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Re: 10 Gebote




Hi!



PILCH Hartmut schrieb:
> 
> > Durch die Zehn Gebote zieht sich der Grundgedanke, Autoritäten
> > anzuerkennen und Macht- bzw. Ungleichheitsverhältnisse zu akzeptieren:
> >    Menschen sollen Gott als Autorität anerkennen. (Verse 3-11)
> 
> Gerade das kann bedeuten: erkenne keine Absolutheitsansprueche weltlicher
> Autoritaeten oder Ideologien an!

Das wäre was, das ich unterschreiben könnte.
   Aber der strafende, eifersüchtige Gott, der in den Zehn Geboten
androht "die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten
Generation" zu verfolgen (Exodus 20, 5), will mir nicht so recht
sympathisch werden. Nach "Moral vor Autoritätsanerkennung" hört sich das
für mich nicht an, ist aber in der Tat auch anders auszulegen.


> >    Kinder sollen ihre Eltern als Autorität anerkennen. (Vers 12)
> 
> Positiver interpretiert:  Vergiss nicht die selbstlose Liebe, die deine
> Eltern dir haben zuteil werden lassen!

Hm, schön und gut. Aber was ist mit Eltern, die nicht selbstlose Liebe
schenken? Darf ich die anklagen, verfluchen, mich gegen die auflehnen?
Gott beantwortet das (laut AT) nur wenige Verse nach dem Gebot: "Wer
seinen Vater oder seine Mutter verflucht, wird mit dem Tod bestraft."
(Exodus 21, 17; Gott beauftragt Mose, diese Vorschrift den Israeliten
vorzulegen. Vgl. auch Exodus 21, 15.)
   Die Aussage des Gebotes erscheint mir eindeutig: Die Elternautorität
soll absolut unantastbar sein. Aus dem "sollen", das für Simone so
wichtig war, ist hier "plötzlich" eine Strafandrohung geworden.


> >    Arme sollen den Reichtum (das Eigentum) der Reichen anerkennen.
> 
> Positiver interpretiert:  denke zuerst an die Leistung, die hinter dem
> Reichtum anderer (mehr oder weniger) steckt

Diese Aussage kann ich den Zehn Geboten nicht entnehmen, auch nicht bei
wohlmeinender Interpretation.
   Ich entnehme Versen 15 und 17: Die Eigentumsverteilung hat nicht
angetastet zu werden. Und das ist sowohl ?000 vor Beginn unserer
Zeitrechnung ungerecht, als auch 2000 nach.

>und nehme ihn als einen Ansporn, selber etwas zu leisten!

Das mochten Autoritäten schon immer, wenn die Menschen versuchten,
wirtschaftlich etwas zu leisten ;-)


> >    (Verse 15 und 17)
> >    Das Autoritäts- bzw. Abhängigkeitsverhältnis von Ehefrauen, Knechten
> > und Mägden (bzw. SklavInnen - je nach Übersetzung) wird festgeschrieben.
> > (Vers 17)
> 
> Einige Verse spiegeln ein wenig die damaligen gesellschaftlichen
> Gegebenheiten wieder.

Patriarchat und Lohnabhängigkeit gibt's immer noch; wenn auch -
zumindest in Mitteleuropa - nicht mehr ganz so kraß.

>Das hat nichts mit Festschreiben zu tun.

Die katholische Kirche beruft sich auch in Emanzipationsfragen immer
noch auf Jahrtausende alte Schriften; und die kath. Kirche ist nun nicht
gerade eine unbedeutende Splittergruppe. Scheint doch ganz schön
festgeschrieben zu sein ...


> Ueberdies gehoert die Ehe noch lange nicht auf den Muellhaufen der
> Geschichte

Sehe ich anders, habe ich aber kein Problem mit anderen Meinungen.
   Ein Problem habe ich nur damit, das zahlreiche Privilegien an diese
Institution geknüpft sind und anderen vorenthalten werden.


> und zur Loyalitaet gegenueber dem Versprechen der Kooperation
> gehoert auch ein gewisser Verzicht auf sexuelle Freiheit.

Nicht zwangsläufig. Du betrachtest Eifersucht als Naturgesetz
("Grundtatsache"). Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Eine
verantwortungsvolle und dauerhafte Liebesbeziehung funktioniert auch
ohne Eifersucht und mit sexueller Freiheit. (Äh, Verzicht auf HIV-Schutz
bitte mal nicht als "Freiheit" verstehen.)


> Eifersucht ist eine Grundtatsache, und durch Ehebruch verletzt man den
> "Kooperationspartner" nun mal.

Nicht zwangsläufig. Du schließt von Dir (bzw. der gesellschaftlichen
Mehrheit) auf andere.


> Dass die Ehe in den Vordergrund und
> homosexuelle Beziehungen nicht erwaehnt werden, finde ich auch in
> Ordnung.  Das hat nichts mit Intoleranz zu tun sondern lediglich mit einem
> Vorrang gewisser Lebensformen, fuer den du einen interkulturellen Konsens
> bis hin zu den angeblich haeufig homosexuellen alten Griechen finden
> wirst.

"interkultureller Konsens" ist für mich kein Argument. Die Vorherrschaft
von Männern über Frauen ist auch nach wie vor ein "interkultureller
Konsens", trotzdem bin ich damit nicht einverstanden.
   Einen Vorrang heterosexueller gegenüber homosexuellen Lebensformen
lehne ich ab. "Das hat nichts mit Intoleranz zu tun"? Es klingt so als
wärst Du so tolerant, Schwule schwul und Lesben lesbisch sein zu lassen,
so lange Heterosexualität vorrangig ist. Klingt für mich nicht nach
einem sehr weltoffenen, auf Gleichberechtigung zielendem Weltbild. :-(
   Anmerkung am Rande: Das antike Griechenland war übrigens weniger eine
Hochburg der (männlichen) Homosexualität, sondern eher eine Hochburg von
Vergewaltigungen an Kindern und Jugendlichen beiderlei Geschlechts in
den oberen Gesellschaftsschichten. Normale schwule Beziehungen waren
seltener, als sie es hier und heute sind (so weit es überliefert ist,
versteht sich).


> Funktionierende Familien tragen nun mal mehr zur Gesellschaft
> und zum allgemeinen Wohlstand bei als homosexuelle Gemeinschaften

Wenn Du auf Kinder abzielst: Die gibt es auch außerhalb von Ehe und in
homosexuellen PartnerInnenschaften. BRD-Gesetze benachteiligen
allerdings Erwachsene, die außerhalb der Institution Ehe Verantwortung
für Kinder übernehmen. (Alleinerziehende, unverheiratete heterosexuelle
und noch stärker homosexuelle Paare, PartnerInnenschaften mit mehr als
zwei "Eltern" ...)
   Na ja, und nicht funktionierende "klassische" Familien gibt es nun
auch zu Hauf.

Was soll es sein, das "klassische" Familien zur Gesellschaft beitragen?


> Natuerlich fehlen in den 10 Geboten Regelungen zu allerlei wichtigen
> Grenzfaellen.  Das haben aber Regelungen, die als Grundkonsens fuer
> verschiedene Zeiten und Kulturen taugen sollen, nun mal so an sich.

Ein relativ inhaltsleerer Konsens ist leicht zu finden, aber folgenlos.
Ein inhaltlich präziser Konsens könnte was bringen, ist aber nicht zu
finden. Das war einer (und nicht der wichtigste) Kritikpunkt an Simones
Vorschlag von einer weltweiten Zensurinstitution.


> Ich
> frage mich ueberhaupt, ob man einen weltweite Einheitsregelung zu Themen
> wie Todesstrafe oder Abtreibung braucht.  Warum muss es da eine einzig
> richtige Sichtweise geben?

Es gibt bestimmte Positionen (nicht zuletzt zu Todesstrafe und
Schwangerschaftsabbruch), die ich gerne weltweit sehen würde. Na ja, wer
will das nicht ... das, was er/sie für richtig hält, weltweit umgesetzt
sehen.
   Aber was ich nicht will, ist eine weitere Zentralisierung von
staatlichen Gewalten. (Ich nehme an, das meintest Du auch.) Der Einfluß
einzelner auf die für ihn/sie relevanten Gesetze wird immer geringer,
die Herrschenden werden immer machtvoller (und Macht korrumpiert nunmal
sehr, sehr viele), die Notlösung "Exil" entfällt.


Holger