der Programmbefehle physikalische
Veränderungen bei der Hardware (d.h. bei dem ausführenden
Computersystem) mit weiteren technischen Effekten einhergehen, die
über das übliche Zusammenwirken von Programmaufzeichnung und
Computersystem nausgehen. Abgesehen davon, dass sich bei einer
derartigen Auslegung die Frage stellt, ob überhaupt noch
Anwendungsfälle für den Ausschlusstatbestand "Programm für eine
Datenverarbeitungsanlage als solches" verbleiben, werden aber bei
einer solche Betrachtungsweise dem beanspruchten Gegenstand
Eigenschaften zugeschrieben, die ihm objektiv nicht zukommen.
Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 22 ist ein digitales
Speichermedium, dessen elektronisch auslesbare Steuersignale so mit
einem programmierbaren Computersystem zusammenwirken können, dass das
Such- und Korrekturverfahren ausgeführt wird. Wie unter 1.2.1
erläutert, versteht der Fachmann unter den im Anspruch genannten
Steuersignalen die Signale, die der Abfolge der aufgebrachten Daten
entsprechen. Steuersignale, die repräsentativ sind für die Ausführung
des Such- und Korrekturverfahrens, vermag das beanspruchte
Speichermdium für sich nicht hervorzubringen. Es vermag nicht zu
überzeugen, die Patentfähigkeit eines Gegenstandes mit technischen
Wirkungen oder einem zusätzlichen technischen Effekt zu begründen, die
dieser Gegenstand nicht - jedenfalls nicht allein - hervorbringen
kann. Ein "Potential zur Erzeugung eines technischen Effekts", wie es
in der zitierten Entscheidung einer Aufzeichnung auf einem
Speichermedium zugeschrieben wird kommt einem Aufzeichnungsträger
allein nicht zu, sondern erst dem Computersystem mit dem vom
Speichermedium in den Arbeitsspeicher geladenen Programm, das
tatsächlich in der Lage ist, ein ggf technisches Verfahren
auszuführen.
Ebensowenig vermag der Senat der in der Literatur vertretenen dritten
grundsätzlichen Meinung zum dem Begriff "Programms als solchen" zu
folgen, wonach hierunter das gedankliche Konzept anzusehen sei, das
keinen Schutz durch ein Patent verdiene (vgl Mellulis, GRUR 1998, 843,
850 ff).
Begründet wird diese Meinung aus der Vorstellung, dass jedes
Datenverarbeitungsprogramm einen vom Verstand des Menschen unabhänigen
Vorgang in der Datenverarbeitungsanlage steuern könne, so dass jedem
Programm technischer Charakter zukomme. Die hinter dem Programm
stehende Konzeption hingegen sei lediglich gedanklicher Natur und
verdiene deshalb keinen Patentschutz. Eine ggf vorliegende technische
und erfinderische Leistung werde durch den Fachmann bei der Umsetzung
der gedankliche Konzeption in eine konkrete Programmausführung
erbracht.
Hinsichtlich dieser Meinung hat der Senat folgende Bedenken. Es ist
als grundlegende Tatsache anzusehen, dass hinter jeder Erfindung eine
geistige, dh gedankliche Leistung steckt. Der geistige Weg zum
Auffinden einer Problemlösung ist für sich als gedankliche Tätigkeit
nach §1 Abs 2 und 3 PatG vom Patentschutz ausgeschlossen. Führt eine
gedankliche Leistung jedoch zur Lösung einer technischen
Aufgabenstellung unter Einsatz technischer Mittel, wie bspw zu dem
erteilten Verfahren zur computergestützten Suche und/oder Korrektur,
so kann diese angewandte Lehre sehr wohl patentfähig sein. Dies trifft
auch dann zu, wenn die "Lehre mit dem alle vorgeschlagenen Mittel
kennzeichnenden Prinzip im Patentanspruch" umschrieben ist, also nur
das Lösungskonzept angegeben ist (vgl BGH GRUR 1984, 849, 851 -
Antiblockiersystem). Würde der dargestellten Meinung gefolgt, so hätte
dies die Konsequenz, dass eine erfinderische Leistung nicht durch die
grundlegende Konzeption eines Verfahrens bzw Programminhaltes erbracht
werden kann, sondern lediglich durch die Umsetzung dieser Konzeption
in konkrete Programmschritte. Aus der Praxis ergibt sich aber, dass
eine erfinderische Leistung idR gerade in dem grundlegenden Entwurf
des Systemdesigners zu sehen ist, während die Umsetzung dieses
Entwurfs in die eine oder andere Befehlsfolge regelmäßig im Bereich
des fachmännischen Handelns angesiedelt ist, wie auch der vorliegende
Anspruch 1 erkennen lässt.
...
Auch das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des
geistigen Eigentums (Trade Related Aspects of Intellectual Property
Rights = TRIPS) führt zu keiner anderen Beurteilung der
Patentfähigkeit. Abgesehen von der Frage, in welcher Form das
TRIPS-Abkommen - unmittelbar oder mittelbar - anwendbar ist (vgl die
Senatsentscheidung 17 W (pat) 68/98 vom 18. Januar 2000, zur
Veröffentlichung vorgesehen), würde nämlich auch die Heranziehung von
Art 27 Abs 1 TRIPS-Abkommen hier nicht zu einem weitergehenden Schutz
führen. Mit der dortigen Formulierung, wonach Patente für Erfindungen
auf allen Gebieten der Technik erhältlich sein sollen, wird nämlich im
Grunde nur die bisher schon im deutschen Patentrecht vorherrschende
Auffassung bestätigt, wonach der Begriff der Technik das einzig
brauchbare Kriterium für die Abgrenzung von Erfindungen gegenüber
andersartigen geistigen Leistungen, mithin die Technizität
Voraussetzung für die Patentfähigkeit ist (in der Entscheidung des BGH
"Logikverifikation" ist insoweit die Rede von "nachträglicher
Bestätigung" der Rechtsprechung durch die Regelung in Art 27 Abs 1
TRIPS-Abkommen). Auch der Ausschlusstatbestand des §1 Abs 2 Nr 3 und
Abs 3 PatG kann vor dem Hintergrund, dass er auf dem Gedanken des
fehlenden technischen Charakters dieser Gegenstände beruht (vgl die
Ausführungen unter 1.4.1) nicht im Widerspruch zu Art 27 Abs 1
TRIPS-Abkommen gesehen werden.
Zum Anspruch 23:
Gemäß seinem Wortlaut bezieht sich dr Anspruch auf ein
Computerprogrammprodukt. Der Begriff "Computerprogrammprodukt"
entspricht nicht dem üblichen Sprachgebrauch des Computerfachmanns.
Die Anmelderin will unter diesem Begriff jegliche zur Verbreitung von
Programmen geeignete Form verstanden wissen. Im vorliegenden Fall ist
das Computerprogrammprodukt dadurch näher definiert, dass es auf einem
maschinenlesbaren Träger gespeicherten Programmcode aufweist. Dieser
Programmcode soll so beschaffen sein, dass er zur Durchführung des
Verfahrens nach den Ansprüchen 1 bis 16 führt, wenn er auf einem
Rechner abläuft.
Unter Zugrundelegung dieser Bedeutung stellt sich das
"Computerprogrammprodukt" nach dem Anspruch 23 dem Fachmann als
maschinenlesbares Speichermedium mit einer Programmaufzeichnung dar,
die ein Rechner so interpretieren kann, dass er das Verfahren nach den
Ansprüchen 1 bis 16 ausführt. In diesem Sinne versteht auch die
Anmelderin den Anspruch 23. Nach ihren Ausführungen soll der
Anspruchsgegenstand bspw ein Programmpaket mit mehreren Disketten
sein, das als handelbares Produkt angeboten wird.
Das Computerprogrammprodukt nach dem Anspruch 23 ist gemäß §1 Abs 1
und Abs 2 Nr 3 iVm Abs 3 PatG nicht patentfähig.
Dem Verständnis des Fachmanns und den Erläuterungen der Anmelderin
nach ist unter dem im Anspruch 23 spezifizierten
Computerprogrammprodukt mit gespeichertem Programmcode sonach nichts
anderes zu verstehen als unter dem Gegenstand des Anspruchs 22,
nämlich (mindestens) ein Speichermedium auf dem ein Programm zur
Ausführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 16
aufgezeichnet ist.
Das "Computerprogrammprodukt" nach dem Anspruch 23 ist deshalb auch
nicht anders zu bewerten als das Speichermedium nach dem Anspruch 22,
so dass auf die Gründe unter 1.3 und 1.4 verwiesen wird. Daher kann in
dem "Computerprogrammprodukt" nach dem Anspruch 23 keine Erfindung iSd
§1 Abs 1 PatG erkannt werden; ebenso ist es als "Programm für eine
Datenverarbeitungsanlage als solches" nicht als Erfindung anzusehen
(§1 Abs 2 Nr 3 und Abs 3 PatG).
Zum Anspruch 24:
Dem Anspruchswortlaut nach begehrt die Anmelderin Schutz für den
Programmcode eines Datenverarbeitungsprogrammes, ohne dass dieser auf
einem Speichermedium aufgezeichnet zu sein braucht. Ihren Erklärungen
nach möchte sie mit dieser Anspruchsfassung gegen Verletzungen
vorgehen können, bei denen der Programmcode für das Such- und/oder
Korrekturverfahren nicht auf einem Speichermedium vertrieben wird,
sondern über Datennetze, bspw das Internet, übertragen wird.
Gegenstand des Computerprogramms nach dem Anspruch 24 ist sonach
jeglicher Programmcode, der ein geeignetes Computersystem dazu
veranlassen kann, das Such- und/oder Korrekturverfahren auszuführen.
Im Programmcode selbst kann .. nur ein "Programm für eine
Datenverarbeitungsanlage als solches" erkannt werden, das nach §1 Abs
2 Nr 3 und Abs 3 PatG nicht als Erfindung anzusehen ist.
Die mit den Ansprüchen 22 bis 24 beanspruchten Gegenstände sind sonach
keine patentfähigen Erfindungen, so dass die gegen die Zurückweisung
des Hauptantrags gerichtete Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen
war.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §100 Abs 2 PatG zuzulassen, da die
Frage des "Programms als solchen" noch nicht abschließend
höchstrichterlich geklärt ist.
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http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bpatg17w6998de.html
2000-07 SWPAT-AG des FFII