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Re: [FYI] Neues Urheberrecht verteuert Scanner



On Tue, Sep 19, 2000 at 04:19:17PM +0200, Markus Schaaf wrote:
> From: "Holger Veit" <holger.veit@gmd.de>
> Sent: Tuesday, September 19, 2000 9:59 AM
> 
> 
> > Notabene: der Begriff des Privateigentums an Sachen ist nominal kaum
> > ein paar hundert Jahre alt (nicht zu Verwechseln mit Leibeigenschaft).
> 
> Na, das ist wohl eher juristische Folklore. Was es allerdings
> früher gab, war echtes Gemeinschaftseigentum, z.B. öffentliches
> Weideland.

Was bekanntermassen nicht funktioniert, wenn es gleichzeitig das Konzept
des Gewinnerwirtschaftens aufgrund von Eigentum gibt (tragedy of the commons
Dilemma).

> > Ich halte es fuer realistisch insofern, dass uns zukuenftiges Micropayment
> > sogar zur Zahlung eines Obulus fuer das Anschauen der eigenen Homepage
> > (ein das Leben bereichernder "Mehrwert" - und damit zumindest mehrwertsteuer-
> > pflichtig) verpflichten wird.
> 
> Es fällt jedoch auf, daß in diesem Szenario jeder gleichzeitig
> Konsument als auch Urheber ist, womit sich die Notwendigkeit
> irgendwelcher Ausgleichszahlungen erledigt.

Nein, das ist er nicht notwendigerweise, insbesondere nicht auf dem Gebiet,
welches er konsumiert. Der Witz der heutigen Gesellschaft ist doch gerade
das Spezialistentum: man verdient Geld etwa mit der Herstellung von Broetchen,
und kauft sich davon eine Zeitung. Fuer den schoepferischen Akt des Broetchen-
herstellens reichen die 40Pf pro Stueck als Abgeltung aus, wohingegen bei 
der Zeitung nicht nur die reinen Herstellungs- und Arbeitskosten anfallen, 
sondern auch eine Abgabe an die Autoren bzw. Autoren-Rechtegesellschaften
(soweit es nicht festangestellte Journalisten sind).

> Warum bewertet man eigentlich die schöpferische Leistung von
> Autoren anders, als die anderer Menschen? Bekommt der Maler
> jedesmal Tantiemen, wenn einer seine Bilder betrachtet; oder

Der heutige Kuenstler haette dieses gerne - es gab nur bislang nicht die
Moeglichkeit, einzelne reflektierte Photonen vom Kunstwerk in die Netzhaut
abzurechnen.

> der Ingeneur, wenn jemand mit dem Auto fährt, Flugzeug fliegt,
> das dieser entwickelt hat?

Genau das ist der Punkt oben mit meinem Broetchenbeispiel: eine vermeintlich
geistige Leistung (obwohl das fuer den Auto- oder Flugzeugkonstrukteur im
selben Masse gilt) wird als permanente Dienstleistung und damit auf ewig
kostenpflichtig angesehen, ein Gegenstand (was bei einem Kunstwerk im Museum
andererseits ebenso gilt) dagegen ist einmalig bezahlt. Andererseits mag man
sich auf den Standpunkt stellen, dass die spaetere Nutzung eines Flugzeugs
dasselbe sei wie eine "Nutzung" eines Kunstwerkes, wobei letztere Nutzung nurmehr
im Anschauen oder (bei Musik) im Anhoeren desselben besteht. Dabei muss man 
allerdings beruecksichtigen, dass eine derartige "Nutzung" mit den eigenen
Sinnesorganen das Objekt selbst nicht "abnutzt" und "veraendert". Genaugenommen
koennte man sich auf dieser Basis darauf berufen, dass das Ansehen von Flugzeugen
im flughafen ebenso kostenpflichtig sei, wie das Anhoeren eines Musikstueckes,
welches mit pay-per-hear angeschafft worden ist.

IMHO steckt im Modell der Besonderheit eines Kunstwerkes und eines daraus
resultierenden Nutzungsentgelts die Wertung, dass ein Kunstwerk (auch ein
Musikstueck) eine besondere Leistung sei (etwa gegenueber einem alltaeglichen
Gebrauchsgegenstand wie einem Broetchen oder einem Flugzeug). Nur: das
war vielleicht noch zu Zeiten von Bach und Beethoven oder van Gogh oder Picasso
der Fall - bei der heutigen Massenproduktion von Toenen und Bildern durch
die Medienindustrie ist der Besonderheitsgedanke laengst verwirkt: ich kann
mich durchaus noch an genuegend Musikstuecke und Interpreten aus meiner Jugend
erinnern, charakterisiert genau dadurch, dass sie deutlich mehr als Eintagsfliegen
waren, aber kennt jemand noch mehr als die zwei, drei Superhits der letzten
paar Jahre (aufzaehlen, nicht beim Vorspielen 'aha' sagen!). Musik ist
Einheitsbreiware geworden, die Interpreten sind vollstaendig austauschbar -
man experimentiert mit virtuellen 3D-gerenderten Interpreten - im Augenblick
ist lediglich noch die Real-World-Graphik echter Schauspieler und Popgruppen
besser als die Computeranimantion (aber die Unterschiede werden geringer).

Holger

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