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Sprachanalyse-Pingpong
- To: debate@fitug.de
- Subject: Sprachanalyse-Pingpong
- From: PILCH Hartmut <phm@a2e.de>
- Date: Tue, 26 Dec 2000 02:54:38 +0100 (CET)
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- Sender: owner-debate@fitug.de
---------- Forwarded message ----------
Date: Tue, 26 Dec 2000 02:44:15 +0100 (CET)
From: PILCH Hartmut <phm@a2e.de>
To: swpat@ffii.org
Subject: Sprachanalyse-Pingpong
Der BGH (10. Zivilsenat, Swpat-Experte Melullis) hat bekanntlich mit dem
Urteil "Sprachanalyse" den Geist des PatG/EPÜ weit hinter sich gelassen und
sogar tendentiell das EPA überholt.
Man findet jetzt unter
BGH, Beschluss vom 11.05.2000, X ZB 15/98
http://jurpc.de/rechtspr/20000137.htm
eine schwindelerregende BGH-Argumentation und unter
Bundespatentgericht, Beschluß vom 07.05.98 (17 W(pat) 55/96)
http://rw22big3.jura.uni-sb.de/jurpc/rechtspr/19990040.htm
das erfrischend logische Urteil des 17. Senates des BPatG, welches der BGH
umstieß.
Man kann sehen, wie BPatG nach Kräften jede logische Lücke in der
BGH-Rechtsprechung nutzt, um für die Technizität ein Stückchen Boden zu
gewinnen und die unsäglichen Ansprüche auf die "technischen Effekte" von
Programmierlösungen abzuschmettern. Aber jedesmal wird er vom BGH
zurückgepfiffen.
Ich kann mir das nicht so ganz zusammenreimen. Melullis erklärte in Berlin
öffentlich, er habe "große Angst davor, dass hier so etwas wie die Idee des
Textverarbeitungsprogramms patentiert wird".
Aber was ist jene "Sprachanalysevorrichtung" anderes als eine "Idee des
Textverarbeitungsprogramms"?
Das vorliegende Patent blockiert den Einsatz von Gewichtungskriterien jedweder
Art bei der Präsentation einer Auswahlliste möglicher syntaktischer
Interpretationen eines eingegebenen Satzes.
Ich kann mir das nur so erklären: beim vorliegenden Fall ist die beanspruchte
"Vorrichtungserfindung" so naheliegend, dass man sogar mit dem Kriterium der
erfinderischen Tätigkeit dagegen vorgehen kann.
Das Programm mag erfinderischer sein, aber dadurch, dass nur eine Vorrichtung
beansprucht wird, bleibt die (auf programmierendem Gebiete liegende)
Problemlösung völlig offen. D.h. auf die Programmierlösungen wird nach wie
vor kein Patent erteilt, und die blutleere Vorrichtungslösung scheitert an
ihrer Trivialität. So könnte jedenfalls ein Ausweg lauten. Allerdings
ist das eine sehr optimistische Sicht. Zunächst erzeugt der BGH eine
Begriffsverwirrung, die fast jede beliebige Entwicklung möglich macht.
Melullis scheint eine eigensinnige Figur zu sein, derer sich die Geschichte in
einer Übergangszeit bedient.
Hier die Sicht des BPatG zur "Sprachanalysevorrichtung":
Eine Dialog-Sprachanalyseeinrichtung für natürliche Sprache mit einem
Bewertungsblock und einer Bevorzugungs-Analyseeinrichtung hat keinen
technischen Charakter und ist damit nicht patentfähig.
...
Der geltende Anspruch 1 vom 7. Mai 1998 lautet:
"Sprachanalyseeinrichtung vom Dialogtyp mit:
a) einer Satzeingabeeinrichtung (1), die der Eingabe eines zu
analysierenden Textes in einer Sprache dient, wobei ein Satz des
Textes aus syntaktischen Einheiten besteht,
b) einer Wörterbucheinrichtung (4), in der syntaktische Einheiten
gespeichert sind, und der Attribute für syntaktische Einheiten
entnehmbar sind,
c) einer Grammatikeinrichtung (5), die die für die Sprache des
Textes möglichen linguistischen Beziehungen zwischen syntaktischen
Einheiten, denen jeweils ein Attribut zugeordnet ist, bereitstellt,
wobei der Inhalt der Wörterbucheinrichtung (4) und der
Grammatikeinrichtung (5) in einem Speicher gespeichert ist,
d) einer Feststelleinrichtung (2), die mittels der
Wörterbucheinrichtung den Satz in syntaktische Einheiten aufteilt
und für jede syntaktische Einheit mögliche Attribute feststellt und
mittels der Grammatikeinrichtung. anhand der als möglich erkannten
Attribute alle möglichen linguistischen Beziehungen zwischen den
Attributen, die jeweils einer syntaktischen Einheit zugeordnet
sind, feststellt, wobei jede auf diese Weise festgestellte mögliche
linguistische Beziehung zwischen den syntaktischen Einheiten des
Satzes eine Kandidatenbeziehung darstellt, die möglicherweise
korrekt ist, und
e) einer Dialog-Auswahleinrichtung (9) mit der im Dialog mit einem
Benutzer, wenn für eine syntaktische Einheit mehr als eine
Kandidatenbeziehung möglich ist, eine korrekte Beziehung aus den
Kandidatenbeziehungen basierend auf einer Befehlseingabe von einer
Betriebseinheit ausgewählt werden kann,
gekennzeichnet durch
f) einen Bewertungsblock (8), der die Kandidatenbeziehungen
dahingehend bewertet, ob sie eine höhere oder geringere
Wahrscheinlichkeit haben, korrekt zu sein, und durch
g) eine Bevorzugungs-Analyseeinrichtung (10), die, wenn für mehrere
Kandidatenbeziehungen keine klärende Auswahl über die
Dialog-Auswahleinrichtung getroffen wurde, die durch den
Bewertungsblock als wahrscheinlichste bewertete Kandidatenbeziehung
als korrekt auswählt."
...
1. Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist eine
Sprachanalyse-Einrichtung, in die über eine Satzeingabeeinrichtung,
bspw eine Tastatur oder einen optischen Zeichenleser (vgl S 4, Z 21f
der DE 40 15 905 A1), Sätze eingegeben werden können. Abs. 14
Aus einem eingegebenen Satz werden von einer Feststelleinrichtung
unter Zuhilfenahme der Inhalte einer Wörterbucheinrichtung die
syntaktischen Einheiten (Wörter, Wortendungen, Wortgruppen oä, vgl
Anspruch 13) festgestellt und die jeweils hierzu möglichen Attribute
(Wortarten, zB Substantiv, Verb, vgl Anspruch 14) ermittelt. Abs. 15
Die Feststelleinrichtung verwendet die ermittelten Attribute und die
in einer Grammatikeinrichtung für die Sprache des Textes gespeicherten
linguistischen Beziehungen (Grammatikregeln, vgl Anspruch 15), um alle
möglicherweise korrekten Beziehungen zwischen den syntaktischen
Einheiten (Kandidatenbeziehungen) zu ermitteln. Abs. 16
Wird mehr als eine möglicherweise korrekte Kandidatenbeziehung
ermittelt, werden die in Frage kommenden Beziehungen auf einer
Dialog-Auswahleinrichtung (bspw Anzeigeeinheit, vgl S 4, Z 34 - 38)
einem Benutzer angezeigt, worauf dieser die korrekte Beziehung
auswählen kann.
Insoweit entspricht die in den Merkmalen a) bis e) dargestellte
Arbeitsweise der Sprachanalyseeinrichtung derjenigen, die von der
Anmelderin als bekannt angenommen und in der Beschreibungseinleitung
erläutert ist. Abs. 17
Um die Analyseleistung solcher bekannter Einrichtungen zu verbessern
und die Zahl der dem Benutzer vorzulegenden Fragen zu reduzieren (vgl
ua S 3, Z 61 - 64 der DE 40 15 905 A1), wird von der Anmelderin die
Modifikation einer solchen Sprachanalyseeinrichtung gemäß den
Merkmalen f) und g) vorgeschlagen. Abs. 18
Danach wird ein Bewertungsblock vorgesehen, der alle möglicherweise
korrekten Beziehungen mit einer Wahrscheinlichkeit versieht. Nach
welchen Gesichtspunkten die Wahrscheinlichkeiten vergeben werden, läßt
der Anspruch 1 offen. In den Unteransprüchen sind hierzu mehrere
Möglichkeiten aufgezeigt, bspw. können die Wahrscheinlichkeiten fest
zugeordnet sein (vgl Anspruch 4) oder unter Rückgriff auf frühere
Entscheidungen eines Benutzers bestimmt werden (vgl Anspruch 2).
Sofern ein Benutzer unter den ggf angezeigten mehreren möglichen, aber
nicht eindeutigen Kandidatenbeziehungen keine klärende Auswahl
vornimmt, wählt eine Bevorzugungs-Analyseeinrichtung selbsttätig
diejenige mögliche Kandidatenbeziehung als korrekt aus, für die vom
Bewertungsblock die höchste Wahrscheinlichkeit ermittelt wurde. Abs.
19
Insgesamt gesehen, kann dem Patentanspruch 1 entnommen werden, daß die
Anzahl der selbsttätigen Entscheidungen einer Sprachanalyseeinrichtung
dadurch erhöht werden kann, daß den nach grammatikalischen Regeln
nicht eindeutig bestimmbaren Kandidatenbeziehungen jeweils eine
Wahrscheinlichkeit zuzuordnen ist, wobei die mit der höchsten
Wahrscheinlichkeit dann ausgewählt wird, wenn der Benutzer selbst
keine Entscheidung trifft. Abs. 20
Der Senat zieht nicht in Zweifel, daß mit den vorgeschlagenen
Maßnahmen eine Verbesserung der Arbeitsweise von
Sprachanalyseeinrichtungen im Sinne einer Steigerung der Anzahl der
selbsttätig und zutreffend vorgenommenen Satzanalysen erreicht werden
kann. Abs. 21
Das BPatG nutzt noch einmal die Unlogik bisheriger BGH-Entscheidungen, um die
angeblich verworfene Kerntheorie mit den Argumenten des BGH noch einmal durch
die Hintertür einzuführen. Recht elegant und klar:
2. Die von der Anmelderin mit dem Patentanspruch 1 beanspruchte
Weiterbildung einer Sprachanalyseeinrichtung beruht nicht auf
technischer Leistung. Abs. 22
a) Aus dem Umstand, daß der Anspruch 1 auf eine Einrichtung bezogen
ist, ergibt sich nicht schon allein, daß dessen Gegenstand dem Kreis
der patentfähigen Erfindungen zuzurechnen ist. Abs. 23
Die Anmelderin macht geltend,
daß mit der von ihr gewählten Fassung des Anspruchs 1 zweifelsfrei zum
Ausdruck gebracht werden solle, daß sie nicht Schutz für einen
bestimmten Algorithmus zur Sprachanalyse beanspruche, sondern für eine
Einrichtung, die eine Sprachanalyse in der angegebenen, verbesserten
Form selbsttätig durchführe und der deshalb technischer Charakter
zukomme. Abs. 24
Bei verständiger Würdigung ist davon auszugehen, daß die Anmelderin
diese Patentkategorie nicht lediglich als "sprachliche Einkleidung"
gewählt hat, um möglicherweise aus dem in § 1 Abs 2 PatG genannten
Negativkatalog der "insbesondere nicht" als Erfindungen angesehenen
Gegenstände oder Tätigkeiten zu fallen. Mit der Fassung des
Patentanspruchs 1 beansprucht die Anmelderin tatsächlich Schutz für
eine Einrichtung, die eingegebene Sätze in ihrer grammatikalischen
Struktur analysiert.
Die Einrichtung nach dem Patentanspruch 1 ist aber nicht schon deshalb
dem Kreis der patentfähigen Erfindungen zuzurechnen, weil sie nicht im
Negativkatalog des § 1 Abs 2 PatG genannt ist. Denn die dort genannten
Gegenstände oder Tätigkeiten stellen keine abschließende Aufzählung
der nicht patentfähigen Erfindungen dar. Nach ständiger
höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl BGH in GRUR 1992, 36, 38
insbes. d) mit weiteren Hinweisen "Chinesische Schriftzeichen") wird
Patentschutz nur für Erfindungen auf dem Gebiet der Technik gewährt.
Abs. 25
b) Unter Hinweis auf die ebenfalls eine Einrichtung betreffende
Entscheidung "Tauchcomputer" hat die Anmelderin geltend gemacht, daß
dort ausgeführt sei, daß bei Erfindungen, die technische und
nichttechnische Merkmale umfaßten, der gesamte Erfindungsgegenstand zu
berücksichtigen sei und der technische Charakter der selbsttätig
arbeitenden Einrichtung auch deshalb anerkannt werden müsse. Abs. 26
In der genannten Entscheidung hat der BGH ausgeführt, daß dann, wenn
der Anspruchsgegenstand (bzw eine Erfindung) technische und
nichttechnische Merkmale enthält, bei der Prüfung "auf erfinderische
Tätigkeit der gesamte Anspruchsgegenstand unter Einschluß einer
etwaigen Rechenregel" zu berücksichtigen sei (vgl GRUR 1992, 430,
Leitsatz 3). In Hinblick auf die Bewertung des technischen Charakters
führt der BGH dort aus, daß die Betrachtung eines
Erfindungsgegenstandes nicht zu einseitig auf eine neuartige
Berechnung fixiert sein dürfe, sondern die "gesamten technischen
Mittel" gebührend in Betracht gezogen werden müßten (vgl aaO, 431,
5.b).
Andererseits hat der BGH in der ein Verfahren zur Eingabe chinesischer
Zeichen in Textsysteme betreffenden Entscheidung "Chinesische
Schriftzeichen" dargelegt, daß für den technischen Charakter des
Gegenstandes des Patentanspruchs 1 entscheidend ist, was "im
Vordergrund des Anmeldungsgegenstandes" steht bzw der beanspruchten
Lehre "das entscheidende Gepräge" gibt (vgl BGH GRUR 1992 36 38,
Abschnitt f). Abs. 27
Der Senat schließt aus diesen höchstrichterlichen Ausführungen, daß es
für die Bewertung des technischen Charakters eines
Anspruchsgegenstandes weder zutreffend ist, stets von der Gesamtheit
aller genannten Merkmale auszugehen (abweichend von BPatG GRUR 1987,
799 "Elektronisches Stellwerk"), noch allein auf eine etwa vorhandene
neuartige Berechnungsregel (Algorithmus, Programm) abzustellen. Er
hält auch eine Gewichtung einzelner Merkmale gegeneinander für nicht
geeignet, um zu einer sachgerechten Bewertung eines
Anspruchsgegenstandes zu kommen.
In Anlehnung an weitere Ausführungen in "Chinesische Schriftzeichen",
geht der Senat daher davon aus, daß ein Anspruchsgegenstand, der
technische und nichttechnische Aspekte umfaßt, jedenfalls dann eine
patentfähige Erfindung angibt, wenn er einen Beitrag zum Stand der
Technik enthält (dh eine technische Lehre), sofern dieser (technische)
Beitrag auch die weiteren Patentierungsvoraussetzungen erfüllt,
insbesondere auf erfinderischer Leistung beruht (vgl aaO 38, d mit
weiteren Hinweisen, auch die von der Anmelderin eingereichte
Entscheidung der Beschwerdekammer 3.5.1 des EPA, T236/91, Abschnitte
6.2 u 6.5 "technical contribution").
Dies erscheint dem Senat schlüssig; denn andernfalls würde ein
Erfinder für eine Leistung belohnt, die entweder nicht auf technischem
Gebiet liegt, oder mit der der bestehende Stand der Technik nicht um
eine erfinderische Leistung bereichert würde. Wird ein in seiner
Gesamtheit gesehen zweifellos technisches Gerät bspw lediglich in
ästhetischer Hinsicht (dh durch einen nichttechnischen Beitrag)
weitergebildet, so kann hierin keine technische Erfindung erkannt
werden. Aus der von der Anmelderin für den Anspruch gewählten
Kategorie kann also noch nicht auf den technischen Charakter des
Anspruchsgegenstandes geschlossen werden. Abs. 28
...
Hier nutzt das BPatG die letzten Ansätze zur Technizitätsbeurteilung, die
in Urteilen wie Tauchcomputer (1992) und in der derzeitigen EPA-Praxis noch
vorhanden sind. Aber während das EPA den "technischen Charakter" bei der
Prüfung der erfinderischen Tätigkeit schwammig lässt, wendet das BPatG den
überlieferten präzisen Begriff an.
Der 10. Zivilsenat des BGH antwortet hierauf schon fast rügend und reißt
gründlich alle Dämme nieder, mit denen das BPatG künftig noch die Patentierung
von auf Universalcomputern realisierten geistigen und organisatorischen
Innovationen verhindern könnte. Der BGH geht damit weiter als das EPA, mehr
s. unten.
Die Leitsätze lauten:
a) Einer Vorrichtung (Datenverarbeitungsanlage), die in bestimmter
Weise programmtechnisch eingerichtet ist, kommt technischer Charakter
zu. Das gilt auch dann, wenn auf der Anlage eine Bearbeitung von
Texten vorgenommen wird.
b) Für die Beurteilung des technischen Charakters einer solchen
Vorrichtung kommt es nicht darauf an, ob mit ihr ein (weiterer)
technischer Effekt erzielt wird, ob die Technik durch sie bereichert
wird oder ob sie einen Beitrag zum Stand der Technik leistet.
c) Dem technischen Charakter der Vorrichtung steht es nicht entgegen,
daß ein Eingreifen des Menschen in den Ablauf des auf dem Rechner
durchzuführenden Programms in Betracht kommt.
Die BGH-Richter geben folgenden Argumenten des Patentanmelders recht:
b) Die Rechtsbeschwerde greift die Auffassung des Bundespatentgerichts
an, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 der im Streit stehenden
Anmeldung nicht technisch sei. Zwar habe das Bundespatentgericht
zutreffend gesehen, daß dieser Gegenstand als Vorrichtung nicht von
den Patentierungsausschlüssen nach § 1 Abs. 2 PatG erfaßt werde. Die
mit der Lehre des Streitpatents verbundene Informationsreduktion
(Entropieverminderung) erfordere auch eine aktive, energieaufwendige
Verarbeitung durch die Einrichtung, z.B. einen Computer. Eine
selbständig arbeitende, zur Umsetzung der technischen Lehre
energieverbrauchende Einrichtung sei technisch. Abs. 9
Die Rechtsbeschwerde beanstandet weiter die Auffassung des
Bundespatentgerichts, daß zunächst die nicht technische Leistung eines
Sprachwissenschaftlers erforderlich sei, dem es bekannt sei, bei
Fehlen einer eindeutigen Analyse des Sinngehalts auf statistische
Wahrscheinlichkeit zurückzugreifen, und dessen Erkenntnisse in eine
technische Einrichtung umgesetzt werden müßten. Ein unsinniger Satz
habe keine statistische Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit. Selbst
wenn dem Sprachwissenschaftler die Wahrscheinlichkeitsberechnung
naheliege, fehle jede Anregung, diese nur dann zur automatischen
Auswahl zu verwenden, wenn keine Auswahl mittels der
Dialog-Auswahleinrichtung getroffen werde. Abs. 10
Schließlich meint die Rechtsbeschwerde, das Bundespatentgericht habe
in unzulässiger Weise Argumente aus dem Bereich der erfinderischen
Tätigkeit mit solchen aus dem Bereich der Technizität vermischt sowie
die technische Umsetzung verkannt, die einen technischen Kompromiß
zwischen einer optimalen Textanalyse durch reinen Dialogvorgang und
einer vollautomatischen Textanalyse verkörpere und damit zu einem
suboptimalen Arbeitsergebnis führe. Abs. 11
c) Die auf eine Verletzung der Bestimmung des § 1 PatG gestützten
Rügen der Rechtsbeschwerde erweisen sich im Ergebnis als begründet.
Die Beurteilung des Bundespatentgerichts, mit der dieses das Vorliegen
einer Lehre zum technischen Handeln als Element des Erfindungsbegriffs
verneint hat, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Abs. 12
Sicherlich hat der BGH ein schlechtes Gewissen, weil hier eine Klasse von
Programmierproblemen patentiert wird. Deshalb muss er auch apologetisch
darauf hinweisen, dass man es auch mit Hardware machen könnte:
Wie das Bundespatentgericht festgestellt hat, handelt es sich um eine
Einrichtung, die unter Verwendung einer üblichen
Datenverarbeitungsanlage verwirklicht werden kann, wobei der
Bewertungsblock und die Bevorzugungsanalyseeinrichtung sowohl durch
Hardware als auch durch Software realisiert werden können.
Was ist ein "durch Hardware realisierter Beurteilungsblock" anderes als ein
irgendwie nachträglich festverdrahtetes Computerprogramm. Oder gibt es etwa
eine ganz vom Programmieren unabhängigen, auf mechanischen Naturkräften
beruhenden "Beurteilungsblock"?
Ein Gewissen haben die Richter wenigstens, wenn auch ein schlechtes. Schämen
sich die Herren Richter nicht, solche tautologischen Sätze, wie man sie einem
Herrn Tauchert oder Herrn Pfeiffer auf einer Podiumsdiskussion noch nachsehen
würde, in ein Urteil zu schreiben?
Ebenso falsch ist folgendes:
bb) Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts ist das
Patentbegehren mithin auf eine Vorrichtung (Datenverarbeitungsanlage),
die in bestimmter, näher definierter Weise programmtechnisch
eingerichtet ist, und nicht auf ein Verfahren oder ein Programm
gerichtet. Einer derartigen Vorrichtung kommt entgegen der Auffassung
des Bundespatentgerichts der erforderliche technische Charakter ohne
weiteres zu. Abs. 15
Die Ansprüche mögen auf eine Vorrichtung gerichtet werden, aber die
Problemlösung liegt in einem Computerprogramm. Mit welcher Methode man solche
Einkleidungen von Programmen in Funktionsansprüche zu durchbrechen hat, steht
im Urteil "Dispositionsprogramm" von 1976 und in den Prüfungsrichtlinien des
Deutschen Patentamtes nachzulesen.
Weil die "Sprachanalysevorrichtung" als Maschine eingekleidet wird, ist sie
fraglos als solche zu beurteilen. Ferner werden die Wortbrocken "Programme
für Datenverarbeitungsanlagen" und "als solche" asyntaktisch zusammengefügt,
um den angeblichen Unterschied zwischen ebenjener "Vorrichtung" und dem
geheimnisvollen Ausschlussgegenstand "Programme für Datenverarbeitungsanlagen
als solche" größer erscheinen zu lassen:
Aus diesem Grund und weil es nicht um die Anwendung des
Patentierungsausschlusses für Programme für Datenverarbeitungsanlagen
als solche (§ 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 PatG) geht, kommt es im
vorliegenden Fall auch nicht darauf an, ob, wie es das Europäische
Patentamt bei programmbezogenen Erfindungen als erforderlich ansieht
(EPA T 1173/97 ABl. EPA 1999, 609, 620 f. = GRUR Int. 1999, 1053 -
Computerprogrammprodukt/IBM), ein weiterer technischer Effekt erzielt
wird, der über eine "normale" physikalische Wechselwirkung zwischen
dem Programm und dem Computer hinausgeht (vgl. Melullis, aaO, S. 850).
Erst recht kann es für die Beurteilung des technischen Charakters der
beanspruchten Anlage nicht darauf ankommen, ob diese die Technik
bereichert oder ob sie einen Beitrag zum Stand der Technik leistet.
Auch einer bekannten Vorrichtung, die an sich technisch ist, kann
deswegen, weil sie der Technik nichts hinzufügt, nicht der technische
Charakter abgesprochen werden. Eine Prüfung, ob eine Bereicherung der
Technik eintritt oder ob ein Beitrag zum Stand der Technik geleistet
wird, ist allenfalls und erst bei der Prüfung der Schutzfähigkeit am
Platz, soweit der Wegfall des Patentierungserfordernisses des
technischen Fortschritts für sie überhaupt noch Raum läßt. Abs. 17
Während Melullis in Berlin noch beklagte, dass das EPA die Lehre vom "weiteren
technischen Effekt" nicht ernst genug nehme, hat der BGH sogar dieser Lehre
hier explizit abgeschworen. Die Einkleidung als "Vorrichtung" genügt.
Der BGH geht hier noch weiter. Er macht die Patentierbarkeit explizit von der
Anspruchsformulierung abhängig, verneint also die Notwendigkeit, zu schauen,
wo denn nun die Lösung liegt.
(2) Es bedarf keiner Prüfung der Frage, ob die der Anmeldung
zugrundeliegende Lehre dann als nichttechnisch oder wegen Verstoßes
gegen das Patentierungsverbot in § 1 Abs. 2 Nr. 3 PatG vom Schutz
ausgeschlossen wäre, wenn sie als Verfahrensanspruch oder in Form
eines Programms beansprucht wäre.
Es folgt ein nichtssagender Satz:
Ein generelles Verbot der
Patentierung von Lehren, die von Programmen für
Datenverarbeitungsanlagen Gebrauch machen, besteht, wie sich schon im
Umkehrschluß aus der Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 PatG und der
parallelen Regelung in Art. 52 EPÜ ergibt, nach dem Gesetz jedenfalls
nicht;
Unter "Lehren, die von DV-Programmen Gebrauch machten" könnte zweierlei
verstanden werden:
(1) Lehren für Programmierlösungen
(2) Lehren für technische Prozesse aller Art, sofern sie programmgesteuert
ablaufen können.
Selbstverständlich ist (2) nicht ausgeschlossen. Aber die vorliegende
Sprachanalyse-"Erfindung" gehört in den Bereich von (1)
Im folgenden wird es noch schwammiger. Der BGH schämt sich nicht, windige
Scheinargumente der Patentlobby aufzugreifen und sich zum Gesetzgeber
aufzuschwingen. TRIPS ist nicht geltendes Recht, und wie "Erfindung",
"Technik" und "industrielle Anwendung" zu verstehen sind, obliegt zunächst mal
dem Gesetzgeber. Der wiederum hat gesagt, dass DV-Programme keine Erfindungen
sind. S. auch http://swpat.ffii.org/stidi/trips/
dies wird nunmehr durch Artikel 27 des Abkommens über
handelsrelevante Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPS) bestätigt und
entspricht soweit ersichtlich auch allgemeiner Auffassung in
Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. nur Sen.Beschl. v. 7.6.1977 - X ZB
20/74, GRUR 1978, 102 f. - Prüfverfahren; v. 13.5.1980 - X ZB 19/78,
GRUR 1980, 849 ff. - Antiblockiersystem; BGHZ 115, 11 ff. -
Seitenpuffer; EPA T 1173/97 ABl. EPA 1999, 609, 619 ff. -
Computerprogrammprodukt/IBM; Benkard PatG/GebrMG, 9. Aufl., § 1 PatG
Rdn. 104; Busse, PatG, 5. Aufl., § 1 PatG Rdn. 45; Schulte, PatG, 5.
Aufl., § 1 PatG Rdn. 77; Mes, PatG, § 1 Rdn. 57). Abs. 18
Abschließend fordert der BGH, das BPatG solle lediglich prüfen, ob das
Verfahren neu und "erfinderisch" sei. Vorsorglich wird das BPatG gleich
gewarnt, es dürfe selbst in diesem Zusammenhang nicht prüfen, ob eine
Lehre zum technischen Handeln vorliegt. D.h. selbst der kleine Rest von
Kerntheorie, der sich beim EPA noch gehalten hat, wird vom BGH beseitigt.
Während das EPA noch diesen Herbst auf diese Weise ein als Vorrichtung
verkleidetes Pensionsberechnungsschema als untechnisch ablehnen konnte,
soll dieser Weg dem BPatG verschlossen bleiben.
III. Nach alledem kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand
haben. Sie ist deshalb aufzuheben und die Sache ist zu anderweiter
Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht
zurückzuverweisen (§ 108 Abs. 1 PatG). Dieses wird zu bestimmen haben,
wer der hier maßgebliche Fachmann ist und welche Kenntnisse und
Fähigkeiten ihm zuzurechnen sind, und auf dieser Grundlage zu
beurteilen haben, ob der Gegenstand der mit dem Erteilungsantrag
verfolgten Anmeldung gegenüber dem maßgeblichen Stand der Technik neu
ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht, wobei das Vorliegen einer
technischen Lehre weder indiziell noch präjudiziell herangezogen
werden kann. Abs. 22
Bekanntlich ist das Kriterium der erfinderischen Tätigkeit nicht geeignet,
triviale Erfindungen auszuschließen. Im Falle der vorliegenden
"Sprachanalysevorrichtung" mag es sein, dass dies dennoch gelingt, denn es
handelt sich wirklich nur um eine naheliegende Kombination von zwei
hinreichend bekannten Verfahrensweisen. Vielleicht hat der BGH deshalb an
diesem Fall ein Exempel statuiert. Melullis und andere möchten sich und uns
gerne weis machen, die Erfindungshöhe tauge als Ersatz für die Technizität, s.
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-mellu98/
Für jeden Wandel braucht man einen exemplarischen Fall, bei dem das
tatsächlich funktioniert. In tausend anderen funktioniert es dann nicht. s.
http://swpat.ffii.org/stidi/frili/
Why Software Patents are so trivial
Allerdings ist nicht auszuschließen, dass es dem unermüdlichen 17. Senat
trotzdem gelingt. Ein Ansatz wäre z.B. die beanspruchten "Vorrichtungen"
und "technischen Effekt" konsequent von der nicht patentierbaren reinen
Programmierlösung zu trennen und das, was dann übrig bleibt als unerfinderisch
zu beurteilen.
Die grundsätzlichen Ungereimtheiten der Patentierung rein geistiger
Zusammenhänge bleiben bestehen, egal wie der BGH mit Begriffen jongliert. Ein
hartnäckig auf seine Vernunft vertrauendes BPatG kann dagegen angehen, und
alles dreht sich dann wieder im Kreis. Wenn der Wille beim BPatG vorhanden
ist, ist die Rechtslage schon fast zweitrangig. Worte kann man drehen und
wenden. Und wir können derweil auf gesetzgeberischer Ebene der Vernunft den
Rücken stärken:
http://swpat.ffii.org/xatra/patg2C/
http://swpat.ffii.org/stidi/eurili/
Schöne Feiertage!
-phm
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http://ffii.org/mailman/listinfo/swpat