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Re: 10 Gebote




Hi!

"Neko (Simone Demmel)" schrieb:
>
> Das Problem nur, was ich in diesem Zusammenhang sehe ist, dass wir
> demnaechst zu jeder gesetzlichen Aussage eine 1000++-seitige Ausfuehrung
> aller denkbaren und undenkbaren Faelle haben, mit konkretem sowas oder
> sowasnicht haben. Ich finde das etwas widersinnig.

Ich auch, aber ich finde das ganze Strafverfolgungs- und Justizsystem
nicht gerade ideal.
   Aber wenn wir eins haben, dann muß es auch sowas wie Rechtssicherheit
geben; dann muß ich auch wissen, was geahndet wird und was nicht; und
wenn ich mich für einen Regelverstoß entscheide möchte ich auch wissen,
was wir ggf. droht.


> > Zehn Gebote des Alten Testaments sind m. E. als Grundlage für einen
> > Konsens, der über ein inhaltsleeres "Alle sollen sich gut verhalten"
> > hinausgeht, ungeeignet.
> 
> Warum? Weil sie auf Grund von Uebersetzungen und Interpretationen heute
> nicht eindeutig bei uns ankommen

Wir wissen beide (bzw. alle hier) nicht, was ursprünglich die Zehn
Gebote waren, ob tatsächlich ein höheres Wesen (Gott) sie Moses diktiert
hat, ob Moses sie sich ausgedacht hat, ob ein Schreiber, der nicht Moses
hieß, sie sich ausgedacht hat usw.
   Wir wissen nur, was bis heute überliefert ist. Das allein kann imho
die Grundlage sein, auf der wir die Zehn Gebote diskutieren.

Und mindestens eine der Grundaussagen dieser Zehn Gebote, nämlich die
Autoritätsanerkennung, ist für einen Konsens, bei dem ich beteiligt sein
soll, ungeeignet.


> (Ich weiss nicht, ob sie jemals
> eindeutig waren, bei allgemeinen Lebensrichtlinien brauchts das ja
> eigentlich nicht)?

Was die Zehn Gebote eigentlich waren, wissen wir beide nicht. Aber wenn
wir uns an die Bibel halten, wird es durchaus eindeutig. Den Zehn
Geboten (Exodus 20) folgt das Bundesbuch (Exodus 21): weitere
Vorschriften, die Gott angeblich Moses diktiert hat, damit dieser sie
den Israeliten vorlegt. Das ist _sehr_ eindeutig; z. B.: "Wenn du einen
hebräischen Sklaven kaufst, soll er sechs Jahre Sklave bleiben, im
siebten Jahr soll er ohne Entgelt als freier Mann entlassen werden."
(Exodus 21, 2) Mit konkreten Zeitangaben! Das hat wenig mit "allgemeinen
Lebensrichtlinien" zu tun, sondern klaren Gesetzescharakter. Gleiches
gilt für die Strafandrohungen (übrigens Todesstrafe) in Versen 12
(Totschlag und Mord), 15 (Schlagen von Vater oder Mutter), 16
(Menschenraub), 17 (Verfluchen von Vater oder Mutter) usw. usf.

Nein, wenn ich die Zehn Gebote nicht alleine betrachte, sondern in ihrem
Kontext, dann wird's nur noch schlimmer!


> Ich finde sie naemlich sehr gut.

Was genau denn?
   Der Lehre Jesu von Nazareth kann ich ja durchaus einiges Positive
abgewinnen, aber die Zehn Gebote sind nun wirklich alles andere als toll
- imho.


> tut mir leid, wenn ich Dich beleidigt habe.

Okay.


> > Diese Prinzipien stehen meinen Moralvorstellungen diametral entgegen.
> > Ein hierauf basierender Konsens ist mit mir nicht zu machen.
> 
> Die Formulierungen sind fuerwahr an vielen Stellen sehr einseitig (und
> waren es sicher auch so gemeint, da die allgemeine Vorstellung da noch
> etwas altertuemlich waren ;-) ).

Na ja, aber wenn ich SklavInnen durch Angestellte ersetze, wird's im
Prinzip auch nicht besser. Und über das Frauenbild der (nicht ganz
unbedeutenden) kath. Kirche muß ich Dir vermutlich auch nix erzählen.
Und Eigentumsrechte sollten imho auch in vielen Bereichen prinzipiell
hinterfragt werden - nicht nur, aber vielleicht am deutlichsten sichtbar
in ehemaligen Kolonien. Usw. usf.
   Was ich sagen will: Auch, wenn ich die Zehn Gebote in die heutige
Zeit zu übertragen versuche, bleibt meine grundsätzliche Kritik.


> Man
> kann jetzt alternativ auch die grosse Revolution anstossen und alle
> enteignen etc...

Echt? Kann man? Wie geht das? Es gibt sicherlich viele, die da ein sehr
großes Interesse dran hätten! Das könnte sie und ihre Kinder nämlich vor
dem Krepieren bewahren.
   Ich weiß natürlich, daß Du's anders gemeint hast. Aber wenn wir über
weltweiten (!) Konsens reden finde ich's wichtig darauf hinzuweisen, daß
es nicht überall ein Sozialsystem gibt, das zumindest das biologische
Überleben in der Regel sichert.
   Auch an den hiesigen Eigentumsverhältnissen ist m. E. einiges zu
ändern - aber das müssen wir ja nicht hier diskutieren.


> Ich sehe in dem Paragraphen
> aber eger ein: Nicht neidisch sein, auch wenn ers nicht verdient hat, er
> hat es nun mal und Neid verleitet zu unguten Ideen.

Den Luxus muß ich mir erstmal leisten können. Wenn mein reines Überleben
wirtschaftlich nicht gesichert ist (muß ich jetzt die Milliarden
Betroffenen zählen?), dann ist es wichtiger, Enteignung als legitim und
Reichtum als verwerflich (weil: anderen vorenthalten) zu betrachten. Und
(bevor Du oder andere fragen): Ja, auch ich habe unangemessen viel
Reichtum.

Auch wenn's nicht nur ums Überleben geht, finde ich die Frage nach
gerechter oder ungerechter Besitz- bzw. Eigentumsverteilung richtig und
wichtig. Warum das automatisch als Neid diffamiert wird, weiß ich nicht.
Und ob aus dieser Frage entstehende Ideen gut oder "ungut" sind, kann im
Einzelfall sehr verschieden sein.


> In unserer modernen Gesellschaft (zu Deutsch der Westlichen) besteht
> natuerlich die Tendenz, alle Menschenleben gleich zu achten (es sei
> denn, mein heisst USA, lassen wir die komischen Dinge mal beiseite), in
> einigen anderen Laendern zaehlt ein Menschenleben (und auch gerade das
> einer Frau oder eines Kindes) nichts.

Das stimmt, aber genau da entsteht auch das Problem. Da, wo wir uns
weltweit schon einig sind, haben wir schon einen Konsens, auch wenn er
nicht als solcher festgeschrieben ist. Da, wo wir uns uneinig sind, ist
ein Konsens nicht erreichbar. Wenn wir uns dann doch irgendwann einig
werden, ist es nicht mehr nötig, diesen Konsens in ein "Weltgesetz" zu
schreiben.


> Das ist ein bekanntes Problem was
> sich aber zumindest in allen anderen Faellen bisher im Laufe der Zeit
> und Entwicklung von selbst geloest hat.

Hm, ganz so optimistisch bin ich nicht.
   "Von selbst" haben sich solche Probleme selten gelöst, meist mußten
viele Kämpfe (und auch Revolutionen) vergehen, viele Menschen leiden und
sterben, bevor Menschenrechte gegenüber der jeweiligen Herrschaft
durchgesetzt werden konnten. Was nicht heißen soll, daß das zwangsläufig
immer so sein muß, aber allzu optimistisch bin ich da nicht.


> >    Ehebruch wird verstanden als "der Beischlaf eines Ehegatten mit einer
> > dritten Person während bestehender Ehe" 1). Worin Du da die Möglichkeit
> > sexueller Freiheit siest, bleibt mir unklar. Als Lesetip zum Thema: In
> 
> Gehoert sich  ja auch nicht... :-) Was soll denn der flasche Vater mit
> dem falschen Kind anfangen?

(Ich weiß nicht genau, wie weit die Ironie gehen sollte ... ich nehme
mal alles nach dem Emoticon ernst.)

Wieso falsch? Da ist ein Kind; unbeschreiblich toll und liebenswert;
erstmal bereit, alle zu lieben, die sich um es kümmern. Bereit, den
sozialen Vater zu lieben, von ihm zu lernen, ... es macht sich erstmal
keine Gedanken um biologische Vaterschaft, es ist (neben enormer
Nervenbelastung, die gerade in "klassischen" Familien meist der Mutter
überlassen bleibt; und neben wirtschaftlicher Belastung - da sind wir
wieder bei der Eigentumsfrage) ein unbezahlbarer Gewinn an Glück und
Freude.
   Wie kann dieses Kind ein "falsches" sein???


> und erwer muss
> jetzt das kleine versorgen?

Auch wieder 'ne Frage von wirtschaftlicher Verteilung. Kinder- und
Erziehungsgeld ist auch in der BRD lachhaft, von den USA usw. mal ganz
zu schweigen.
   Oder meintest Du nicht wirtschaftliche Versorgung, sondern das
Einbringen von Zeit und Gefühl? Bei den Vätern "klassischer" Familien
sieht's da meistens nicht allzu gut aus, Kinderversorgung ist praktisch
immer noch "Frauensache". Ansonsten sehe ich das Einbringen von Zeit und
Gefühlen für ein Kind weniger als ein "Muß", sondern eher als ein
"Darf". Ich freue mich, mich um die Kleine meiner Liebsten kümmern zu
können!


> [...] und was machen wir mit der Mutter?

Mehr Kinder- / Erziehungsgeld zahlen, mehr KiTas einrichten usw., damit
sie frei entscheiden kann, wie sie mit dem Kind umgehen will, und nicht
aus Not einen Mann heiratet, den sie nicht heiraten will?! Wie es mit
finanziellen Ansprüchen gegen "Erzeuger aber nicht Väter" aussieht, weiß
ich nicht genau, darum äußere ich mich dazu nicht.


> Du siehst, fremd gehen macht nur Aerger

Sehe ich nicht. Meine eigene Erfahrung spricht dagegen.

> besonders, wenns schief geht.

Mit "schief geht" meinst Du hier wohl ungewollte Schwangerschaft.
Ungewollte Schwangerschaften gibt's nicht nur bei außerehelichem Sex von
Verheirateten, sondern auch bei unehelichem Sex oder bei Sex innerhalb
einer Ehe. "Sitzenlassen" gibt es mit oder ohne Ehe. Konsequenz daraus
ist für mich die Forderung nach mehr Rechten und auch finanziellen
Ansprüchen für die Frau - unabhängig von Ehe.
   (Und natürlich die Forderung nach mehr Verantwortung für die
Verhütung durch Männer - aber das ist eine gesellschaftliche, keine
gesetzliche Frage. Und die Forderung nach der Zulassung der "Pille"
(oder Spritze) für Männer - aber das ist eher ein Nebenaspekt.)


> >    Mehr als eine leere und wertlose Absichtserklärung wird nur daraus,
> > wenn wir die Punkte berücksichtigen, über die keine Einigkeit besteht.
>
> Wie soll ich sagen? In Deutschland haben wir uns ja auch auf eine
> Variante geeinigt - zumindest fuer die Rechtssprechung.

Ich habe mich nicht geeinigt. Ich bin in vielen Punkten mit der
Gesetzgebung nicht einverstanden. Von einem Konsens kann daher keine
Rede sein.


> Das muesste auch weltweit gehen.

Weltweite Gesetze != weltweiter Konsens. Daher bedeuten weltweite
Gesetze:
 - Noch geringerer Einfluß einzelner auf die ihn/sie betreffenden
Gesetze.
 - Noch mehr (meist korrumpierende) Macht der Herrschenden in der
"Weltregierung".
 - Keine Möglichkeit mehr, im Extremfall auszuwandern.

Das Gefahrenpotential einer globalen Legislative ist m. E. enorm! Ich
werde niemals mit so etwas einverstanden sein. - Sorry, kein Konsens.


> Ich glaube, die zwei [Gebote; "Lügen" und "Töten"; HV],
> die da letztendlich uebrig bleiben, sind die
> Wichtigsten. hier koennte ich mir tatsaechlich einen weltweiten Konsens
> vorstellen (auch wenn der Kampf mit den USA gegen die Todesstrafe hart
> wird

Als Gott laut Bibel zu Moses spricht, ist die Todesstrafe ausdrücklich
vorgesehen. (Sogar für "Äußerungsstraftaten" wie das Verfluchen der
eigenen Eltern.) Das ist direkt im Anschluß an die Zehn Gebote
nachzulesen (Exodus 21), ein Übersetzungsfehler ist imho ausgeschlossen.
   Hm, von den "Wichtigsten" zwei von zehn Geboten fällt eines auch noch
wegen "anders gemeint, als wir es wollen" weg. Bleibt nur noch eines
übrig. Noch dazu ein Gebot ("nicht falsch gegen andere aussagen"), das
kein allzu schwerwiegendes "Vergehen" behandelt. Eine sehr schwache
Bilanz, finde ich.


> - was wuerde bei denen [USA; HV] in einer Abstimmung [über
> Todesstrafe; HV] rauskommen?

Umfragen zufolge: In den USA wie in der BRD ein "Ja" zur Todesstrafe :-(


> > Widerlich ist für mich die
> > herrschaftsstabilisierende Grundtendenz der Zehn Gebote.
> 
> Ich glaube nicht, dass diese Gesetze urspruenglich diese Aussage haben
> sollten [...]

Ich glaube schon. Was spricht dagegen?


> Ich glaube, dass die Aussage [der 10 Gebote; HV]
> damals eine sehr friedliche solche war.

Nein. "friedlich" nur im Sinne von: Du sollst die Herrschenden / die
Reichen / die Autoritäten nicht angreifen.
   Nicht friedlich, weil Gott in den Zehn Geboten unmißverständlich
Strafe (und zwar auch noch Strafe für Söhne und die 3. und 4.
Generation) androht - auch hier halte ich Übersetzungsfehler für
ausgeschlossen. Nicht friedlich, weil in den Konkretisierungen (Exodus
21) die Menschen bzw. Israeliten zu Todesstrafe aufgefordert werden.
Usw. usf.


> Aber ich fuerchte, dass
> das niemand mehr nachpruefen koennen wird.

Wir können uns nur (positiv oder negativ) auf das überlieferte Material
beziehen. Wenn Du aussagen wolltest: "Ich beziehe mich auf die Zehn
Gebote, aber nicht so, wie sie uns überliefert sind, sondern so, wie
Gott sie Moses diktiert hat.", dann würde ich Dich bitten zu schreiben,
wie die Zehn Gebote "eigentlich" lauten. Einfach für Menschen wie mich,
die keinen direkten "Draht" zu Gott haben.
   (Ja, das war jetzt auch etwas polemisch gegen Dich, das gebe ich zu.
Aber es ärgert mich, wenn Leute sich auf etwas beziehen, und hinterher
behaupten, sie würden etwas ganz anderes meinen als das, was da zu lesen
ist.)


> Eine
> friedliche Auslegung der Gebote

Da weiß ich immer noch nicht, wie manche zu einer solchen Auslegung
kommen. In den uns überlieferten Geboten ist von Strafe und Eifersucht
die Rede, von Strafe auch für an sich unschuldige Kinder (bzw. Söhne)
und Besitzansprüchen gegenüber Menschen.
   Wenn ich die Zehn Gebote nicht nur für sich nehme, sondern nur ein
(!) Kapitel weiterlese in der Bibel, dann kommt auch noch die
Aufforderung zu Todesstrafe dazu.
   Wie sich das ganze friedlich auslegen läßt, ist mir ehrlich
schleierhaft.


> (also nicht diese gewalttaetige, die
> aus fast jedem Gebot irgendwelche erlaubten Grausamkeiten ableitet)

Genau das tut die Bibel. Siehe Exodus 20 und 21. Da steht was von
Strafe, von Strafe auch für an sich unschuldige Nachkommen, von
Eifersucht, von Besitzansprüchen gegenüber Menschen, von Todesstrafe. Da
muß ich nix auslegen, das lese ich so Schwarz auf Weiß.


> (Ich spreche [...] von
> gemaessigtem, bewussten Umgang mit seiner Umwelt)

Je nachdem, ob wir das Maß aus "gemäßigt" gleich ansetzen, sind wir da
völlig einer Meinung.
   Nur kann ich eine solche Aufforderung Exodus 20 nun wirklich nicht
entnehmen. Da steht nichts von "bewusst", da steht was von gehorchen,
ohne Widerspruch, ohne zu Hinterfragen, ohne Dir auch nur ein Bild zu
machen! Das ist für mich das absolute Gegenteil, wenn ich mir noch nicht
einmal ein Bild machen darf von der Institution, die mir Vorschriften
machen will.


> > Deine Vorwürfe ("krankhaft", "wiederlich") finde ich unangemessen.
> 
> Ich koennte jetzt das gleiche schreiben wie Du ...

Ja, ich weiß, ich bin auch nicht immer sehr sensibel mit meiner Wortwahl
- gerade im Austausch mit Leuten, die ich nicht persönlich kenne.
   Darum schreibe ich's nochmal: Ich will Dich nicht persönlich
angreifen, sondern Deine inhaltliche Position in dieser
Auseinandersetzung. Wenn etwas Dich persönlich beleidigt oder verletzt:
Das ist nicht meine Absicht und tut mir leid!


> So, aber ich klinke mich jetzt aus, Weihnachtsgeschenke bauen ;-)

Oh, selbstgebaute Geschenke sind meist die Allerschönsten!


Holger