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Re: SWPAT: Technikbegriff im Detail



> Der FFII-Vorschlag für eine Novellierung von Art 52.1 EPÜ lautet
> 
>   "Europäische Patente werden für Erfindungen vergeben.
>   Eine Erfindung verkörpert eine Lehre, wie man Naturkräfte auf neue Weise
>   zur unmittelbaren Verursachung eines nach bisherigem Wissensstand nicht
>   rechnerisch vorhersehbaren Erfolges bei der Herstellung materieller
>   Güter einsetzt."

Eine etwas weniger radikale Variante, die ebenfalls genügt, um
Computerprogramme auszuschließen, lautet:

  Eine Erfindung verkörpert eine Lehre, wie man Naturkräfte auf neue Weise
  zur unmittelbaren Verursachung eines nicht naheliegenden Erfolges bei
  der Herstellung materieller Güter einsetzt.

Hiermit werden z.B. die gestern angeführten trivialen mechanischen
Innovationen nicht unbedingt ausgeschlossen.  Das "Drucken von Tinte auf
Papier nach Erzeugen eines Einkaufszettels aus einem Kochrezept" u.ä. wird
jedoch an der Forderung nach "unmittelbarer
Verursachung" scheitern.  Kolle leitet in seinem Artikel von 1977

	http://swpat.ffii.org/vreji/prina/grur-kolle77de.html

den Ausschluss von Programmen und Algorithmen aus eben diesem
Unmittelbarkeitsprinzip her.  Das Drucken der Tinte ist zwar ein
Naturkräfteeinsatz und er ist auch kausal gesteuert, aber das Ergebnis ist
nicht unmittelbare Folge der erfindungsrelevanten Handlung.  Welche Tinte
der Drucker verwendet und wie er druckt ist nämlich von der
Erfindungslehre unabhängig.

Die Antiblockiersystem-Lehre wiederum enthält eine Anweisung zur
unmittelbaren Erzeugung eines physischen Effektes.  Der Fall ähnelt dem
einer neuen Gebrauchsanweisung für bestehende Apparate.  Das ist eine
seit vor den 70er Jahren altbekannte Grenzfall-Kategorie.  Dabei wurde
immer streng untersucht, ob in der Art des Naturkräfte-Einsatzes etwas
neues liegt oder nur der bestimmungsgemäße Gebrauch von der Maschine
gemacht wird, um eine außerhalb des Naturkräfte-Bereiches liegende neue
Idee zu verwirklichen.   Besondere Strenge ist deshalb angesagt, weil eine
Gebrauchsvorschrift wesentlich abstrakter als etwa eine neue Apparatur
ist, und weil ihre Patentierung in die Freiheit des Werkers eingreift.
Selbst dann, wenn ein Gebrauchsanweisungs-Patent erteilt wurde, war es
immer selbstverständliche, dass nur der Prozess, nicht aber die
Gebrauchsvorschrift als solche das Patent verletzt.  Ein Computerprogramm
ist nichts anderes als eine Gebrauchsanweisung.

Auch das kann man auch bei Kolle (1977)

	http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-kolle77de.html

nachlesen.

M.E. sollte man in Grenzfällen wie ABS / Gebrauchsanweisung die radikalere
Regel anwenden:  der erzielte physische Erfolg darf nach bisherigem
Wissensstand nicht rechnerisch vorhersehbar gewesen sein.  Das
"Unmittelbarkeitsprinzip" alleine scheint mir hier eine Grauzone offen zu
lassen.  Ich bin mir diesbezüglich aber noch nicht sicher.

Der Computerprogramm-Ausschluss in Art 52.2c muss als ein Ausschluss
"software-implementierter Erfindungen" in AHHs Sinne gelesen werden.  Ob
die Ansprüche implementationsunabhängig formuliert werden, spielt keine
Rolle.  Ansprüche sind nur dann gültig, insoweit die Implementation
nacharbeitbar ist.  Zumindest die Patentbeschreibung muss also lehren, wie
die Funktion umgesetzt wird.  Dadurch wird die zu patentierenden
"Erfindung" erst definiert.  Wird der Funktionsanspruch über ein
Computerprogramm implementiert, so *ist* die Erfindung ein
Computerprogramm und somit nicht patentierbar.

M.E. sind Funktionsansprüche, wie bei Swpat üblich, ohnehin ein
missbräuchlicher Auswuchs des Patentwesens.  Solche Ansprüche decken
unendlich viele unabhängige innovative Leistungen ab.  Ein Anspruch sollte
nicht ein Problem sondern eine Lösung angeben, die wiederum einen
Naturkräfte-Kausalzusammenhang beschreibt.  Auch das sind gute alte
Prinzipien des Patentwesens, die man bei Benkard 1988 nachlesen kann.
Darauf komme ich ein anderes mal zurück.

-phm