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Re: Telepolis über Lutterbeck-Gutachten und FFII



On 26 Dec 2000, at 15:17, PILCH Hartmut wrote:

> Axel Horns schrieb 
> > Der Verfasser der
> > Schlussfolgerung "Es kann nur eine Lösung geben: Keine
> > Softwarepatente in Europa!" hat sicher das Gutachten entweder nicht
> > gelesen oder aber gelesen und nicht verstanden. Durch die Existenz
> > des "Ambivalenzbereiches"  ist es unmöglich, mittels geeigneter
> > Formulierungen in den Patentierungsvoraussetzungen gezielt Patente
> > auf computer-implementierbare Erfindungen zu verhindern. Es sei
> > denn, man hoehlt das ganze Patentsystem so weit aus, dass alle auch
> > nur theoretisch per Mikroprozessor ausfuehrbaren Erfindungen aus dem
> > Patentsystem herausgenommen werden.
> 
> Ich streite die Existenz dieses Ambivalenzbereiches ab.  

Aeh... Wiebitte? Nunja, das Gutachten zitiert einen Patentanspruch, der dieser 
Kategorie zugehoerig ist und insbesondere dessen schiere Existenz verdeutlicht:

----------------------------------- CUT ----------------------------------------

Als Beispiel für ein Patent im Ambivalenzbereich sei hier der unabhängige 
Patentanspruch 1 des Europäischen Patentes 0 482 154 B1 wiedergegeben, dessen 
Erteilung am 30.06.1993 bekanntgemacht worden war:  

"Vorrichtung für das Umwandeln jeweils eines beliebigen ersten binären 
Digitalblockes einer ersten Länge in einen zugeordneten zweiten binären 
Digitalblock gleicher Länge unter Verwendung von wenigstes einem frei wählbaren 
binären Steuerblock, gekennzeichnet  

durch wenigstens einen ersten Eingang zum Eingeben von wenigstens zwei ersten 
Teilblöcken einer zweiten Länge, die zusammen den ersten Digitalblock bilden,  

durch wenigstens einen zweiten Eingang zum Eingeben von wenigstens zwei 
Steuerblöcken der zweiten Länge,  

durch eine Logik, die jeweils nacheinander wenigstens vier logische Operationen 
wenigstens zweier unterschiedlicher Sorten durchführt, wobei wenigstens die 
überwiegende Zahl aller Paare unmittelbar aufeinanderfolgender Operationen aus 
zwei Operationen unterschiedlicher Sorten besteht, wobei durch jede Operation 
jeweils zwei Eingangsblöcke der zweiten Länge in einen Ausgangsblock dieser 
Länge umgewandelt werden, wobei als Eingangsblöcke erste Teilblöcke, 
Steuerblöcke und / oder Ausgangsblöcke einer jeweils vorhergehenden Operation 
dienen, und  

durch wenigstens einen Ausgang zum Ausgeben von wenigstens zwei den ersten 
Teilblöcken zugeordneten zweiten Teilblöcken der zweiten Länge, die zusammen den 
zweiten Digitalblock bilden."  

----------------------------------- CUT ----------------------------------------

Was gibt es hier noch an der _Existenz_ des Ambivalenzbereiches zu zweifeln?

> Die unter 
> 
>  http://swpat.ffii.org/stidi/eurili/
> 
> formulierte Regel schafft eine scharfe, unambivalente Trennung, die
> das Patentsystem keineswegs aushöhlt und sogar sehr viele per Rechner
> steuerbare Erfindungen drinnen lässt, ohne deshalb die
> Steuerungsprogramme patentierbar zu machen.

Hierbei geht es wohl nicht um die Existenz eines Ambivalenzbereiches, sondern 
allenfalls hoechst implizit um den patentrechtlichen Umgang mit demselben.
 
> Aber selbst wenn es einen Ambivalenzbereich gäbe, wäre dein Argument
> m.E. nichtig.  Denn in unserem Rechtssystem haben wir sehr viele
> Ambivalenzbereiche.  Oder sollen wir demnächst deshalb, weil es
> Ambivalenzen gibt, das Strafrecht abschaffen und durch eine
> "Einheitsstrafe für alle" ersetzen?
> 
> Sicherlich sind Ambivalenzen zu vermeiden.  Wir können sie in der
> Swpat-Frage auch vermeiden.  Aber sollte das nicht gelingen, so liegt
> darin kein Grund, ein schlechte Regelung zu bejahen.

Verstehe nicht, was damit ausgedrueckt werden soll. Die Aussage des Gutachtens 
geht m.E. dahin, dass es einen Bereich von Gegenstaenden von Patentanspruechen 
gibt, eben den "Ambivalenzbereich", dessen Elementen man nicht ohne weiteres 
ansehen kann, ob diese auf den Softwaremarkt zielen oder nicht. Bei dem oben 
zitierten Patent konnte netterweise auch noch ein Statement der Patentinhaberin 
beigebracht werden, aus dem hervorgeht, dass sowohl an eine Hardwareloesung als 
auch an eine Softwareloesung gedacht sei. Wenn man an den materiellen 
Patentierbarkeitsvoraussetzungen in Art. 52 EPÜ bzw. in § 1 PatG herumschraubt, 
schafft man es wegen des Ambivalenzbereiches nicht, gezielt nur solche 
Gegenstaende von der Patentierbarkeit auszuschliessen, die als Software 
daherkommen, ohne die Patentfaehigkeit von Hardwareerfindungen zu 
beeintraechtigen.

> > Dazu wird es aber ganz bestimmt _nicht_ kommen, denn dazu ist die
> > Verankerung des gewerblichen Rechtsschutzes in den uebrigen
> > Bereichen der Wirtschaft zu stark.
> 
> Wie stark die ist, weiß niemand so genau.
> Ich habe mit einigen Entscheidern im Telekommunikationsbereich
> gesprochen, die in Patenten einen Bremsklotz ihrer Branche und ihres
> Unternehmens (z.B. Siemens) sahen. Man glaubte 1988 auch, der real
> existierende Sozialismus sei sehr stark verankert.  Dabei war es nur
> eine dünne, besonders sichtbare Representantenschicht, die diesen
> Eindruck erweckte.

Patenwesen="real existierender Sozialismus"?

Polemik.

Beweis durch Behauptung. 

> > Ein Patentanwaltskollege brachte in diesem Zusammenhang ein
> > Beispiel, das ich hier modifiziert wiedergeben moechte. Nehmen wir
> > in einer Art von Gedankenexperiment mal fiktiv an, der Gesetzgeber
> > haette Vorbehalte gegen den Patentschutz von "Kunststoffen" gehabt
> > und ins Patentgesetz geschrieben: "Konststoffe als solche sind nicht
> > patentierbar". 
> 
> Bitte "als solche" streichen.  Diese Fügung ist ungrammatisch und
> steht so nicht im Gesetz.  Dennoch habe ich nichts gegen die
> Schlussfolgerungen einzuwenden:

Wieso soll ich es "als solche" streichen? Wer Buchstaben lesen kann, wird diese 
beiden Worte auch in Art. 52 EPÜ und in § 1 PatG identifizieren koennen. Diese 
Klauberei darum, dass angeblich "als solche" nicht im Gesetz stuende, ist 
einfach absurd.  
 
> > Dann waere der Chemiker aussen vor, solange er Kunststoffe nur als
> > ungeformte Klumpen synthetisiert. Sobald aber jemand etwas
> > herstellt, was mehr ist als "Kunststoff als solcher", beispielsweise
> > ein aus Kunststoff gefertigtes Getriebe, muesste er sich mit allen
> > Patenten herumschlagen, die auf "Getriebe" ohne naehere
> > Spezifikation des Werkstoffes erteilt worden sind, denn man kann ja
> > nie wissen, ob diese Patentgegenstaende nicht vielleicht auch aus
> > Kunststoff herstellbar sind. 
> 
> Und das wäre für die beispielgemäß patentfrei zu haltende
> Kunststoffindustrie kein Problem.  Exzellentes Beispiel.  So in etwa
> wollen wir es für Computerprogramme.

Ja meine Guete, so ist es eben nicht. Der FFII will - in diesem Bilde -
sinngemaess erreichen, dass auch ein Getriebe nicht mehr unter einen auf ein 
"Getriebe" gerichteten Patentanspruch faellt, wenn es aus Kunststoff gefertigt 
ist. 

Wenn man sowas ansatzweise erreichen will, sollte man nicht an den materiellen 
Patentierbarkeitsvoraussetzungen herumwerkeln. Das haben wir hier auch schon 
mehrmals durchgenommen.

> > Alle Beispiele hinken, und nicht alles was hinkt, ist ein
> > Beispiel (KK), aber das Dilemma duerfte anschaulich sein:
> > 
> > Aus dem Gutachten:
> 
> > "Durch die Arbeit des Programmierers entsteht somit nicht nur das
> > eigentliche Datenverarbeitungsprogramm als urheberrechtlich zu
> > betrachtendes linguistisches Konstrukt. 
> 
> Eben.  Ein Datenverarbeitungsprogramm ist mehr als ein linguistisches
> Konstrukt.  Es ist Gebrauchsanweisung und Verfahrensbeschreibung,
> Verfahren und Erzeugnis zugleich.
> 
> > Da das Datenverarbeitungsprogramm stets auch dazu bestimmt ist,
> > letztlich auf einer körperlichen Computerhardware abzulaufen, formt
> > der Programmierer implizit mit jedem von ihm geschöpften Programm
> > auch eine patentrechtlich bedeutsame Vorrichtung, nämlich einen
> > Computer, der durch die im Programm ausgedrückte Funktionalität
> > gesteuert wird und nach außen ein bestimmtes Verhalten zeigt.
> 
> Die Funktionalität ist physisch fassbar, aber zwischen ihr und dem
> Programm liegt kein physischer Kausalzusammenhang.  Die
> Programmierlösung ist getrennt von der physischen Funktionalität zu
> betrachten, und meistens stellt nur sie und nicht die physische
> Funktionalität etwas neues und "erfinderisches" dar.

Auch ein Fall von "Beweis durch Behauptung". Die Funktionalitaet eines 
Datenverarbeitungsprogrammes ergibt sich 100% kausal aus der Wechselwirkung aus 
dem linguistischen Konstrukt und dem dazugehoerigen (letztlich stets physischen) 
Prozessor. Wie kommt man da zu der Schlussfolgerung, "die Programmierlösung 
[sei] getrennt von der physischen Funktionalität zu betrachten"?

> Es gibt jedenfalls natürlich für den Patentrechtler die Möglichkeit,
> diese Unterscheidung zu übersehen und damit Begriffsverwirrung zu
> erzeugen.  Wie Kolle 1977 schon voraussagte:
> 
>    Nun, der Bundesgerichtshof hat sich, wie aus der eigentlichen
>    Entscheidungsbegründung sowie den Überlegungen zu den Möglichkeiten
>    einer Erweiterung des Begriffs der Technik oder eines völligen
>    Verzichts hierauf klar hervorgeht, dieser Betrachtungsweise
>    verschlossen und wird sich wohl auch in Zukunft kaum für sie
>    erwärmen. Auch dafür gibt es gute Gründe. Zunächst würde ein
>    weniger streng gehandhabter Unmittelbarkeitsgrundsatz, selbst wenn
>    man ihn nur den datenverarbeitungsgerechten Rechenvorschriften
>    zugutekommen lassen wollte, auf längere Sicht mit hoher
>    Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass die
>    Patentierbarkeitsvoraussetzung der technischen Lehre ihre
>    Abgrenzungsfunktion einbüßte und allen Lehren für verstandesmäßige
>    Tätigkeiten Schritt für Schritt der Patentschutz eröffnet würde.

Das sehe ich nicht so. Datenverarbeitungsprogramme grenzen sich von anderen 
linguistischen Konstrukten dadurch ab, dass sie zur Steuerung eines physischen 
Prozessors bestimmt sind. Ich kann noch nicht sehen, wie dadurch ein 
Patentschutz fuer "alle Lehren für verstandesmäßige Tätigkeiten" zustande kommen 
soll. Was Kolle nicht gesehen hat, ist die potentielle Gefaehrdung von "Free 
Speech" durch das Patentrecht. Hier bietet die Quelltextprivilegierung Abhilfe.

>    Vor allem aber sind erhebliche Zweifel angebracht, ob eine solche
>    Ausnahme für das Gebiet der Informatik überhaupt vertretbar ist.
>    Die ADV ist heute zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel in allen
>    Bereichen der menschlichen Gesellschaft geworden und wird dies auch
>    in Zukunft bleiben. Sie ist ubiquitär. Ist die Hardware-Industrie
>    noch relativ leicht eingrenzbar, so gilt dies nicht mehr für die
>    Software-Industrie, wo die Software-Hersteller ebenso sehr Anwender
>    sind wie die überall zu findenden Software-Nutznießer auch
>    Hersteller. Ihre instrumendale Bedeutung, ihre Hilfs- und
>    Dienstleistungsfunktion unterscheidet die ADV von den enger oder
>    weiter begrenzten Einzelgebieten der Technik und ordnet sie eher
>    solchen Bereichen zu wie z.B. der Betriebswirtschaft, deren
>    Arbeitsergebnisse und Methoden -- beispielsweise auf den Gebieten
>    des Managements, der Organisation, des Rechnungswesens, der Werbung
>    und des Marketings -- von allen Wirtschaftsunternehmen benötigt
>    werden und für die daher prima facie ein Freihaltungsbedürfnis
>    indiziert ist. Nach welchen Seiten hin auch immer aber ein
>    patentrechtlicher Algorithmenschutz begrenzt würde -- durch die
>    Bindung an eine bestimmte Maschinenkonfiguration oder sogar an eine
>    ganz bestimmte Datenverarbeitungsanlage, durch den Anwendungszweck
>    und das Anwendungsgebiet --, so ist doch die Gefahr offensichtlich,
>    dass dieser Schutz eine weit über das mit herkömmlichen technischen
>    Schutzrechten verbundene Maß hinausgehende Sperrwirkung entfalten
>    und die Benutzung von Datenverarbeitungsanlagen nachhaltig
>    blockieren könnte. Das zugunsten der Patentfähigkeit von
>    Algorithmen oft gehörte Argument, dass diese nur in Verbindung mit
>    digitalen Rechenautomaten nützlich sind, hat eine Kehrseite, weil
>    sich eben gerade aus dieser Tatsache ergeben kann, dass der
>    patentierte Algorithmus dann die Benutzung von Computern überhaupt
>    verwehrt, weil eine Substitution durch andere Mittel oder einen
>    anderen Algorithmus nicht möglich oder nicht zumutbar ist. So
>    besehen erscheint der Denkansatz einer notwendigen
>    "Vergesellschaftung" der Informatik, zumindest der Algorithmen,
>    durchaus plausibel, will man nicht den im Gefolge eines
>    Algorithmenschutzes wahrscheinlichen ungeheueren privaten
>    Machtzuwachs -- naiv oder bewusst -- leugnen.

Ok. Hier diskutiert Kolle aber nicht Einzelheiten der materiellrechtlichen 
Patentierungsvoraussetzungen, sondern moegliche negative Auswirkungen des 
Patentwesens auf den Softwaremarkt. Es ist eine Schwaeche der Kolle'schen 
Kritik, dass er den Einfluss des Ambivalenzbereiches nicht erkennt und daher 
auch nicht ins Kalkuel ziehen kann. Ich bezweifle allerdings auch, dass Kolle in 
1977 den Ambivalzenzbereich haette erkennen koennen. Das waren noch andere 
Zeiten. Heute sind wir da weiter.

> > Die zeitliche Aufeinanderfolge der Verarbeitungsschritte, die der
> > Computer unter der Kontrolle des Programmes ausführt, stellt ein
> > Verfahren dar, das ebenfalls patentrechtlich von Bedeutung sein
> > kann. Beide Aspekte, sowohl die Eigenschaften der aus Hardware und
> > Software entstehenden Vorrichtung als auch die Charakteristika der
> > in dem Gesamtsystem aus Hardware und Software ablaufenden
> > Aufeinanderfolge von Verarbeitungsschritten, erhalten ihre
> > Ausprägung durch das Datenverarbeitungsprogramm, ohne daß dieses
> > isoliert und für sich genommen bei der patentrechtlichen Beurteilung
> > eine Rolle spielt. 
> 
> So sollte es zumindest sein.  D.h. das Datenverarbeitungsprogramm ist
> lediglich ein Mittel zur Beschreibung des physischen Verfahrens, und
> ob letzteres erfinderisch ist, hängt davon ab, ob es in neuer Weise
> Naturkräfte einsetzt.  Das ist z.B. bei Datenkompression nicht der
> Fall. 

Sicherlich doch. Auch bei der Datenkompression mittels eines Mikroprozesssors 
arbeiten unzaehlige pn-Halbleiteruebergaenge oder MOS-Transistoren unter 
Energieumsatz zusammen. Walten da etwa keine Naturkraefte? Auch das 
Datenverarbeitungsprogramm hat, wenn es etwa im RAM gespeichert ist, durchaus 
einen physischen Aspekt: Ladungsverschiebungen bilden das Programm ab. Wenn die 
CPU diese Ladungsverschiebungen abtastet, sprich: einen RAM-Lesezugriff 
ausfuehrt, findet ein Energieumsatz statt. Warum soll man patentrechtlich diese 
Art Physis diskriminieren gegenueber, sagen wir einem ASIC, bei dem anstelle von 
Ladungsverschiebungen in CMOS-Kondensatoren (dynamisches RAM!) ohm'sche 
Widerstaende (Leiterbruecken) unter Energieumsatz abgetastet und zur Steuerung 
weiterer Ablaeufe herangezogen werden?

> Um noch schärfer abzugrenzen kann man auch verlangen, dass der
> technische Effekt nicht aufgrund des vorbekannten Wissensstandes
> rechnerisch vorhersehbar sein soll.

Was heisst hier "schaerfer abgrenzen"? Entweder man hat sauber abgegrenzt oder 
man hat es nicht. "Schaerfer abgrenzen" heisst doch wohl konkret, dass man der 
eigenen Begrifflichkeit nicht vertraut und lieber noch weitraeumig einen 
Schutzzaun um die "Datenverarbeitungsprogramme" legen moechte, in Kauf nehmend, 
dass man dadurch auch Gebiete dem Patentschutz entzieht, die im 
Ambivalenzbereich liegen und je nachdem mit Software nichts zu tun haben. Das 
vorgeschlagene Tatbestandsmerkmal, wonach "der technische Effekt nicht aufgrund 
des vorbekannten Wissensstandes rechnerisch vorhersehbar sein soll", ist ein 
Witz. Ausgestaltung der materiellen Patentfaehigkeit in Abhaengigkeit von der 
Taktfrequenz von verfiuegbaren Computern? Und ueberhaupt: Makroskopische 
Quentensysteme sollten stets sich kausal deterministisch verhalten, also 
vorberechenbar sein. Da bleibt auch kein verbesserter Dieselmotor mehr uebrig, 
der dann noch patentfaehig waere.

> > Das vom Computer gedanklich völlig losgelöste
> > Datenverarbeitungsprogramm ist als reines linguistische Konstrukt
> > patentrechtlich stets bedeutungslos, 
> 
> Tautologisch: "Ein blutleerer Kunstbegriff ist bedeutungslos"
> Irreführend: "Programmierverbote sind bedeutungslos" 
> 
> Wunderst du dich, dass das Wort vom "Rechtsverdreher" die Runde macht?

Rhetorik ersetzt nicht Argumentation.

Was soll hier bitte schoen das Jonglieren mit Worten wie "blutleer"??

> > denn seine Funktionalität erschließt sich erst aus der
> > Wechselwirkung mit dem ihm zugedachten Prozessor."
> 
> Die Funktionalität eines Programms erschließt sich bereits aus der
> abstrakten Konstruktion.

Nein. Wenn ich eine CD-ROM nehme und die einzelnen Bits messtechnisch ermittle, 
bedeuten diese noch gar nichts. Erst wenn ich ein bestimmtes hypothetisches 
Vorwissen einbringe, etwa "es handelt sich um ein Jouliet-Filesystem mit einer 
fuer einen Pentium bestimmten Bitfolge" erschliesst ich die Funktionalitaet.

>  Datenkompression kann man im Kopf
> durchführen. 

Ja sicher kann man das. Aber die Bitfolge eines Datenkompressionsprogrammes 
erkenne ich erst und kann sie nur dann gegenueber anderen Inhalten abgrenzen, 
wenn ich eine Annahme darueber investiere, an welchen Prozessor sich die 
Bitfolge richtet.

> Für jede Formalsprache, die gewisse Anforderungen
> erfüllt, kann man eine automatische Übersetzung in
> Prozessoranweisungen bewerkstelligen.

So what? Ich kann z.B. einen (virtuellen) C++-Prozessor definieren, d.h. ich 
lege fest, was passieren soll, wenn ein C++-Programm abgearbeitet wird. Wenn ich 
dann ein C++-Programm scchreibe, ist dessen Funktionalitaet insoweit festgelegt. 
Nur unter dieser Voraussetzung ist Compilerbau moeglich.

> > </color>D.h., bei Computersoftware waere allenfalls der vom
> > Prozessor getrennte Code als nicht patentfaehiges "linguistisches
> > Konstrukt" im Sinne eines "Datenverarbeitungsprogrammes als solchem"
> > auffassbar. Allerspaetestens in dem Augenblick, in dem man einen
> > Prozessor ins Spiel bringt, hat man sozusagen schon ein Getriebe
> > geschaffen und ist mitten im Haifischbecken der jeweils
> > einschlaegigen Patentanprueche.
> 
> Warum kannst du dich nicht mal von der Sichtweise der Patentlobby
> lösen? 

Sorry, aber was waere, wenn diese Sichtweise die richtige Sichtweise waere? 
Wuerde sie dadurch unrichtiger, dass die "Patentlobby" sie teilt (was auch immer 
der Begriff "Patentlobby" hier im Einzelnen bedeuten mag)?  

> So wurde das Gesetz anfangs nicht gesehen, und so muss man es
> heute auch nicht sehen.  Diese Sichtweise schafft so viele Probleme
> und Widersprüche, dass nicht umsonst das Wort vom "Rechtsverdreher"
> die Runde macht, oder wie Dr. Kiesewetter-Köbinger es am Schluss
> seines Papiers 
> 
>  http://swpat.ffii.org/vreji/papri/patpruef/
> 
> zitiert, die Patentjuristen sich mit der Frage konfrontiert sehen: 
> "Sag mall, habt ihr sie noch alle?"

Pure inhaltsleere Polemik.
 
> > Ausserdem uebersehen die "Weg mit den Softwarepatenten"-Leute
> > geflissentlich den Unterschied zwischen den materiellen
> > Patentierbarkeitsvoraussetzungen einerseits ("Recht AUF das Patent")
> > und dem materiellen Recht der Patentverletzung ("Recht AUS dem
> > Patent").
> 
> Auch darüber haben wir hier schon ausführlich diskutiert.  Ein Patent
> ist ein Recht AUF die exklusive Verwertung einer "Erfindung".  DarAUS
> ergibt sich wiederum das Recht auf die exklusive Verwertung einer
> "Erfindung".

Nee. Der Erfinder (oder sein Rechtsnachfolger) hat ein Recht AUF das Patent 
gemaess u.a. den materiellen Patentierbarkeitsvoraussetzungen in Artikel 52 EPÜ 
bzw. in § 1 PatG. Die ganze FFII-Schrauberei an den materiellen 
Patentierbarkeitsvoraussetzungen gehoert darum in diese Schublade.

Ist einmal ein Patent erteilt, hat der Patentinhaber einen Unterlassungs- und 
Schadensersatzanspruch AUS dem erteilten Patent im Rahmen der 
Schrankenbestimmungen des Patentrechtes. Die im BMWi-Gutachen vorgeschlegenen 
Aenderungen der Schrankenbestimmungen des Patentrechtes modifizieren den 
Anspruch AUS einem erteilten Patent.

> Klar, auf die Modalitäten sollte man schon schauen.  Z.B. könnte man
> (1) darauf bestehen, dass sich AUS dem Patent nicht das Recht ergibt,
> die
>   Veröffentlichung von Gebrauchsanweisungen und
>   Verfahrensbeschreibungen zu unterbinden, so sehr diese auch der
>   Durchsetzung des Verfahrensmonopols abträglich sein mögen.  
> (2) klarstellen, dass DV-Programme eine Unterart der
> "Gebrauchsanweisungen
>   und Verfahrensbeschreibungen" sind.

Das Quelltextprivileg zielt in diese Richtung.

> Hieraus müsste sich dann ergeben, dass alle DV-Programme frei
> veröffentlicht, verbreitet und verkauft werden können, so sehr das
> auch den Versuch, ein Monopol auf das Verfahren zu etablieren, in der
> Praxis vereiteln könnte.

Wenn ich das richtig verstehe, wuenscht der FFII eine Ausdehnung des 
Quelltextprivileges auch auf Binaries?

> > Eine Klausel "Kunststoffe als solche sind nicht patentfaehig"  sagt
> > naemlich nur etwas ueber das Recht AUF das Patent, nicht ueber das
> > Recht AUS einem Getriebepatent.
> 
> Wenn Kunststoffe nicht patentfähig sind, können Getriebe trotzdem
> patentfähig sein, und unter ein solches Patent fällt auch ein
> Kunststoffgetriebe.
> 
> Das hat mit der AUS-AUF-Unterscheidung nichts zu tun.

Doch. Die Einschraenkung der materiellen Patentierbarkeit von Kunststoffen als 
solche auf der "AUF"-Seite verhindert eben nicht, dass auf der "AUS"-Seite eine 
Patentverletzung stattfindet, wenn ein bestimmtes Getriebe vermarktet wird, sei 
dies nun aus Kunststoff oder nicht. Es zeigt, dass gesetzgeberische 
Modifikationen auf der "AUF"-Seite untauglich sein koennen, um bestimmte 
Ergebnisse auf der "AUS"-Seite zu erzielen.
> 
> > Diese allegemeine rechtliche Entscheidung ist fundamental und hat
> > zunaechst nocht nichts mit der SWPAT-Debatte zu tun. Wenn dann aber
> > ein gewisser RMS dem Vernehmen nach einen Patentmenschen vom PMI auf
> > einer Konferenz oeffentlich anpflaumt, er solle von seiner
> > juristischen Fachterminologie ablassen, dann kommen bei mir
> > alleaehlich Ekelgefuehle hoch (vgl. oben "Rechtsverdreher" uswf.).
> 
> Leider hat RMS seine Ekelgefühle nicht gut genug im Griff. Die
> Patentmenschen müssten es mal lernen, sich von ihrem terminologischen
> Abrakadabra zu lösen.  Nicht erst seit Foucault und Derrida weiß man,
> wie sehr Zeichensysteme häufig mit Machtaspekten vermischt sind.  Für
> einen Wissenschaftler war es schon von jeher eine Tugend, das
> sprachliche Gewand öfter zu wechseln und mit verschiedenen
> Begriffssystemen an eine Sache heranzugehen.  Wer im Gespräch mit
> einem amerikanischen Softwarearchitekten auf der ohnehin stark
> interessenpolitisch kompromittierten deutschen Juristenterminologie
> besteht und es nicht schafft, eine gemeinsame verständliche Sprache zu
> finden, muss sich nciht wundern, wenn die andere Seite ein gewisses
> Gefühl der Achtung vermissen lässt, die man normalerweise
> Wissenschaftlern entgegenbringt.

Ich bemuehe mich nach Kraeften, Zusammenhaenge zu erklaeren, aber ich erwarte, 
dass evtl. Disputationsgegner wenigstens ernstliche Anstrengungen machen, ein 
etabliertes Zeichensystem zu verstehen. Sich hinsetzen und sagen: "Erklaer mir 
bitte bestimmte Detailfragen des Patentrechtes, aber verwende nicht dessen 
Begrifflichkeit" faellt leider aus.

> > Z.B. duerften die meisten im Bereich Handy- Telefone erzielten
> > Patente per Software implementiert werden.
> 
> NB: Es sind eben Softwarepatente.  "computer-implementiert" ist
> angesichts der heutigen Sachlage ein Euphemismus.  Der Begriff wurde
> aus der Konfusion geboren und dient der Erzeugung von Konfusion.  In
> den meisten Fällen wird ein Problem patentiert, dessen Lösung nur im
> Programmieren bestehen kann.  Auch wenn es eine "Hardware-Lösung" ist,
> handelt es sich dann nur um ein nachträglich fest verdrahtetes und
> irgendwo eingebettetes Programm.

Polemik, aus der zu erkennen ist, dass die Rolle der Turing-Maschine in der 
zeitgenoessischen Technik noch nicht verstanden wurde. Mit einer Turing-Maschine 
kann man _alles_ berechnen, was ueberhaupt berechenbar ist. Insbesondere kann 
man mit einer einzigen Turing-Maschine das Verhalten aller anderen denkbaren 
Turing-Maschinen simulieren. Es ist nicht verwunderlich, dass ein grosser Teil 
zeitgenoessischer Erfindungen sich in der Terminologie der Turing-Maschine 
ausdruecken liesse. Deshalb ist es wichtig, die Ausdruecke "computer-
implementierbar" fuer "Turing-kompatibel" und "computer-implementiert" fuer 
"tatsaechlich mit einer Inkarnation einer Turing-Maschine verwirklicht" 
einzufuehren und in ihren Konsequenzen zu analysieren.

> > Die Programmierer werden dort aber hinsichtlich der von ihnen per
> > Code verwirklichten Funktionalitaeten von der Unternehmensleitung
> > eher an der kurzen Leine gefuehrt, d.h. sie koennen nicht nach
> > eigenem Gutduenken in die Handys das hineinprogrammieren, was ihnen
> > gerade einfaellt. Ob den Programmierern das im Einzelnen gefaellt
> > oder nicht, ist gesamtwirtschaftlich auch belanglos, denn die
> > unternehmrische Verantwortung und Entscheidung darueber, was an
> > Funktionalitaet in die Handys hineinkommt und wie diese Handys sich
> > dann im Markt plazieren, liegt beim Management und nirgendwo sonst.
> > Und das Management ist sich in diesen Grossorganisationen durchaus
> > des Patentwesens (negativ wie positiv) bewusst.
> 
> Richtig.  Die meisten können mit und ohne Swpat gut leben.
> Allerdings ist es sehr wohl möglich, dass dieser Bereich (bc)
> demnächst umorganisiert wird. Viele Telefonschaltanlagen werden
> demnächst vielleicht durch freie Software auf Universalrechnern
> verwirklicht. Es besteht also wenig Grund, für den Bereich (bc) ein
> Festhalten an Softwarepatenten zu fordern.

???

Diese Firmen _wollen_ Patentschutz fuer ihre Erfindungen, wie man an den 
Anmeldezahlen ablesen kann.

> Ich bezweifle, ob im Bereich der eingebetteten Systeme wirklich ein
> Interesse an Swpat besteht.  Es mag ein paar Lobbyisten und
> eingefleischte Interessen geben.  

Ich verweise auf die Anmeldezahlen. Die Vorstellung, dass der Vorstand inclusive 
CEO am Gaengelband der Rechts- bzw. Patentabteilung laeuft, ist abwegig.

> Aber insgesamt gibt es gerade in
> diesen Bereichen hervorragende Möglichkeiten des Investitionsschutzes
> durch Urheberrecht und insbesondere Betriebsgeheimnis, Dienstleistung
> etc.  

Das Urheberrecht schuetzt nur die Ausdrucksform, nicht die zugrundeliegenden 
Prinzipien.

Betriebsgeheimnis funktioniert nicht. Der Geheimnistraeger braucht bloss zu 
kuendigen und zur Konkurrenz zu gehen. Schaltplaene und Code darf er zwar nicht 
mitnehmen, braucht er aber auch gar nicht. Er hat ja bei seinem bisherigen 
Arbeitgeber was gelernt und kann das Gelernte bei seinem neuen Arbeitgeber 
einsetzen, um Ruck-Zuck ein noch besseres System hochzuziehen.

> Gerade ein eingebettetes System lässt sich nicht leicht schnell
> nachbauen, und nur wenige Konkurrenten sind in der Lage, die
> entsprechende Erfahrung zu sammeln.  Die damit zusammenhängenden
> Patente wiederum sind wie die meisten Softwarepatente unsäglich
> trivial und führen dazu, dass einige weniger produktive Firmen sich
> ganz darauf spezialisieren, der Branche ein Bein zu stellen. 
> 
> > Die unter ac) und bc) fallenden Unternehmen haengen mittendrin und
> > werden sich fallweise mal auf die eine Seite, mal auf die andere
> > schlagen.
> 
> Ich sehe die Grenzlinie eher zwischen den Softwareentwicklern und den
> Patentjuristen.  

Nee, nee, vielleicht eher zwischen den SW-Entwicklern und dem Vorstand. Dieser 
Gegensatz existiert aber nicht erst seit der SWPAT-Debatte. Auch Rechtsanwaelte 
wurden frueher schon von den Techies gern als "Rechtsverdreher" tituliert, egal 
womit sie die "Techies" auf Geheiss des Vorstandes "belaestigt" haben.

> Eure Studie verwendet auffällig viel Energie darauf, die von uns
> bevorzugten Handlungsoptionen als unrealistisch darzustellen.  Dabei
> wird auch auffällig einseitig argumentiert. Das tut man normalerweise
> nur dann, wenn von solchen Handlungsoptionen eine reelle und
> gefährliche Überzeugungskraft ausgeht.

Das eigentlich unangenehme an der FFII-Argumentation ist deren lockerer Umgang 
mit Halbwahrheiten. 

---AHH