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Re: Telepolis über Lutterbeck-Gutachten und FFII



> > > denn, man hoehlt das ganze Patentsystem so weit aus, dass alle auch
> > > nur theoretisch per Mikroprozessor ausfuehrbaren Erfindungen aus dem
> > > Patentsystem herausgenommen werden.
> > 
> > Ich streite die Existenz dieses Ambivalenzbereiches ab.  
 
> Aeh... Wiebitte? Nunja, das Gutachten zitiert einen Patentanspruch,
> der dieser Kategorie zugehoerig ist und insbesondere dessen schiere
> Existenz verdeutlicht:

Das genannte Patent ist ein Patent auf ein Problem, dessen Lösung im
Programmieren liegt.  Ich sehe nichts, was irgendwie über das
Programmieren im Rahmen vorbekannter Ausgangsbedingungen hinausginge.

> Steuerblöcke und / oder Ausgangsblöcke einer jeweils vorhergehenden Operation 
> dienen, und  
 
> Was gibt es hier noch an der _Existenz_ des Ambivalenzbereiches zu zweifeln?

Ob etwas ambivalent ist, hängt von den Unterscheidungskriterien ab, mit
denen man es dem einen oder anderen Bereich zuzuschlagen versucht.  Sind
diese unscharf, so ergibt sich ein großer Ambivalenzbereich.

Dass die Unterscheidung "Hardware vs Software" im landläufigen
Sprachgebrauch unscharf ist, lohnt sich kaum festzustellen.  

Es hat mich daher sehr verwundert, dass in Eurem Gutachten zunächst lang
und breit mit schönen Grafiken ein solcher Ambivalenzbereich festgestellt
wird.

Wer hätte das gedacht?

> > Die unter 
> > 
> >  http://swpat.ffii.org/stidi/eurili/
> > 
> > formulierte Regel schafft eine scharfe, unambivalente Trennung, die
> > das Patentsystem keineswegs aushöhlt und sogar sehr viele per Rechner
> > steuerbare Erfindungen drinnen lässt, ohne deshalb die
> > Steuerungsprogramme patentierbar zu machen.
 
> Hierbei geht es wohl nicht um die Existenz eines Ambivalenzbereiches,
> sondern allenfalls hoechst implizit um den patentrechtlichen Umgang
> mit demselben.

Ja, genau.
Obige Regel lässt, soweit ich es aufgrund bisheriger Prüfung übersehen
kann, keinen nennenswerten Ambivalenzbereich aufkommen.
  
> > Aber selbst wenn es einen Ambivalenzbereich gäbe, wäre dein Argument
> > m.E. nichtig.  Denn in unserem Rechtssystem haben wir sehr viele
> > Ambivalenzbereiche.  Oder sollen wir demnächst deshalb, weil es
> > Ambivalenzen gibt, das Strafrecht abschaffen und durch eine
> > "Einheitsstrafe für alle" ersetzen?
 
> > Sicherlich sind Ambivalenzen zu vermeiden.  Wir können sie in der
> > Swpat-Frage auch vermeiden.  Aber sollte das nicht gelingen, so liegt
> > darin kein Grund, ein schlechte Regelung zu bejahen.
 
> Verstehe nicht, was damit ausgedrueckt werden soll. Die Aussage des
> Gutachtens geht m.E. dahin, dass es einen Bereich von Gegenstaenden
> von Patentanspruechen gibt, eben den "Ambivalenzbereich", dessen
> Elementen man nicht ohne weiteres ansehen kann, ob diese auf den
> Softwaremarkt zielen oder nicht. Bei dem oben zitierten Patent konnte
> netterweise auch noch ein Statement der Patentinhaberin beigebracht
> werden, aus dem hervorgeht, dass sowohl an eine Hardwareloesung als
> auch an eine Softwareloesung gedacht sei. Wenn man an den materiellen
> Patentierbarkeitsvoraussetzungen in Art. 52 EPÜ bzw. in § 1 PatG
> herumschraubt, schafft man es wegen des Ambivalenzbereiches nicht,
> gezielt nur solche Gegenstaende von der Patentierbarkeit
> auszuschliessen, die als Software daherkommen, ohne die
> Patentfaehigkeit von Hardwareerfindungen zu beeintraechtigen.

Man könnte es schaffen, indem man auf Hardwarelösungen gerichtete 
Ansprüche zulässt.  
Das mag inkonsistent sein, aber inkonsistent sind Swpat-Funktionsansprüche
ohnehin.  Während sie eigentlich auf abstrakte Prinzipien zielen, müssen
sie diese so oder so in eine konkrete "technische" Funktionalität
einkleiden.  Das hat Prof Tamai (Wirtschaftswissenschaftler Univ
Tokyo) sehr schön analysiert. 
Angebliche (In)konsistenz ist also kein Argument, das unsere Wahl bei der
Gestaltung von Art 52 entscheidend beeinflussen darf.

Andererseits bin ich gar nicht dafür, die Hardware-Verkleidung von
Programmierlösungen zur Patentierung zuzulassen.  Unser
Richtlinienvorschlag

	http://swpat.ffii.org/stidi/eurili/

unterbindet auch das.
 
> > > Dazu wird es aber ganz bestimmt _nicht_ kommen, denn dazu ist die
> > > Verankerung des gewerblichen Rechtsschutzes in den uebrigen
> > > Bereichen der Wirtschaft zu stark.
> > 
> > Wie stark die ist, weiß niemand so genau.
> > Ich habe mit einigen Entscheidern im Telekommunikationsbereich
> > gesprochen, die in Patenten einen Bremsklotz ihrer Branche und ihres
> > Unternehmens (z.B. Siemens) sahen. Man glaubte 1988 auch, der real
> > existierende Sozialismus sei sehr stark verankert.  Dabei war es nur
> > eine dünne, besonders sichtbare Representantenschicht, die diesen
> > Eindruck erweckte.
> 
> Patenwesen="real existierender Sozialismus"?
>
> Polemik.
> 
> Beweis durch Behauptung. 

Es ging um die Entkräftung deiner Prophezeiung durch Verweis auf analoge
historische Erfahrungen.  Niemand weiß so genau, wie tief das Patentwesen
wirklich in den Unternehmen verankert ist. 
 
> > > Ein Patentanwaltskollege brachte in diesem Zusammenhang ein
> > > Beispiel, das ich hier modifiziert wiedergeben moechte. Nehmen wir
> > > in einer Art von Gedankenexperiment mal fiktiv an, der Gesetzgeber
> > > haette Vorbehalte gegen den Patentschutz von "Kunststoffen" gehabt
> > > und ins Patentgesetz geschrieben: "Konststoffe als solche sind nicht
> > > patentierbar". 
> > 
> > Bitte "als solche" streichen.  Diese Fügung ist ungrammatisch und
> > steht so nicht im Gesetz.  Dennoch habe ich nichts gegen die
> > Schlussfolgerungen einzuwenden:
 
> Wieso soll ich es "als solche" streichen? Wer Buchstaben lesen kann,
> wird diese beiden Worte auch in Art. 52 EPÜ und in § 1 PatG
> identifizieren koennen. Diese Klauberei darum, dass angeblich "als
> solche" nicht im Gesetz stuende, ist einfach absurd.

Absurd ist die Zusammenfügung von "Programme für
Datenverarbeitungsanlagen" mit einer syntaxbedingten Partikel aus einem
anderen Absatz zu einem angeblich eigenständigen Begriffskonstrukt. Unser
Richtlinienentwurf macht die Absurdität ziemlich klar:

    2. Ein durch ein DV-Programm beschriebener technischer Prozess ist
       begrifflich von dem DV-Programm als solchem unterscheidbar. Ein
       Verfahren zur Herstellung von Schachspielausrüstungen ist von dem
       Schachspiel als solchem zu unterscheiden. Die Partikel "als
       solche" in Art 52 (3) EPÜ ist nur aus ihrer Funktion in den beiden
       obigen Sätzen heraus zu verstehen: sie dient der Differenzierung
       zwischen zwei voneinander unabhängigen Kategorien, durch die ein
       potentieller Patentgegenstand beschrieben werden könnte. Ein
       "DV-Programm mit einer zusätzlichen technischen Wirkung" gehört
       zur Kategorie der DV-Programme und folglich auch der "DV-Programme
       als solche", sofern diesem Wortgefüge außerhalb eines gültigen
       Satzzusammenhangs überhaupt eine Bedeutung zukommen kann.

> > > Dann waere der Chemiker aussen vor, solange er Kunststoffe nur als
> > > ungeformte Klumpen synthetisiert. Sobald aber jemand etwas
> > > herstellt, was mehr ist als "Kunststoff als solcher", beispielsweise
> > > ein aus Kunststoff gefertigtes Getriebe, muesste er sich mit allen
> > > Patenten herumschlagen, die auf "Getriebe" ohne naehere
> > > Spezifikation des Werkstoffes erteilt worden sind, denn man kann ja
> > > nie wissen, ob diese Patentgegenstaende nicht vielleicht auch aus
> > > Kunststoff herstellbar sind. 
> > 
> > Und das wäre für die beispielgemäß patentfrei zu haltende
> > Kunststoffindustrie kein Problem.  Exzellentes Beispiel.  So in etwa
> > wollen wir es für Computerprogramme.
 
> Ja meine Guete, so ist es eben nicht. Der FFII will - in diesem Bilde
> - sinngemaess erreichen, dass auch ein Getriebe nicht mehr unter einen
> auf ein "Getriebe" gerichteten Patentanspruch faellt, wenn es aus
> Kunststoff gefertigt ist.

Nein, wollen wir nicht, s. obiges Zitat aus unserem Richtlinienentwurf.
 
> Wenn man sowas ansatzweise erreichen will, sollte man nicht an den
> materiellen Patentierbarkeitsvoraussetzungen herumwerkeln. Das haben
> wir hier auch schon mehrmals durchgenommen.

Ja, leider ohne Fortschritte zu erzielen.
Die materiellen Patentierbarkeitsvoraussetzungen sind der entscheidende
Punkt.  Deshalb konzentriert sich nicht nur der FFII darauf, sondern auch
fast alle Patentjuristen.  Gestern habe ich mit einem
Patentamtspräsidenten gesprochen und hatte größte Schwierigkeiten, ihm
verständlich zu machen, dass man überdies auch noch an den
Schrankenbestimmungen des Patentrechts schrauben konnte.

M.E. steht dieses Thema im Moment nicht auf der Tagesordnung, und indem du
ständig darauf verweist, setzt du dich dem Verdacht aus, die Swpat-Gegner
in dem entscheidenen Punkt, zumindest in dem, um den es im Moment geht,
über den Tisch ziehen zu wollen.
 
> > Die Funktionalität ist physisch fassbar, aber zwischen ihr und dem
> > Programm liegt kein physischer Kausalzusammenhang.  Die
> > Programmierlösung ist getrennt von der physischen Funktionalität zu
> > betrachten, und meistens stellt nur sie und nicht die physische
> > Funktionalität etwas neues und "erfinderisches" dar.
 
> Auch ein Fall von "Beweis durch Behauptung". Die Funktionalitaet eines
> Datenverarbeitungsprogrammes ergibt sich 100% kausal aus der
> Wechselwirkung aus dem linguistischen Konstrukt und dem dazugehoerigen
> (letztlich stets physischen)  Prozessor. Wie kommt man da zu der
> Schlussfolgerung, "die Programmierlösung [sei] getrennt von der
> physischen Funktionalität zu betrachten"?

Der Prozessor kann, wie du unten selber feststellst, mit unterschiedlicher
Bitfolge arbeiten.  Er kann aus unterschiedlichen Materialien sein, mit
unterschiedlichen Taktraten arbeiten usw.  Die in ihm ablaufenden
physikalischen Vorgänge sind nicht durch das Programm determiniert. Genau
das macht die Besonderheit des Universalrechners aus.  Die Physik ist von
der Logik getrennt.

> > Es gibt jedenfalls natürlich für den Patentrechtler die Möglichkeit,
> > diese Unterscheidung zu übersehen und damit Begriffsverwirrung zu
> > erzeugen.  Wie Kolle 1977 schon voraussagte:
> > 
> >    Nun, der Bundesgerichtshof hat sich, wie aus der eigentlichen
> >    Entscheidungsbegründung sowie den Überlegungen zu den Möglichkeiten
> >    einer Erweiterung des Begriffs der Technik oder eines völligen
> >    Verzichts hierauf klar hervorgeht, dieser Betrachtungsweise
> >    verschlossen und wird sich wohl auch in Zukunft kaum für sie
> >    erwärmen. Auch dafür gibt es gute Gründe. Zunächst würde ein
> >    weniger streng gehandhabter Unmittelbarkeitsgrundsatz, selbst wenn
> >    man ihn nur den datenverarbeitungsgerechten Rechenvorschriften
> >    zugutekommen lassen wollte, auf längere Sicht mit hoher
> >    Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass die
> >    Patentierbarkeitsvoraussetzung der technischen Lehre ihre
> >    Abgrenzungsfunktion einbüßte und allen Lehren für verstandesmäßige
> >    Tätigkeiten Schritt für Schritt der Patentschutz eröffnet würde.
 
> Das sehe ich nicht so. Datenverarbeitungsprogramme grenzen sich von
> anderen linguistischen Konstrukten dadurch ab, dass sie zur Steuerung
> eines physischen Prozessors bestimmt sind. Ich kann noch nicht sehen,
> wie dadurch ein Patentschutz fuer "alle Lehren für verstandesmäßige
> Tätigkeiten" zustande kommen soll.

Nach der neuesten BGH-Rechtsprechung (s. vorigen Beitrag
"Sprachanalyse-Pingpong") müsste auch eine dichterische oder
kompositorische Technik als "Vorrichtung" patentierbar sein. Es ist dann
nur noch zu beurteilen, ob die (nicht-technischen) Merkmale, welche die
"Musikvorrichtung" von bekannten Vorrichtungen unterscheiden, neu und
originell sind.

S. dazu auch die zitierte Argumentation von Prof Tamai: Das, worauf die
Patentansprüche eigentlich abzielen, d.h. worin der eigentliche
erfinderische Wert liegt, ist von Prozessoren und sogar von Programmen
unabhängig.  Z.B. das Prinzip des Sortierens.  Dieses Prinzip qua
Verbindung mit einem Prozessor zu patentieren, ist inkonsistent.

> Was Kolle nicht gesehen hat, ist die potentielle Gefaehrdung von "Free
> Speech" durch das Patentrecht. Hier bietet die Quelltextprivilegierung
> Abhilfe.

Genau das hat er auch gesehen.

http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-kolle77/

   Würden nun aber die Lehren für verstandesmäßige Tätigkeiten
   schlechthin der Technik zugerechnet, wäre eben dies der Fall. Das
   Patentgesetz würde, wie der Bundesgerichtshof es plastisch formuliert,
   zum "Auffangbecken" für den Schutz jedweder geistigen Leistung, sofern
   sie nur neu und erfinderisch wäre. Eine solche, auch nur mögliche
   Monopolisierung des Denkens ist uns fremd. Schließlich ist ein
   lückenloses System des Ideenschutzes weder aus Gerechtigkeitsgründen
   geboten noch wäre es segensreich. Denn selbst wenn viele Anmeldungen
   an den Hürden der Neuheit oder Erfindungshöhe zu Fall kommen sollten,
   könnte kaum verhindert werden, dass ein qualitativ und quantitativ
   beträchtlicher Anteil von Geistesschöpfungen den Patentschutz erhalten
   würde, dessen Auswirkungen aber kaum zuverlässig abschätzbar sind und
   der mit der Sperrwirkung technischer Patente nicht vergleichbare
   Behinderungseffekte nach sich ziehen könnte.
 
> >    Vor allem aber sind erhebliche Zweifel angebracht, ob eine solche
> >    Ausnahme für das Gebiet der Informatik überhaupt vertretbar ist.
> >    Die ADV ist heute zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel in allen
> >    Bereichen der menschlichen Gesellschaft geworden und wird dies auch
> >    in Zukunft bleiben. Sie ist ubiquitär. Ist die Hardware-Industrie
> >    noch relativ leicht eingrenzbar, so gilt dies nicht mehr für die
> >    Software-Industrie, wo die Software-Hersteller ebenso sehr Anwender
> >    sind wie die überall zu findenden Software-Nutznießer auch
> >    Hersteller. Ihre instrumendale Bedeutung, ihre Hilfs- und
> >    Dienstleistungsfunktion unterscheidet die ADV von den enger oder
> >    weiter begrenzten Einzelgebieten der Technik und ordnet sie eher
> >    solchen Bereichen zu wie z.B. der Betriebswirtschaft, deren
> >    Arbeitsergebnisse und Methoden -- beispielsweise auf den Gebieten
> >    des Managements, der Organisation, des Rechnungswesens, der Werbung
> >    und des Marketings -- von allen Wirtschaftsunternehmen benötigt
> >    werden und für die daher prima facie ein Freihaltungsbedürfnis
> >    indiziert ist. Nach welchen Seiten hin auch immer aber ein
> >    patentrechtlicher Algorithmenschutz begrenzt würde -- durch die
> >    Bindung an eine bestimmte Maschinenkonfiguration oder sogar an eine
> >    ganz bestimmte Datenverarbeitungsanlage, durch den Anwendungszweck
> >    und das Anwendungsgebiet --, so ist doch die Gefahr offensichtlich,
> >    dass dieser Schutz eine weit über das mit herkömmlichen technischen
> >    Schutzrechten verbundene Maß hinausgehende Sperrwirkung entfalten
> >    und die Benutzung von Datenverarbeitungsanlagen nachhaltig
> >    blockieren könnte. Das zugunsten der Patentfähigkeit von
> >    Algorithmen oft gehörte Argument, dass diese nur in Verbindung mit
> >    digitalen Rechenautomaten nützlich sind, hat eine Kehrseite, weil
> >    sich eben gerade aus dieser Tatsache ergeben kann, dass der
> >    patentierte Algorithmus dann die Benutzung von Computern überhaupt
> >    verwehrt, weil eine Substitution durch andere Mittel oder einen
> >    anderen Algorithmus nicht möglich oder nicht zumutbar ist. So
> >    besehen erscheint der Denkansatz einer notwendigen
> >    "Vergesellschaftung" der Informatik, zumindest der Algorithmen,
> >    durchaus plausibel, will man nicht den im Gefolge eines
> >    Algorithmenschutzes wahrscheinlichen ungeheueren privaten
> >    Machtzuwachs -- naiv oder bewusst -- leugnen.
 
> Ok. Hier diskutiert Kolle aber nicht Einzelheiten der
> materiellrechtlichen Patentierungsvoraussetzungen, sondern moegliche
> negative Auswirkungen des Patentwesens auf den Softwaremarkt. Es ist
> eine Schwaeche der Kolle'schen Kritik, dass er den Einfluss des
> Ambivalenzbereiches nicht erkennt und daher auch nicht ins Kalkuel
> ziehen kann. Ich bezweifle allerdings auch, dass Kolle in 1977 den
> Ambivalzenzbereich haette erkennen koennen. Das waren noch andere
> Zeiten. Heute sind wir da weiter.

Falsch.  In mehrfacher Hinsicht.
1. Der "Ambivalenzbereich" ist Ergebnis deiner
   Argumentationsvoraussetzungen.  Es gibt ihn nicht a priori.
2. Die Argumentation mit dem Ambivalenzbereich ist alt.  Sie hat in
   den 60er Jahren dazu geführt, dass das BPatG Softwarepatente erteilte.
   Kolle schreibt darüber in dem zitierten Artikel:

http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-kolle77/

   Die Überlegung, dass jedem Computerprogramm und weitergehend sogar
   einer algorithmisierten Rechenvorschrift ein bestimmter Schaltzustand
   bzw eine bestimmte Schaltfolge im Computer entspreche, die ihrerseits
   nicht anders behandelt werden dürften als eine Festschaltung in Form
   eines Spezialrechners für eben dieses Programm oder diesen
   Algorithmus, beruht in ihrem Kern auf der wohlbekannten
   Äquivalenzlehre und ist schon deshalb anfechtbar. Die patentrechtliche
   Äquivalenztheorie ist als Hilfsmittel für die Feststellung der
   Erfindungshöhe und des Schutzumfangs einer patentierten technischen
   Lehre entwickelt wordne. Ihre Anwendung bei der Prüfung, ob ein
   konkreter Vorschlag dem Patentschutz überhaupt zug/aneglich, also
   technischer Natur ist, verbietet sich schon deshalb, weil
   Prüfungsgegenstand hier allein das ist, was tatsächlich beansprucht
   und offenbart ist, nicht aber das, was sein könnte. Aber selbst wenn
   die Lehre von den patentrechtlichen Gleichwerten auch in diesem
   Zusammenhang brauchbar wäre, so könnte sie deie ihr zugedachte
   Stu/tzungsfunktion nur dann erfüllen, wenn ein Durchschnittsfachmann
   aus der bloßen Offenbarung des erfindungsgemäßen Algorithmus bzw eine
   speziellen Programms ohne weiteres und unmittelbar entnehmen könnte,
   wie die entsprechende schaltungstechnische Lösung z.B. durch den
   Aufbau eines Spezialrechners zu bewerkstelligen wäre. Das ist aber,
   wie der 17. Senat selber nunmehr ausdrücklich und völlig zu Recht
   einräumt -- abgesehen vielleicht von ganz trivialen Fällen --, ohne
   erfinderisches Zutun nicht möglich.
   
   Trotz der -- aus Sicht der Informatik -- grundsätzlich bestehenden
   Austauschbarkeit von Hardware und Software, die zur Annahme auch einer
   patentrechtlichen Gleichwertigkeit verführt, sind
   Computerprogrammierung und Computer-Engineering nach
   Ausgangssituation, Arbeitsweise und verwendeten Mitteln zwei Paar
   Stiefel. Wie der Informatiker aus der Offenbarung eines komplexen
   Spezialschaltwerks nicht ersehen kann, wie er einen Universalrechner
   zu programmieren hätte, kann der Computeringenieur aus der bloßen
   Offenbarung eines Programms oder gar nur eines Algorithmus nicht
   ableiten, wie er einen Spezialrechner konstruieren müsste. Da der
   Algorithmus als solcher niemals geschützter Gegenstand der Erfindung
   wäre, sondern nur die spezielle Vorrichtung mit ihren
   baulich-funktionellen Merkmalen, wäre im übrigen für die Patentprüfung
   wahre Aktrobatik vonnöten: aus der Angabe des Algorithmus bzw der
   darauf aufbauenden spezifischen Steueranweisung in Form eines
   Programms projiziert der Prüfer als Durchschnittsfachmann gedanklich
   die ihm ja ohne weiteres mögliche Spezialschaltung, die er
   anschließend mit den im Stand der Technik vorgefundenen Schaltwerken,
   Computern etc. vergleicht! Dass die Annahme einer generellen
   Äquivalenz ein Irrweg ist, lässt sich schließlich auch am umgekehrten
   Fall demonstrieren: sie hätte nämlich zur Folge, dass jede
   Spezialschaltung mangels Erfindungshöhe nicht patentierbar wäre, wenn
   ein Universalrechner entsprechend programmiert werden könnte. Das ist
   aber in aller in aller Regel der Fall.
 
> > So sollte es zumindest sein.  D.h. das Datenverarbeitungsprogramm ist
> > lediglich ein Mittel zur Beschreibung des physischen Verfahrens, und
> > ob letzteres erfinderisch ist, hängt davon ab, ob es in neuer Weise
> > Naturkräfte einsetzt.  Das ist z.B. bei Datenkompression nicht der
> > Fall. 
 
> Sicherlich doch. Auch bei der Datenkompression mittels eines
> Mikroprozesssors arbeiten unzaehlige pn-Halbleiteruebergaenge oder
> MOS-Transistoren unter Energieumsatz zusammen. Walten da etwa keine
> Naturkraefte? Auch das Datenverarbeitungsprogramm hat, wenn es etwa im
> RAM gespeichert ist, durchaus einen physischen Aspekt:
> Ladungsverschiebungen bilden das Programm ab. Wenn die CPU diese
> Ladungsverschiebungen abtastet, sprich: einen RAM-Lesezugriff
> ausfuehrt, findet ein Energieumsatz statt. Warum soll man
> patentrechtlich diese Art Physis diskriminieren gegenueber, sagen wir
> einem ASIC, bei dem anstelle von Ladungsverschiebungen in
> CMOS-Kondensatoren (dynamisches RAM!) ohm'sche Widerstaende
> (Leiterbruecken) unter Energieumsatz abgetastet und zur Steuerung
> weiterer Ablaeufe herangezogen werden?

Ich sage nicht, dass man an dieser Stelle unterscheiden sollte.
Unser Richtlinienvorschlag schlägt andere Unterscheidungslinien vor:

    3. DV-Programme sind keine Erfindungen im Sinne des europäischen
       Patentrechts. Chemische Verfahren, Reifenbremsverfahren oder
       andere technische Verfahren können insoweit patentfähige
       Erfindungen sein, wie sie vom Computerprogramm nicht nur
       begrifflich sondern auch praktisch (im Hinblick auf die
       Rechtsausübung) trennbar sind. D.h. die Lösung des Problems muss
       in einem technischen Bereich jenseits des Programmierens liegen,
       und die daraus abzuleitenden Ausschlussrechte müssen sich auf
       materielle Gegenstände außerhalb des Programms wie z.B.
       Chemikalien oder Fahrzeug-Triebwerke richten. Entsprechendes gilt
       für alle in Art 52 (2) EPÜ aufgelisteten Kategorien
       nicht-patentierbarer Gegenstände.
    4. Unter Technik ist der Einsatz von Naturkräften zur unmittelbaren
       Verursachung einer Wandlung von Materie zu verstehen. Gegenstände,
       die sowohl technische als auch nicht-technische Merkmale
       enthalten, sind nur dann Erfindungen, wenn das als neu und
       erfinderisch Beanspruchte, also der Kern der Erfindung, im
       Technischen liegt. Ein durch ein DV-Programm auf bekannten Geräten
       gesteuerter technischer Prozess ist genau dann eine Erfindung,
       wenn er auf neue Weise Naturkräfte zur unmittelbaren Verursachung
       eines nach bisherigem Wissensstand nicht rechnerisch
       vorhersehbaren Erfolges bei der Herstellung materieller Güter
       nutzt.

Egal für welche Unterscheidung man sich entscheidet, wird man damit gegen
irgend jemanden "diskriminieren".  Letzteres Wort ist pure Polemik.
 
> > Um noch schärfer abzugrenzen kann man auch verlangen, dass der
> > technische Effekt nicht aufgrund des vorbekannten Wissensstandes
> > rechnerisch vorhersehbar sein soll.
 
> Was heisst hier "schaerfer abgrenzen"? Entweder man hat sauber
> abgegrenzt oder man hat es nicht. "Schaerfer abgrenzen" heisst doch
> wohl konkret, dass man der eigenen Begrifflichkeit nicht vertraut und
> lieber noch weitraeumig einen Schutzzaun um die
> "Datenverarbeitungsprogramme" legen moechte, in Kauf nehmend, dass man
> dadurch auch Gebiete dem Patentschutz entzieht, die im
> Ambivalenzbereich liegen und je nachdem mit Software nichts zu tun
> haben. 

Stimmt nicht.  Es werden nur Innovationen ausgegrenzt, die im Bereich
der Programmierlösungen liegen.

> Das vorgeschlagene Tatbestandsmerkmal, wonach "der technische Effekt
> nicht aufgrund des vorbekannten Wissensstandes rechnerisch
> vorhersehbar sein soll", ist ein Witz.

Ich finde eher:  die Patentierung von rechnerisch vorhersehbaren Lösungen
ist ein Witz.  Ein schlechter Witz, denn er macht gewisse Systeme der
Künstlichen Intelligenz zu potentiellen Patentanmeldern.

Das Patentwesen sollte daher m.E. in großem Umfang auf dieses
Ausschlusskriterium zurückgreifen.  Allerdings ist unser
Richtlinienvorschlag viel zurückhaltender.  Er schlägt das Kriterium der
rechnerischen Unvorhersehbarkeit nur für den Fall vor, wo zwischen einer
Programmierlösung und einem technischen Prozess abgegrenzt werden muss.

> Ausgestaltung der materiellen Patentfaehigkeit in Abhaengigkeit von
> der Taktfrequenz von verfiuegbaren Computern? Und ueberhaupt:
> Makroskopische Quentensysteme sollten stets sich kausal
> deterministisch verhalten, also vorberechenbar sein. Da bleibt auch
> kein verbesserter Dieselmotor mehr uebrig, der dann noch patentfaehig
> waere.

Die grundsätzliche Annahme eines kausalen Determinismus hat nichts mit
Vorherberechenbarkeit nach bisherigem Wissensstand zu tun.  

Der verbesserte Dieselmotor wäre in den meisten Fällen überdies schon
deshalb patentfähig, weil gar nicht gegen ein Steuerungsprogramm
abgegrenzt werden muss.  Z.B. bewegt sich ein neuer Katalysator-Aufbau in
den wenigsten Fällen im Rahmen einer Gebrauchsanweisung an bestehende
Komponenten.

> > > Das vom Computer gedanklich völlig losgelöste
> > > Datenverarbeitungsprogramm ist als reines linguistische Konstrukt
> > > patentrechtlich stets bedeutungslos, 
> > 
> > Tautologisch: "Ein blutleerer Kunstbegriff ist bedeutungslos"
> > Irreführend: "Programmierverbote sind bedeutungslos" 
> > 
> > Wunderst du dich, dass das Wort vom "Rechtsverdreher" die Runde macht?
> 
> Rhetorik ersetzt nicht Argumentation.
> 
> Was soll hier bitte schoen das Jonglieren mit Worten wie "blutleer"??

Ich hätte eher "nicht klar fassbar" oder "missverständlich" sagen sollen.

So etwas wie das "gedanklich völlig losgelöste DV-Programm" ist ein
Konstrukt, das sich Patentjuristen ausgedacht haben, um den Art 52 konfus
erscheinen zu lassen.  Eigentlich wäre eine Auslegung wie die unsere
vorzuziehen, die dem Gesetzgeber Intelligenz unterstellt.
 
> > > denn seine Funktionalität erschließt sich erst aus der
> > > Wechselwirkung mit dem ihm zugedachten Prozessor."
> > 
> > Die Funktionalität eines Programms erschließt sich bereits aus der
> > abstrakten Konstruktion.
 
> Nein. Wenn ich eine CD-ROM nehme und die einzelnen Bits messtechnisch
> ermittle, bedeuten diese noch gar nichts. Erst wenn ich ein bestimmtes
> hypothetisches Vorwissen einbringe, etwa "es handelt sich um ein
> Jouliet-Filesystem mit einer fuer einen Pentium bestimmten Bitfolge"
> erschliesst ich die Funktionalitaet.

Genau, du sagst es.
Indem ich Vorwissen einbringe, erschließt sich etwas.
All dies findet innerhalb meines Verstandes statt und ist an einem
abstrakten Logikgebäude zu verifizieren.
Jegliches empirische Experimentieren ist unnütz und führt sogar in die
Irre.
  
> >  Datenkompression kann man im Kopf
> > durchführen. 
 
> Ja sicher kann man das. Aber die Bitfolge eines
> Datenkompressionsprogrammes erkenne ich erst und kann sie nur dann
> gegenueber anderen Inhalten abgrenzen, wenn ich eine Annahme darueber
> investiere, an welchen Prozessor sich die Bitfolge richtet.

Die Bitfolge eines Datenkompressionsprogrammes wird von dem jeweiligen
Patent sicherlich nicht beansprucht.  Und selbst wenn so etwas im Anspruch
stünde, wäre es nur ein sekundäres, künstlich Konkretheit schaffendes
Zusatzmerkmal, das nichts mit dem erfinderischen Konzept zu tun hat.

> > Für jede Formalsprache, die gewisse Anforderungen
> > erfüllt, kann man eine automatische Übersetzung in
> > Prozessoranweisungen bewerkstelligen.
 
> So what? Ich kann z.B. einen (virtuellen) C++-Prozessor definieren,
> d.h. ich lege fest, was passieren soll, wenn ein C++-Programm
> abgearbeitet wird. Wenn ich dann ein C++-Programm scchreibe, ist
> dessen Funktionalitaet insoweit festgelegt.  Nur unter dieser
> Voraussetzung ist Compilerbau moeglich.

Was ich in C++ schreibe, ist von dem verwendeten Compiler unabhängig.
Die Anweisungen sind auf den verschiedensten Rechnern, übersetzt über die
verschiedensten Kompilierprogramme, ausführbar.
Das abstrakte Konzept, auf welches ein typischer Wirkungsanspruch zielt,
ist in noch viel höherem Maße von Prozessoren jeglicher Art unabhängig.
 
> > > </color>D.h., bei Computersoftware waere allenfalls der vom
> > > Prozessor getrennte Code als nicht patentfaehiges "linguistisches
> > > Konstrukt" im Sinne eines "Datenverarbeitungsprogrammes als solchem"
> > > auffassbar. Allerspaetestens in dem Augenblick, in dem man einen
> > > Prozessor ins Spiel bringt, hat man sozusagen schon ein Getriebe
> > > geschaffen und ist mitten im Haifischbecken der jeweils
> > > einschlaegigen Patentanprueche.
> > 
> > Warum kannst du dich nicht mal von der Sichtweise der Patentlobby
> > lösen? 
> 
> Sorry, aber was waere, wenn diese Sichtweise die richtige Sichtweise waere? 

Es gibt viele Sichtweisen.  Wenn man sich nicht von einem konventionellen
Begriffssystem lösen kann, hat man keine Möglichkeit, dessen Vor- und
Nachteile abzuwägen.

> Wuerde sie dadurch unrichtiger, dass die "Patentlobby" sie teilt (was
> auch immer der Begriff "Patentlobby" hier im Einzelnen bedeuten mag)?

Das Begriffssystem des Patentwesens wurde nicht im Hinblick auf
Computerprogramme geschaffen.  Es wäre daher sehr überraschend, wenn es
für diese Materie besonders tauglich wäre.  Dass das Patentwesen ein
Interessennetzwerk bildet, in dessen Sprache sich Machtkalküle
hineinmischen, kommt verunreinigend hinzu.

> > So wurde das Gesetz anfangs nicht gesehen, und so muss man es
> > heute auch nicht sehen.  Diese Sichtweise schafft so viele Probleme
> > und Widersprüche, dass nicht umsonst das Wort vom "Rechtsverdreher"
> > die Runde macht, oder wie Dr. Kiesewetter-Köbinger es am Schluss
> > seines Papiers 
> > 
> >  http://swpat.ffii.org/vreji/papri/patpruef/
> > 
> > zitiert, die Patentjuristen sich mit der Frage konfrontiert sehen: 
> > "Sag mall, habt ihr sie noch alle?"
> 
> Pure inhaltsleere Polemik.

Bezieht sich das nur auf den Schlusssatz des Artikels oder auf den ganzen
Artikel?
  
> > Auch darüber haben wir hier schon ausführlich diskutiert.  Ein Patent
> > ist ein Recht AUF die exklusive Verwertung einer "Erfindung".  DarAUS
> > ergibt sich wiederum das Recht auf die exklusive Verwertung einer
> > "Erfindung".
 
> Nee. Der Erfinder (oder sein Rechtsnachfolger) hat ein Recht AUF das
> Patent gemaess u.a. den materiellen Patentierbarkeitsvoraussetzungen
> in Artikel 52 EPÜ bzw. in § 1 PatG. Die ganze FFII-Schrauberei an den
> materiellen Patentierbarkeitsvoraussetzungen gehoert darum in diese
> Schublade.

Du meinst die Schrauberei des EPA, der EU-Kommission und der zahlreichen
Diskutanten in juristischen Fachzeitschriften.  All diese Leute
interessieren sich nämlich aus gutem Grunde in erster Linie für
die materiellen Patentierbarkeitsvoraussetzungen.
 
> > Klar, auf die Modalitäten sollte man schon schauen.  Z.B. könnte man
> > (1) darauf bestehen, dass sich AUS dem Patent nicht das Recht ergibt,
> > die
> >   Veröffentlichung von Gebrauchsanweisungen und
> >   Verfahrensbeschreibungen zu unterbinden, so sehr diese auch der
> >   Durchsetzung des Verfahrensmonopols abträglich sein mögen.  
> > (2) klarstellen, dass DV-Programme eine Unterart der
> > "Gebrauchsanweisungen
> >   und Verfahrensbeschreibungen" sind.
> 
> Das Quelltextprivileg zielt in diese Richtung.
> 
> > Hieraus müsste sich dann ergeben, dass alle DV-Programme frei
> > veröffentlicht, verbreitet und verkauft werden können, so sehr das
> > auch den Versuch, ein Monopol auf das Verfahren zu etablieren, in der
> > Praxis vereiteln könnte.
> 
> Wenn ich das richtig verstehe, wuenscht der FFII eine Ausdehnung des 
> Quelltextprivileges auch auf Binaries?

Es gibt bisher kein "Quelltextprivileg".  Insofern kann auch von einer
Ausdehnung keine Rede sein.  Ansonsten ist die Vermutung richtig.  Unser
Richtlinien-Entwurf sieht ein Programm als duales Wesen:  

    1. Unter einem "Programm für Datenverarbeitungsanlagen", kurz
       "DV-Programm" genannt, ist das Programm in all seinen
       Entwurfsstufen, vom gedanklichen Plan bis zu der von einem
       Menschen oder einem Prozessor ausführbaren Anweisung zu verstehen.
       Ein DV-Programm ist Bauplan und Gebrauchsanweisung,
       Verfahrensbeschreibung und Problemlösung, Sprachkunstwerk und
       virtuelle Maschine, Erzeugnis und Verfahren zugleich.

Bisher ist keineswegs klar, dass die Verbreitung von Informationsgütern
durch Patente untersagt werden darf.  Warum sollte nur der von
Patentanwälten in den Vordergrund gestellte "virtuelle Maschine"-Aspekt
Berücksichtigung finden?

Im Falle einer Klage könnte man sich möglicherweise darauf berufen, dass
Computerprogramme nichts anderes als Verfahrensbeschreibungen oder
Gebrauchsanweisungen seien.  Man könnte dann auch auf Art 5 GG o.ä.
pochen.

Wo es ein "Privileg" auf Nicht-Zensur gibt, gibt eine Zensur. Durch
Einführung des Begriffs "Quelltextprivileg" argumentiert Ihr auf
indirektem Wege dafür, dass die Möglichkeit der Zensierung von
Informationen durch das Patentrecht offiziell sanktioniert wird.
 
> > > Eine Klausel "Kunststoffe als solche sind nicht patentfaehig"  sagt
> > > naemlich nur etwas ueber das Recht AUF das Patent, nicht ueber das
> > > Recht AUS einem Getriebepatent.
> > 
> > Wenn Kunststoffe nicht patentfähig sind, können Getriebe trotzdem
> > patentfähig sein, und unter ein solches Patent fällt auch ein
> > Kunststoffgetriebe.
> > 
> > Das hat mit der AUS-AUF-Unterscheidung nichts zu tun.
 
> Doch. Die Einschraenkung der materiellen Patentierbarkeit von
> Kunststoffen als solche auf der "AUF"-Seite verhindert eben nicht,
> dass auf der "AUS"-Seite eine Patentverletzung stattfindet, wenn ein
> bestimmtes Getriebe vermarktet wird, sei dies nun aus Kunststoff oder
> nicht. 

Das ist doch gut so!
Niemand will so etwas verhindern.
Wir wollen auch nicht verhindern, dass industrielle Verfahren patentiert
werden, sofern sie von einer Programmierlösung sauber abgrenzbar sind,
wie das bei Kunststoff vs Getriebe der Fall ist.

> Es zeigt, dass gesetzgeberische Modifikationen auf der
> "AUF"-Seite untauglich sein koennen, um bestimmte Ergebnisse auf der
> "AUS"-Seite zu erzielen.

In unserem Fall erweist sich diese Sorge als unbegründet.

> Ich bemuehe mich nach Kraeften, Zusammenhaenge zu erklaeren, aber ich
> erwarte, dass evtl. Disputationsgegner wenigstens ernstliche
> Anstrengungen machen, ein etabliertes Zeichensystem zu verstehen. Sich
> hinsetzen und sagen: "Erklaer mir bitte bestimmte Detailfragen des
> Patentrechtes, aber verwende nicht dessen Begrifflichkeit" faellt
> leider aus.

RMS sagte zu Anfang der Diskussion mit Schiuma offen, dass er nicht daran
interessiert ist, das Zeichensystem der deutschen Patentjurisprudenz im
Detail zu verstehen.  Sofern er an patentjuristischen Problemen
interessiert sei, frage er dazu diejenigen Berater, denen er vertraue,
nämlich Smets, Pilch u.a.

Er wollte die Diskussion ganz auf die Frage des gesellschaftlichen Nutzens
von Softwarepatenten beschränkt wissen.  Er erwartet von Juristen, dass
sie es als ihre Aufgabe ansehen, die Konsequenzen aus einer solchen
Diskussion in Gesetzestexte umzusetzen.  Genau deshalb, weil sie dies
nicht tun sondern selber die Regeln bestimmen wollen, hat RMS allen Grund,
ihnen zu misstrauen.

D.h. RMS ist tatsächlich kein Diskussionspartner für die Art von
Diskussion, die wir hier führen.  Ich bin es wohl, und ich bin auch dafür
dankbar, dass du geduldig diskutierst.  Auch wenn manchmal ob des zähen
Fortschreitens etwas ungeduldig.
 
> > > Z.B. duerften die meisten im Bereich Handy- Telefone erzielten
> > > Patente per Software implementiert werden.
> > 
> > NB: Es sind eben Softwarepatente.  "computer-implementiert" ist
> > angesichts der heutigen Sachlage ein Euphemismus.  Der Begriff wurde
> > aus der Konfusion geboren und dient der Erzeugung von Konfusion.  In
> > den meisten Fällen wird ein Problem patentiert, dessen Lösung nur im
> > Programmieren bestehen kann.  Auch wenn es eine "Hardware-Lösung" ist,
> > handelt es sich dann nur um ein nachträglich fest verdrahtetes und
> > irgendwo eingebettetes Programm.
 
> Polemik, aus der zu erkennen ist, dass die Rolle der Turing-Maschine
> in der zeitgenoessischen Technik noch nicht verstanden wurde. Mit
> einer Turing-Maschine kann man _alles_ berechnen, was ueberhaupt
> berechenbar ist. Insbesondere kann man mit einer einzigen
> Turing-Maschine das Verhalten aller anderen denkbaren Turing-Maschinen
> simulieren. Es ist nicht verwunderlich, dass ein grosser Teil
> zeitgenoessischer Erfindungen sich in der Terminologie der
> Turing-Maschine ausdruecken liesse.

M.E. lässt sich jedes Verfahren in dieser Terminologie ausdrücken.
Die Frage ist nur, ob man es tatsächlich unternehmen will, das jeweilige
Verfahren mit einem Prozessor zu steuern.

> Deshalb ist es wichtig, die Ausdruecke "computer-implementierbar"
> fuer "Turing-kompatibel" und "computer-implementiert" fuer
> "tatsaechlich mit einer Inkarnation einer Turing-Maschine
> verwirklicht"  einzufuehren und in ihren Konsequenzen zu analysieren.

Non sequitur.
Mit dem Begriff "computer-implementierbar" wird die gewünschte
patentrechtliche Wertung bereits vorweggenommen.  Es wird
impliziert:

(1) Der Computer ist ein Ausführungsmittel unter vielen
(2) Die Unterscheidung zwischen Hardware und Software ist sekundär    

Beides erweist sich meistens, auch in Eurem Ambivalenzbeispiel, bei
näherem Hinsehen als falsch:  die "Erfindung" liegt im Programmieren und
alle anderen Möglichkeiten sind sekundär, werden aus ersterer abgeleitet
und möglicherweise noch nicht einmal offenbart.

Ferner wird durch "computer-implementierbar" etwas falsches suggeriert:

(3) Es gibt Verfahren, die nicht per Computer steuerbar wären
(4) Zwischen Steuerung und Implementierung gibt es keinen Unterschied.
(5) Zwischen der Steuerungs- und der Beschreibungsfunktion eines
    Computerprogramms gibt es keinen Unterschied -- nur die Äquivalenz
    zwischen computerisierten und nicht computerisiserten Prozessen ist
    patentrechtlich bedeutend.

Ein sehr schönes Beispiel für die tendenziösen und missverständlichen
Begrifflichkeiten der Patentjuristen, von denen der Pädagoge und Aufklärer
Richard Stallman verschont bleiben wollte.    
 
> > > Die Programmierer werden dort aber hinsichtlich der von ihnen per
> > > Code verwirklichten Funktionalitaeten von der Unternehmensleitung
> > > eher an der kurzen Leine gefuehrt, d.h. sie koennen nicht nach
> > > eigenem Gutduenken in die Handys das hineinprogrammieren, was ihnen
> > > gerade einfaellt. Ob den Programmierern das im Einzelnen gefaellt
> > > oder nicht, ist gesamtwirtschaftlich auch belanglos, denn die
> > > unternehmrische Verantwortung und Entscheidung darueber, was an
> > > Funktionalitaet in die Handys hineinkommt und wie diese Handys sich
> > > dann im Markt plazieren, liegt beim Management und nirgendwo sonst.
> > > Und das Management ist sich in diesen Grossorganisationen durchaus
> > > des Patentwesens (negativ wie positiv) bewusst.
> > 
> > Richtig.  Die meisten können mit und ohne Swpat gut leben.
> > Allerdings ist es sehr wohl möglich, dass dieser Bereich (bc)
> > demnächst umorganisiert wird. Viele Telefonschaltanlagen werden
> > demnächst vielleicht durch freie Software auf Universalrechnern
> > verwirklicht. Es besteht also wenig Grund, für den Bereich (bc) ein
> > Festhalten an Softwarepatenten zu fordern.
> 
> ???
> 
> Diese Firmen _wollen_ Patentschutz fuer ihre Erfindungen, wie man an den 
> Anmeldezahlen ablesen kann.

Du enttäuscht mich.
Ich dachte, nur Herr Tauchert brächte es fertig, so etwas ernsthaft
öffentlich zu äußern.

Kennst du wirklich nicht den Unterschied zwischem 

(1) Bewertung einer gegebenen Wettbewerbsordnung im Hinblick darauf,
    wie man als Betrieb am besten unter dieser Ordnung überlebt
(2) Bewertung dieser Wettbewerbsordnung im Hinblick darauf, ob sie 
    für den eigenen Betrieb die wünschenswerteste Ordnung ist
    
> > Ich bezweifle, ob im Bereich der eingebetteten Systeme wirklich ein
> > Interesse an Swpat besteht.  Es mag ein paar Lobbyisten und
> > eingefleischte Interessen geben.  
 
> Ich verweise auf die Anmeldezahlen. Die Vorstellung, dass der Vorstand
> inclusive CEO am Gaengelband der Rechts- bzw. Patentabteilung laeuft,
> ist abwegig.

Wer sagt das denn?
Der Vorstand hat meistens sich zu obigem Punkt 2 keine Gedanken gemacht.
Wird er gefragt, so verweist er die Frage weiter an seine Juristen.
 
> > Aber insgesamt gibt es gerade in
> > diesen Bereichen hervorragende Möglichkeiten des Investitionsschutzes
> > durch Urheberrecht und insbesondere Betriebsgeheimnis, Dienstleistung
> > etc.  
 
> Das Urheberrecht schuetzt nur die Ausdrucksform, nicht die
> zugrundeliegenden Prinzipien.

Ich würde sagen:  das Urheberrecht verhindert nur das Kopieren, nicht das
Nachbauen.

Genau das kann aber die für alle bessere Regel sein.  Denn Nachbauen von
Telekommunikationssoftware ist hinreichend schwierig.  Und ein absoluter
Schutz dagegen schafft mehr Probleme als er löst.
 
> Betriebsgeheimnis funktioniert nicht. Der Geheimnistraeger braucht
> bloss zu kuendigen und zur Konkurrenz zu gehen. Schaltplaene und Code
> darf er zwar nicht mitnehmen, braucht er aber auch gar nicht. Er hat
> ja bei seinem bisherigen Arbeitgeber was gelernt und kann das Gelernte
> bei seinem neuen Arbeitgeber einsetzen, um Ruck-Zuck ein noch besseres
> System hochzuziehen.

Non sequitur.
(1) Das Unternehmen braucht bloß seine Mitarbeiter gut zu behandeln
(2) So ruck-zuck geht das nicht.  Softwareentwicklung ist nicht so
    trivial.  Bloß die Prinzipien, die patentiert werden, sind trivial.
    Zudem ist der Zeitvorteil des ersten Unternehmens viel wert.  
    Neben dem Zeitvorteil gibt es zahlreiche weitere Faktoren, welche
    die Kunden beim ersten Unternehmen halten.
 
> > Gerade ein eingebettetes System lässt sich nicht leicht schnell
> > nachbauen, und nur wenige Konkurrenten sind in der Lage, die
> > entsprechende Erfahrung zu sammeln.  Die damit zusammenhängenden
> > Patente wiederum sind wie die meisten Softwarepatente unsäglich
> > trivial und führen dazu, dass einige weniger produktive Firmen sich
> > ganz darauf spezialisieren, der Branche ein Bein zu stellen. 
> > 
> > > Die unter ac) und bc) fallenden Unternehmen haengen mittendrin und
> > > werden sich fallweise mal auf die eine Seite, mal auf die andere
> > > schlagen.
> > 
> > Ich sehe die Grenzlinie eher zwischen den Softwareentwicklern und den
> > Patentjuristen.  
 
> Nee, nee, vielleicht eher zwischen den SW-Entwicklern und dem
> Vorstand. Dieser Gegensatz existiert aber nicht erst seit der
> SWPAT-Debatte. Auch Rechtsanwaelte wurden frueher schon von den
> Techies gern als "Rechtsverdreher" tituliert, egal womit sie die
> "Techies" auf Geheiss des Vorstandes "belaestigt" haben.

Der Vorstand ist mal auf der einen, mal auf der anderen Seite.
Davon abhängig, wie viele Gedanken er sich gemacht hat und wem er
vertraut.
 
> > Eure Studie verwendet auffällig viel Energie darauf, die von uns
> > bevorzugten Handlungsoptionen als unrealistisch darzustellen.  Dabei
> > wird auch auffällig einseitig argumentiert. Das tut man normalerweise
> > nur dann, wenn von solchen Handlungsoptionen eine reelle und
> > gefährliche Überzeugungskraft ausgeht.
 
> Das eigentlich unangenehme an der FFII-Argumentation ist deren
> lockerer Umgang mit Halbwahrheiten.

Welche FFII-Argumentation?  Du meintest doch wohl nur mein persönliches
Schreiben, auf das du antwortetest, oder?

Ist es etwa nur halbwahr, dass Eure Studie gleich am Anfang dein Argument
vom "Ambivalenzbereich" darlegt und dann sowie später an verschiedenen
Stellen sehr viel Raum verwendet, um für die grundsätzliche Bejahung der
Patentierbarkeit von Software und der derzeitigen Rechtsprechungspraxis
argumentiert?

Den anderen Teil der Wahrheit, nämlich dass Ihr zu allen möglichen derzeit
nicht anstehenden Fragen Stellung nehmt, um z.T. sinnvolle Reformen
anzuregen, habe ich keineswegs unterschlagen.

-phm