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Re: Semantic Web oder Hyper-Hyperlink



On Tue, Nov 28, 2000 at 02:48:37PM +0100, Holger Veit wrote:
> > Daran wird im Moment gearbeitet: 
> > Siehe http://www.w3.org/RDF/
> >       http://www.w3.org/DesignIssues/
> 
> TNX.
> 
> > Eine andere Form der Anwendung sind Annotations, also die
> > Web-Seiten Dritter kommentieren zu können. Das kann man mit dem
> > neuesten Amaya-Browser/Editor ausprobieren
> > http://www.w3.org/Amaya/
> 
> Das kaeme den Randnotizen im Leihbuch nahe, wenn es dadurch moeglich 
> waere, seinen Kommentar an eine fremde Webseite zu heften. Ich vermute
> (ohne es bislang angesehen zu haben, korrigiere mich!) allerdings, es
> sind eher private Heftzettel im eigenen Browser, die niemand sonst
> zu sehen bekommt. Die Voraussetzung fuer entsprechende Server-Side-Cookies
> ist bei den wenigsten Webservern vorhanden.

Neinnein, gerade nicht. 
Annotations sind in einem eigenen Server (oder Datenbank)
gespeichert. Du kannst Deine eigenen privaten Annotations in
einem privaten File haben oder aber einen Annotations-Server. 
<RDF xmlns:web="http://www.w3.org/1999/02/22-rdf-syntax-ns#"
     xmlns:web="http://www.w3.org/2000/10/14-annotations>
<web:RDF>
<annotations web:about="http:www.evil.example.tv">
<Annotation-style="XHTML">
<p> blabla</p>
</Annotation>
</web:RDF>
</RDF>
(Das ist jetzt nicht die genaue Syntax, aber ich habe im Moment
nur dial-up)

Der Browser wählt nun eine Seite an. Jetzt kann man entscheiden,
ob man die Randnotizen sehen will oder nicht oder ob man sie
generell automatisch sehen will. Der Browser fragt den
Annotations-Server ab und liefert die Randnotizen zur angewählten
Seite. Web-Server und Randnotizen-Server sind unabhängig
voneinander. Niemand kann somit Randnotizen verhindern. Ein
Server weiss u.U. gar nichts von bestehenden Randnotizen.
Insofern ist der Vergleich mit den Leihbüchern falsch, denn es
ist nicht im selben Medium. Stell' Dir eine riesige Kartei vor.
Du nimmst ein Buch mit der Registratur HV-A-1965. Jetzt gehst Du
an die Kartei und suchst nach dem Register HV-A-1965 und findest
dort alle möglichen Randnotizen, geordnet nach den Seiten des
Buches.

> 
> Es stellst sich dabei auch die Frage, ob ein Webseitenbetreiber diese
> Art des Glasnost ueberhaupt will. Selbst wenn man die von mir gemutmassten
> Wandschmierer ausklammert, so kann es doch bei einem kommerziellen
> Betreiber ueberhaupt nicht erwuenscht sein, dass durch Annotationen das
> eigene Produkt diskreditiert wird. So werden Guestbooks ueblicherweise
> regelmaessig "korrigiert", indem gefaehrliche Kritiken entfernt werden
> (der poebelnde Schreihals, der seine E-Mail-Adresse hinterlaesst, dis-
> qualifiziert sich freilich selbst; er kann dann ruhig drin bleiben; er
> fungiert dann als Vertreter einer pseudo-pluralistischen Meinungs-
> landschaft: es gibt diejenigen, die das Produkt ueber den gruenen
> Klee loben, und es gibt die Schwachkoepfe).

Das ist eine Frage für den Betreiber eines solchen
Randnotizen-Servers. Die Frage ist natürlich schon aufgetaucht.
Aber hier gilt auch nichts anderes als bei einem Betreiber eines
News-Servers. Der Prodigy-Fall wurde inzwischen von den
US-Gerichten korrigiert. Wer pflegt haftet danach gerade nicht,
wenn ihm was entwischt. Wer nicht pflegt, der muss bestimmte
Sachen auf Anfrage entfernen. (Wobei ich wirklich gerne eine
Situation wie in Frankreich hätte, wonach der Betreiber nur
entfernen muss, wenn er mit einem Titel (Gerichtsurteil gegen
xyz, nicht ihn) konfrontiert wird. Anoyme Randnotizen werden wohl
auch zum Problem, weil hier das gerichtliche System versagt. Es
müsste eine Klage gegen unbekannt geben, an der der
Server-Betreiber wegen der hohen Kosten nicht beteiligt sein
muss, aber beteiligt sein kann, wenn der Randnotizen-Schreiber
oder Poster oder was immer nicht identifiziert werden kann.

Im Prinzip kann es beliebig viele Annotations-Server geben,
zwischen denen gewählt werden kann. Das macht die Sache
skalierbar. Es gibt keinen single-point-of-failure. Damit
spiegelt die Pluralität der Annotations-Server die Pluralität der
Meinungen wieder. Es gibt einen Wettbewerb und das ist gut für
die Meinungsfreiheit.
> 
> > > Altavista-Hits haengen haben. Die Frage der Redaktion solcher Hyper-Hyperlinks
> > > ist offen (das ist IMHO nicht die Aufgabe des Webseiteneditors), und
> > > freies Hinzufuegen von interessanten Verweisen durch jedermann, im Sinne
> > > etwa von Randnotizen in einem Leihbuch, fuehrt einerseits zu exzessivem
> > > Wandschmierertum ("Kilroy was here") oder zum fluten jedes Links mit
> > > Reklameschwachsinn.

Das kann man ja ausschliessen, indem man nur registrierten
Benutzern das Schreiben erlaubt. Hier kommt man in die ganze
Real-World Problematik. Warum brauchen wir sichere EDV-Systeme,
wenn alle lieb sind? Warum werden Web-Server geschützt? Das
gleiche Problem stellt sich hier, da es nichts anderes ist, als
ein Web-Server für Meta-Informationen. 

> > 
> > Wie gesagt, fand ich Deine Bemerkungen bemerkenswert. Ich weiss,
> > dass die GMD auch an sowas arbeitet (BSCW ist ein Teil von sowas,
> > man kann es zumindest dazu missbrauchen)
> 
> Variante ZENO: http://zeno.gmd.de/MS/team/team.html
> 
> Ich muss allerdings dazu sagen, dass ich mich selbst nicht mit solchen
> Systemen befasse und sie lediglich nutze. Bezogen auf BSCW und Zeno 
> wurde ich dieses eher als eine Plattform zum Handeln mit Dokumenten
> innerhalb einer geschlossenen, und durch ihre Benutzerschaft hinreichend
> qualifizierten und zivilisierten, Benutzergruppe sehen, weniger als
> ein Modell fuer ein amorphes Netz. Meine hausinterne Kritik beruht daher
> auch darauf, dass sie ein bestimmtes Modell der Userschaft voraussetzt,
> inklusive geeigneter Repressionsmassnahmen (wer sich nicht benimmt oder
> im BSCW-Workspace Strukturen zerstoert, indem er sie ohne Gruppenkonsens
> umorganisiert, fliegt raus, wird ausgesperrt, verliert Gruppenprivilegien).
> Insofern moegen BSCW oder ZENO zwar dank Webinterface neumodischer und
> leichter bedienbar oder administrierbar sein, aber sie unterscheiden sich
> lediglich marginal von zehn Jahre alten Mailbox-Strukturen. Ab einer
> bestimmten Gruppengroesse nimmt die Meinungsdivergenz extrem zu; die
> Folge ist entweder eine Zersplitterung in kleine Untergruppen oder
> die Einfuehrung von (juraaehnlichen) Regelsystemen und Kodizes mit 
> Exekutivmoeglichkeiten durch wenige.
> 
> Das Problem des Internets loesen solche Systeme nicht.

Das ist ein interessantes Problem, weil Du in solchen Dingen die
Neu-Erschaffung organisierter Gesellschaftsstrukturen regelmässig
mitverfolgen kannst. Das bedeutet, das unsere regelbehaftete
Gesellschaft eigentlich eine zwangsläufige Entwicklung ist. Ich
weiss, dass BSCW auch die Anmerkungen von Links erlaubt.
Allerdings ist die Integration nur innerhalb des Servers und
nicht innerhalb des Client. Damit ergibt sich automatisch ein
Problem der Skalierung. Ich muss mit den BSCW-Leuten reden.
Vielleicht sind die ja an diesem Projekt interessiert.... Aber
manchmal kann die GMD ein Tanker sein :)

Gruss

Rigo