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Re: Telepolis über Lutterbeck-Gutachten und FFII



On 29 Dec 2000, at 13:24, PILCH Hartmut wrote:

> > > > denn, man hoehlt das ganze Patentsystem so weit aus, dass alle
> > > > auch nur theoretisch per Mikroprozessor ausfuehrbaren
> > > > Erfindungen aus dem Patentsystem herausgenommen werden.
> > >
> > > Ich streite die Existenz dieses Ambivalenzbereiches ab.
>
> > Aeh... Wiebitte? Nunja, das Gutachten zitiert einen Patentanspruch,
> > der dieser Kategorie zugehoerig ist und insbesondere dessen schiere
> > Existenz verdeutlicht:
>
> Das genannte Patent ist ein Patent auf ein Problem, dessen Lösung im
> Programmieren liegt. Ich sehe nichts, was irgendwie über das
> Programmieren im Rahmen vorbekannter Ausgangsbedingungen hinausginge.

Nein. Man muss ja erst mal auf die Idee kommen, dass die in diesem Patent beanspruchte Vorrichtung / das in diesem Patent beanspruchte Verfahren geeignet sind, eine vorteilhafte Verschluesselung zu ermoeglichen. Dafuer gibt's das Patent. Wer dem Meinung ist, dass gerade dieser Patentanspruch trivial sei, moege das durch konkreten Aufweis eines vor dem Anmeldetag liegenden Standes der Technik begruenden. Vergleichsweise trivial ist es dagegen, anhand des Patentanspruches und unter Zuhilfenahme der dazugehoerigen Patentbeschreibung eine konkrete Implementation in einer geeigneten Programmiersprache zu codieren. Das ist eine Frage der allgemeinen Sachkenntnis und der Ausdauer, nicht aber eine Frage der erfinderischen Leistung.

> > Steuerblöcke und / oder Ausgangsblöcke einer jeweils vorhergehenden
> > Operation dienen, und
>
> > Was gibt es hier noch an der _Existenz_ des Ambivalenzbereiches zu
> > zweifeln?
>
> Ob etwas ambivalent ist, hängt von den Unterscheidungskriterien ab,
> mit denen man es dem einen oder anderen Bereich zuzuschlagen versucht.
> Sind diese unscharf, so ergibt sich ein großer Ambivalenzbereich.
>
> Dass die Unterscheidung "Hardware vs Software" im landläufigen
> Sprachgebrauch unscharf ist, lohnt sich kaum festzustellen.
>
> Es hat mich daher sehr verwundert, dass in Eurem Gutachten zunächst
> lang und breit mit schönen Grafiken ein solcher Ambivalenzbereich
> festgestellt wird.
>
> Wer hätte das gedacht?

Wie werden denn Patente erteilt? Das laeuft doch so ab, dass der Anmelder (ggfs. sein Angestellter in der Patentabteilung / sein Patentanwalt etc. pp) einen Wunsch-Patentanspruch formuliert (Wir hatten das Problem dieser Wunsch- Patentansprueche schon mal durchgenommen, als es um die Unterscheidung zwischen Offenlegungs- und Patentschriften ging).

Dieser Wunsch-Patentanspruch wird irgendwann im Patentamt dem Patentpruefer vorgelegt. Der Patentpruefer kann diesen Anspruch gewaehren oder aber beanstanden bzw. zurueckweisen, aendern darf er ihn von sich aus nicht.

Wenn sich der Pruefer nun Gedanken macht, ob der Anspruch etwas mit Software zu tun hat oder nicht, bekommt er es automatisch mit dem Ambivalenzbereich zu tun. Manche Patentansprueche geben in ihrem Wortlaut klar zu erkennen, dass SW im Spiele ist, andere nicht. Der Pruefer kann aber letztlich nur "ja" oder "nein" sagen. Will er "nein" sagen, weil ihm ein Patentgesetz in irgendeiner Weise die Erteilung von im Zusammenhang mit Software stehenden Patentanspruechen verbietet, steht er bei Anspruechen im Ambivalenzbereich sozusagen "auf dem Schlauch": Er kann dem Wortlaut _des Patentanspruches_ nicht entnehmen, ob eine Softwareloesung gemeint ist oder nicht.

Rein theoretisch waeren zwei Ansaetze zur Aufloesung des Dilemmas denkbar:

a) Der Patentpruefer weist alle Patentansprueche zurueck, bei denen er nicht mit Gewissheit erkennen kann, dass ihr jeweiliger Gegenstand *niemals* als Inkarnation einer Turing-Maschine realisierbar ist. Dann werden nur noch oelverschmierte Pleulstangen patentiert und kein Programmierer braucht sich um Patente zu kuemmern.

b) Der Patentpruefer weist nur diejenigen Patentansprueche zurueck, deren Wortlaut klar zu erkennen gibt, dass ihr jeweiliger Gegenstand mittels Software auf einem Rechner zu implementieren ist. Dann muessen sich Programmierer noch auf patentrechtliche Kalamitaeten aus solchen erteilten Patentanspruecken einstellen, die dem Ambivalenzbereich zuzurechnen sind.

Die Alternative zu a) ist der Traum vom Programmer's Paradise, der nicht kommen wird, da er - wie bereits zuvor von mir dargelegt - weite Bereiche der Technik vom Patentschutz ausschliesst, in denen das Patentwesen gar nicht infrage gestellt wird.

Die Alternative zu b) hilft den Programmierern auch nicht.

Daher der Ansatz des "Quelltextprivilegs".

Aus der Perspektive des Patentpruefers duerfte die Bedeutung des Ambivalenzbereiches klar werden. Es gibt keine "Softwarepatente". Es gibt nur "computer-implementierte" Erfindungsgegenstaende und "computer-implementierbare" Erfindungsgegenstaende sowie die Differenzmenge davon - eben den "Ambivalenzbereich". So erfahert es auch der Verletzungsrichter. Alles andere ist begrifflicher Humbug.

> > > Die unter
> > >
> > > http://swpat.ffii.org/stidi/eurili/
> > >
> > > formulierte Regel schafft eine scharfe, unambivalente Trennung,
> > > die das Patentsystem keineswegs aushöhlt und sogar sehr viele per
> > > Rechner steuerbare Erfindungen drinnen lässt, ohne deshalb die
> > > Steuerungsprogramme patentierbar zu machen.
>
> > Hierbei geht es wohl nicht um die Existenz eines
> > Ambivalenzbereiches, sondern allenfalls hoechst implizit um den
> > patentrechtlichen Umgang mit demselben.
>
> Ja, genau.
> Obige Regel lässt, soweit ich es aufgrund bisheriger Prüfung übersehen
> kann, keinen nennenswerten Ambivalenzbereich aufkommen.

Nein. Der Ambivalenzbereich bleibt. Die Frage ist aber, welche Rechtsfolgen an einen Befund geknuepft werden, dass ein bestimmter Patentanspruchsgegenstand im Ambivalenzbereich zu verorten ist. Auch die oben angegebenen theoretischen Alternativen zu a) bzw. b) legen insoweit eindeutige Rechtsfolgen fest. Dadurch wird aber der Ambivalenzbereich nicht aufgehoben; es wird lediglich ein (hier fiktiver) Ansatz dafuer gemacht, wie auf der Seite der materiellen Patentierbarkeitsvoraussetzungen mit Patentanspruchsgegenstaenden im Ambivalenzbereich zu verfahren sei.

> > > Aber selbst wenn es einen Ambivalenzbereich gäbe, wäre dein
> > > Argument m.E. nichtig. Denn in unserem Rechtssystem haben wir
> > > sehr viele Ambivalenzbereiche. Oder sollen wir demnächst deshalb,
> > > weil es Ambivalenzen gibt, das Strafrecht abschaffen und durch
> > > eine "Einheitsstrafe für alle" ersetzen?
>
> > > Sicherlich sind Ambivalenzen zu vermeiden. Wir können sie in der
> > > Swpat-Frage auch vermeiden. Aber sollte das nicht gelingen, so
> > > liegt darin kein Grund, ein schlechte Regelung zu bejahen.

Das fuehrt vom Thema weg. Natuerlich gibt es ueberall Ambivalenzen. Hier ist eine praezise definierte Ambivalenz aufgezeigt worden, und der Streit geht darum, welche Rechtsfolgen an diese Ambivalenz geknuepft werden sollen.

> > Verstehe nicht, was damit ausgedrueckt werden soll. Die Aussage des
> > Gutachtens geht m.E. dahin, dass es einen Bereich von Gegenstaenden
> > von Patentanspruechen gibt, eben den "Ambivalenzbereich", dessen
> > Elementen man nicht ohne weiteres ansehen kann, ob diese auf den
> > Softwaremarkt zielen oder nicht. Bei dem oben zitierten Patent
> > konnte netterweise auch noch ein Statement der Patentinhaberin
> > beigebracht werden, aus dem hervorgeht, dass sowohl an eine
> > Hardwareloesung als auch an eine Softwareloesung gedacht sei.

Ja, da steht irgendwo in der Beschreibung ein solcher Satz. Der Schutzumfang wird in allererster Linie durch die erteilten Patentansprueche festgelegt, und in dem von mir zitierten Anspruch steht dazu _nichts_. Wieweit soll der Patenpruefer im Patentamt gehen? Soll er die Patentbeschreibung heranziehen? Wenn darin nichts steht: Soll er eigene Spekulationen anstellen und begruenden, warum er darin ein "Softwarepatent" sieht oder auch nicht sieht? Ist von der Technik am Anmeldetag auszugehen, oder darf auch eine spaetere Leistungssteigerung von Rechnern einbezogen werden?

Und: Wie interpretiert der Verletzungsrichter dann diesen Anspruch?

All das muss zu einer nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit fuehren. Daher bezieht sich der im BMWi-Gutachten benutzte Begriff des "Ambivalenzbereiches" ausschliesslich auf den _Wortlaut der Patentansprueche_.

> > Wenn
> > man an den materiellen Patentierbarkeitsvoraussetzungen in Art. 52
> > EPÜ bzw. in § 1 PatG herumschraubt, schafft man es wegen des
> > Ambivalenzbereiches nicht, gezielt nur solche Gegenstaende von der
> > Patentierbarkeit auszuschliessen, die als Software daherkommen, ohne
> > die Patentfaehigkeit von Hardwareerfindungen zu beeintraechtigen.
>
> Man könnte es schaffen, indem man auf Hardwarelösungen gerichtete
> Ansprüche zulässt. Das mag inkonsistent sein, aber inkonsistent sind
> Swpat-Funktionsansprüche ohnehin. Während sie eigentlich auf
> abstrakte Prinzipien zielen, müssen sie diese so oder so in eine
> konkrete "technische" Funktionalität einkleiden.

Aha. Einerseits gilt also die gegenseitige Austauschbarkeit von Hard- und Softwareloesungen als trivial, wenn es darum geht, sich ueber den Begriff "Ambivalenzbereich" zu mokieren. Andererseits setzt man sich auch ueber Selbstverstaendlichkeiten hinweg, wenn es ins eigene taktische Kalkuel passt. Warum soll man, sagen wir, eine Kanalwahlvorrichtung in einem Funkgeraet fuer patentierbar halten, wenn sie in Silizium gegossen ist, waehrend genau dieselbe Funktionalitaet mit einem eingebetteten Microcontroller draussen vor bleiben soll? Kann man das rational begruenden? Und: Ist das nicht ein Baerendienst an der gesamten Wirtschaft? -Hier werden doch ggfs. Firmen mit einem Patent belohnt, die Funktionalitaeten in Silizium giessen, wo doch eine Softwareloesung besser waere?

> Das hat Prof Tamai
> (Wirtschaftswissenschaftler Univ Tokyo) sehr schön analysiert.
> Angebliche (In)konsistenz ist also kein Argument, das unsere Wahl bei
> der Gestaltung von Art 52 entscheidend beeinflussen darf.

Ein Freibrief fuer gesetzgeberisches Gekraute?

Kann man die Ausfuehrungen von Tamai irgendwo _auf Englisch_ im Netz nachlesen?

[...]

> Es ging um die Entkräftung deiner Prophezeiung durch Verweis auf
> analoge historische Erfahrungen. Niemand weiß so genau, wie tief das
> Patentwesen wirklich in den Unternehmen verankert ist.

Dank der nunmehr anstehenden Feldforschungen der FhG werden wir es sicherlich bald wissen.



> > Wieso soll ich es "als solche" streichen? Wer Buchstaben lesen kann,
> > wird diese beiden Worte auch in Art. 52 EPÜ und in § 1 PatG
> > identifizieren koennen. Diese Klauberei darum, dass angeblich "als
> > solche" nicht im Gesetz stuende, ist einfach absurd.
>
> Absurd ist die Zusammenfügung von "Programme für
> Datenverarbeitungsanlagen" mit einer syntaxbedingten Partikel aus
> einem anderen Absatz zu einem angeblich eigenständigen
> Begriffskonstrukt. Unser Richtlinienentwurf macht die Absurdität
> ziemlich klar:

"Absurd" oder nicht - es ist ganz und gar uebliche Gesetzessprache.

> Ja, leider ohne Fortschritte zu erzielen.
> Die materiellen Patentierbarkeitsvoraussetzungen sind der
> entscheidende Punkt. Deshalb konzentriert sich nicht nur der FFII
> darauf, sondern auch fast alle Patentjuristen. Gestern habe ich mit
> einem Patentamtspräsidenten gesprochen und hatte größte
> Schwierigkeiten, ihm verständlich zu machen, dass man überdies auch
> noch an den Schrankenbestimmungen des Patentrechts schrauben konnte.

Naja, so viele Patentamtspraesidenten gibts ja auch nicht. ;-)

> M.E. steht dieses Thema im Moment nicht auf der Tagesordnung, und
> indem du ständig darauf verweist, setzt du dich dem Verdacht aus, die
> Swpat-Gegner in dem entscheidenen Punkt, zumindest in dem, um den es
> im Moment geht, über den Tisch ziehen zu wollen.

FFIIs Visionen vom "Programmer's Paradise" werden so nicht kommen, weil sie eine weitgehende Beschaedigung eines intakten und funktionierenden Patentwesens auch und gerade in solchen Bereichen nach sich ziehen wuerden, in denen dem Patentwesen keine anderen schutzwuerdigen Belange entgegenstehen. Der Vorschlag der "Quelltextprivilegierung" ist ein begruendeter Versuch, die in unproduktiver Weise festgefahrene Lage aufzubrechen, um in patentrechtlicher Hinsicht von der OSS zu retten, was noch zu retten ist. Ich klebe auch nicht an einer Beschraenkung des Privileges auf "Quellentext". Meinetwegen kann man auch ein "Codeprivileg" daraus machen, wenn das Vorteile bringt.

> > > Die Funktionalität ist physisch fassbar, aber zwischen ihr und dem
> > > Programm liegt kein physischer Kausalzusammenhang. Die
> > > Programmierlösung ist getrennt von der physischen Funktionalität
> > > zu betrachten, und meistens stellt nur sie und nicht die physische
> > > Funktionalität etwas neues und "erfinderisches" dar.
>
> > Auch ein Fall von "Beweis durch Behauptung". Die Funktionalitaet
> > eines Datenverarbeitungsprogrammes ergibt sich 100% kausal aus der
> > Wechselwirkung aus dem linguistischen Konstrukt und dem
> > dazugehoerigen (letztlich stets physischen) Prozessor. Wie kommt
> > man da zu der Schlussfolgerung, "die Programmierlösung [sei]
> > getrennt von der physischen Funktionalität zu betrachten"?
>
> Der Prozessor kann, wie du unten selber feststellst, mit
> unterschiedlicher Bitfolge arbeiten. Er kann aus unterschiedlichen
> Materialien sein, mit unterschiedlichen Taktraten arbeiten usw. Die
> in ihm ablaufenden physikalischen Vorgänge sind nicht durch das
> Programm determiniert. Genau das macht die Besonderheit des
> Universalrechners aus. Die Physik ist von der Logik getrennt.

Nein. Im Prozessor vereinigt sich Physik und Logik. Deshalb vertrete ich ja auch die Auffassung, dass erst die Einheit "Prozessor+Code" ueberhaupt patentrechtliche Relevanz aufweist; vgl. meinen Aufsatz

"Anmerkungen zu begrifflichen Fragen des Softwareschutzes", GRUR 1/2001, Seiten 1-16.

(Gleich dahinter kommt uebrigens ein Aufsatz von Guenther Schoelch, "Softwarepatente ohne Grenzen", der dem FFII sicherlich wesentlich besser gefallen wird als mein Elaborat. Schoelch ist Patentpruefer im Deutschen Patent- und Markenamt und setzt sich deutlich von der Tauchert-Linie ab. Dafuer hat er wiederum nur die Patent_erteilung_, nicht die Logik der Patent_verletzung_ im Blick.)

> > Das sehe ich nicht so. Datenverarbeitungsprogramme grenzen sich von
> > anderen linguistischen Konstrukten dadurch ab, dass sie zur
> > Steuerung eines physischen Prozessors bestimmt sind. Ich kann noch
> > nicht sehen, wie dadurch ein Patentschutz fuer "alle Lehren für
> > verstandesmäßige Tätigkeiten" zustande kommen soll.
>
> Nach der neuesten BGH-Rechtsprechung (s. vorigen Beitrag
> "Sprachanalyse-Pingpong") müsste auch eine dichterische oder
> kompositorische Technik als "Vorrichtung" patentierbar sein. Es ist
> dann nur noch zu beurteilen, ob die (nicht-technischen) Merkmale,
> welche die "Musikvorrichtung" von bekannten Vorrichtungen
> unterscheiden, neu und originell sind.

Ich sehe nicht, dass irgend ein ernstzunehmender (menschlicher) Komponist in seinem Kompositionsverhalten je durch einen Algorithmus beschreibbar gewesen waere. Technische Kompositionsalgorithmen in informationstechnischer Implementation koennen natuerlich patentfaehig sein. Aber das interessiert eh niemand. Experimente mit Kompositionsautomaten waeren Avantgarde in den 70er Jahren, glaube ich. Heute ist diese Richtung eher mausetot.

> S. dazu auch die zitierte Argumentation von Prof Tamai: Das, worauf
> die Patentansprüche eigentlich abzielen, d.h. worin der eigentliche
> erfinderische Wert liegt, ist von Prozessoren und sogar von Programmen
> unabhängig. Z.B. das Prinzip des Sortierens. Dieses Prinzip qua
> Verbindung mit einem Prozessor zu patentieren, ist inkonsistent.

Was soll "worauf die Patentansprüche eigentlich abzielen, d.h. worin der eigentliche erfinderische Wert liegt" bedeuten? Wogegen grenzt sich diese "Eigentlichkeit" ab?

> > Was Kolle nicht gesehen hat, ist die potentielle Gefaehrdung von
> > "Free Speech" durch das Patentrecht. Hier bietet die
> > Quelltextprivilegierung Abhilfe.
>
> Genau das hat er auch gesehen.
>
> http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-kolle77/
>
> Würden nun aber die Lehren für verstandesmäßige Tätigkeiten
> schlechthin der Technik zugerechnet, wäre eben dies der Fall. Das
> Patentgesetz würde, wie der Bundesgerichtshof es plastisch
> formuliert, zum "Auffangbecken" für den Schutz jedweder geistigen
> Leistung, sofern sie nur neu und erfinderisch wäre. Eine solche,
> auch nur mögliche Monopolisierung des Denkens ist uns fremd.
> Schließlich ist ein lückenloses System des Ideenschutzes weder aus
> Gerechtigkeitsgründen geboten noch wäre es segensreich. Denn selbst
> wenn viele Anmeldungen an den Hürden der Neuheit oder
> Erfindungshöhe zu Fall kommen sollten, könnte kaum verhindert
> werden, dass ein qualitativ und quantitativ beträchtlicher Anteil
> von Geistesschöpfungen den Patentschutz erhalten würde, dessen
> Auswirkungen aber kaum zuverlässig abschätzbar sind und der mit der
> Sperrwirkung technischer Patente nicht vergleichbare
> Behinderungseffekte nach sich ziehen könnte.

Von "Free Speech" lese ich darin nichts.

[...]

> > Ok. Hier diskutiert Kolle aber nicht Einzelheiten der
> > materiellrechtlichen Patentierungsvoraussetzungen, sondern moegliche
> > negative Auswirkungen des Patentwesens auf den Softwaremarkt. Es ist
> > eine Schwaeche der Kolle'schen Kritik, dass er den Einfluss des
> > Ambivalenzbereiches nicht erkennt und daher auch nicht ins Kalkuel
> > ziehen kann. Ich bezweifle allerdings auch, dass Kolle in 1977 den
> > Ambivalzenzbereich haette erkennen koennen. Das waren noch andere
> > Zeiten. Heute sind wir da weiter.
>
> Falsch. In mehrfacher Hinsicht.
> 1. Der "Ambivalenzbereich" ist Ergebnis deiner
> Argumentationsvoraussetzungen. Es gibt ihn nicht a priori.

Siehe meine Ausfuehrungen oben.

> 2. Die Argumentation mit dem Ambivalenzbereich ist alt. Sie hat in
> den 60er Jahren dazu geführt, dass das BPatG Softwarepatente
> erteilte. Kolle schreibt darüber in dem zitierten Artikel:
>
> http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-kolle77/
>

[...]

> Trotz der -- aus Sicht der Informatik -- grundsätzlich bestehenden
> Austauschbarkeit von Hardware und Software, die zur Annahme auch
> einer patentrechtlichen Gleichwertigkeit verführt, sind
> Computerprogrammierung und Computer-Engineering nach
> Ausgangssituation, Arbeitsweise und verwendeten Mitteln zwei Paar
> Stiefel. Wie der Informatiker aus der Offenbarung eines komplexen
> Spezialschaltwerks nicht ersehen kann, wie er einen
> Universalrechner zu programmieren hätte, kann der Computeringenieur
> aus der bloßen Offenbarung eines Programms oder gar nur eines
> Algorithmus nicht ableiten, wie er einen Spezialrechner
> konstruieren müsste. Da der Algorithmus als solcher niemals
> geschützter Gegenstand der Erfindung wäre, sondern nur die
> spezielle Vorrichtung mit ihren baulich-funktionellen Merkmalen,
> wäre im übrigen für die Patentprüfung wahre Aktrobatik vonnöten:
> aus der Angabe des Algorithmus bzw der darauf aufbauenden
> spezifischen Steueranweisung in Form eines Programms projiziert der
> Prüfer als Durchschnittsfachmann gedanklich die ihm ja ohne
> weiteres mögliche Spezialschaltung, die er anschließend mit den im
> Stand der Technik vorgefundenen Schaltwerken, Computern etc.
> vergleicht! Dass die Annahme einer generellen Äquivalenz ein Irrweg
> ist, lässt sich schließlich auch am umgekehrten Fall demonstrieren:
> sie hätte nämlich zur Folge, dass jede Spezialschaltung mangels
> Erfindungshöhe nicht patentierbar wäre, wenn ein Universalrechner
> entsprechend programmiert werden könnte. Das ist aber in aller in
> aller Regel der Fall.

Kolle hat hier eine der Problematik des Ambivalenzbereiches reziproke Fragestellung behandelt, naemlich aus einem abstrakten Algorithmus je nachdem eine dedizierte Schaltung oder ein Paar bestehend aus Prozessor und dazugehoerigem Programm abzuleiten. Das ist nicht die Fragestellung, in deren Zusammenhang der Begriff Ambivalenzbereich Sinn macht: Der Patentpruefer / der Verletzungsrichter wird mit einem Patentanspruch konfrontiert, der sich darueber ausschweigt, ob eine Softwareloesung gemeint ist oder nicht. Ausserdem darf man nicht uebersehen, dass 1977 die Patentwelt noch anders aussah, da funktionale Merkmale in patentanspruechen nicht in dem Sinne zulaessig waren, in dem sie es heute - aus gutem Grunde; vgl. meine Ausfuehrungen zur Verwissenschaftlichung des Erfindungsprozesses - sind.

Ausserdem - um Missverstaendnisse zu vermeiden - sollte man darauf hinweisen, dass die Kolle'schen Ausfuehrungen sich auf das alte deutsche Patentgesetz von 1968 beziehen. Das deutsche Patentgesetz 1981 ist am 16. Dezember 1980 neu bekanntgemacht worden und weist gegenueber dem vorherigen Zustand auch wesentliche begrifflich-konzeptionelle Aenderungen auf, u.a. hinsichtlich der Rolle der Formulierungen in Patentanspruechen.

Die Ausfuehrungen Kolles zur Aequivalenz sind so nicht auf das geltende Recht uebertragbar.

> > > So sollte es zumindest sein. D.h. das Datenverarbeitungsprogramm
> > > ist lediglich ein Mittel zur Beschreibung des physischen
> > > Verfahrens, und ob letzteres erfinderisch ist, hängt davon ab, ob
> > > es in neuer Weise Naturkräfte einsetzt. Das ist z.B. bei
> > > Datenkompression nicht der Fall.
>
> > Sicherlich doch. Auch bei der Datenkompression mittels eines
> > Mikroprozesssors arbeiten unzaehlige pn-Halbleiteruebergaenge oder
> > MOS-Transistoren unter Energieumsatz zusammen. Walten da etwa keine
> > Naturkraefte? Auch das Datenverarbeitungsprogramm hat, wenn es etwa
> > im RAM gespeichert ist, durchaus einen physischen Aspekt:
> > Ladungsverschiebungen bilden das Programm ab. Wenn die CPU diese
> > Ladungsverschiebungen abtastet, sprich: einen RAM-Lesezugriff
> > ausfuehrt, findet ein Energieumsatz statt. Warum soll man
> > patentrechtlich diese Art Physis diskriminieren gegenueber, sagen
> > wir einem ASIC, bei dem anstelle von Ladungsverschiebungen in
> > CMOS-Kondensatoren (dynamisches RAM!) ohm'sche Widerstaende
> > (Leiterbruecken) unter Energieumsatz abgetastet und zur Steuerung
> > weiterer Ablaeufe herangezogen werden?
>
> Ich sage nicht, dass man an dieser Stelle unterscheiden sollte.
> Unser Richtlinienvorschlag schlägt andere Unterscheidungslinien vor:
>
> 3. DV-Programme sind keine Erfindungen im Sinne des europäischen
> Patentrechts. Chemische Verfahren, Reifenbremsverfahren oder
> andere technische Verfahren können insoweit patentfähige
> Erfindungen sein, wie sie vom Computerprogramm nicht nur
> begrifflich sondern auch praktisch (im Hinblick auf die
> Rechtsausübung) trennbar sind. D.h. die Lösung des Problems
> muss in einem technischen Bereich jenseits des Programmierens
> liegen, und die daraus abzuleitenden Ausschlussrechte müssen
> sich auf materielle Gegenstände außerhalb des Programms wie
> z.B. Chemikalien oder Fahrzeug-Triebwerke richten.
> Entsprechendes gilt für alle in Art 52 (2) EPÜ aufgelisteten
> Kategorien nicht-patentierbarer Gegenstände.

Was soll das konkret bedeuten - "können insoweit patentfähige Erfindungen sein, wie sie vom Computerprogramm nicht nur begrifflich sondern auch praktisch (im Hinblick auf die Rechtsausübung) trennbar sind."? "im Hinblick auf die Rechtsausübung"??

> 4. Unter Technik ist der Einsatz von Naturkräften zur
> unmittelbaren
> Verursachung einer Wandlung von Materie zu verstehen.
> Gegenstände, die sowohl technische als auch nicht-technische
> Merkmale enthalten, sind nur dann Erfindungen, wenn das als neu
> und erfinderisch Beanspruchte, also der Kern der Erfindung, im
> Technischen liegt. Ein durch ein DV-Programm auf bekannten
> Geräten gesteuerter technischer Prozess ist genau dann eine
> Erfindung, wenn er auf neue Weise Naturkräfte zur unmittelbaren
> Verursachung eines nach bisherigem Wissensstand nicht
> rechnerisch vorhersehbaren Erfolges bei der Herstellung
> materieller Güter nutzt.

"Wandlung von Materie" - Was ist das? (Klingt irgendwie katholisch). In welcher Weise soll sich das von der "klassischen" BGH-Definition unterscheiden? Was ist mit "Energie", die - Einstein hat es uns ja gelehrt - nichts von Materie wesensfremdes ist?

Bei der Erfindung kann es m.E. nicht darauf ankommen, ob man einen Erfolg rechnerisch vorhersehen kann. Wenn man sich anstrengt und ein grosses Budget hat, kann man fast alles "rechnerisch vorhersehen". Da sind nur noch rechnergesteurte Verfahren im Unkreis makroskopischr Quantensysteme patentfaehig. Das kann es ja wohl auch nicht sein.

Kryptisch, unausgegoren, dunkel.

> Die grundsätzliche Annahme eines kausalen Determinismus hat nichts mit
> Vorherberechenbarkeit nach bisherigem Wissensstand zu tun.

Wie soll man denn den "bisherigen Wissensstand" z.B. hinsichtlich moeglicher Simulationsrechnungen justitiabel machen?

> > > > Das vom Computer gedanklich völlig losgelöste
> > > > Datenverarbeitungsprogramm ist als reines linguistische
> > > > Konstrukt patentrechtlich stets bedeutungslos,
> > >
> > > Tautologisch: "Ein blutleerer Kunstbegriff ist bedeutungslos"
> > > Irreführend: "Programmierverbote sind bedeutungslos"
> > >
> > > Wunderst du dich, dass das Wort vom "Rechtsverdreher" die Runde
> > > macht?
> >
> > Rhetorik ersetzt nicht Argumentation.
> >
> > Was soll hier bitte schoen das Jonglieren mit Worten wie
> > "blutleer"??
>
> Ich hätte eher "nicht klar fassbar" oder "missverständlich" sagen
> sollen.
>
> So etwas wie das "gedanklich völlig losgelöste DV-Programm" ist ein
> Konstrukt, das sich Patentjuristen ausgedacht haben, um den Art 52
> konfus erscheinen zu lassen. Eigentlich wäre eine Auslegung wie die
> unsere vorzuziehen, die dem Gesetzgeber Intelligenz unterstellt.

Begruendung?

> > > > denn seine Funktionalität erschließt sich erst aus der
> > > > Wechselwirkung mit dem ihm zugedachten Prozessor."
> > >
> > > Die Funktionalität eines Programms erschließt sich bereits aus der
> > > abstrakten Konstruktion.
>
> > Nein. Wenn ich eine CD-ROM nehme und die einzelnen Bits
> > messtechnisch ermittle, bedeuten diese noch gar nichts. Erst wenn
> > ich ein bestimmtes hypothetisches Vorwissen einbringe, etwa "es
> > handelt sich um ein Jouliet-Filesystem mit einer fuer einen Pentium
> > bestimmten Bitfolge" erschliesst ich die Funktionalitaet.
>
> Genau, du sagst es.
> Indem ich Vorwissen einbringe, erschließt sich etwas.
> All dies findet innerhalb meines Verstandes statt und ist an einem
> abstrakten Logikgebäude zu verifizieren. Jegliches empirische
> Experimentieren ist unnütz und führt sogar in die Irre.

Was hat das mit dem "Experimentieren" zu tun? Das findet doch auf einer wesentlich vorgelagerten Ebene statt. Bei dem zitierten IDEA-Patent muss man erst mal darauf kommen, dass es zur Loesung eines Problemes im Bereich der Blockchiffren sinnvoll und vorteilhaft ist, eine Vorrichtung mit den im Patentanspruch angegebenen Merkmalen zu verwenden. Hierbei moegen Experimente eine Rolle spielen. Bei der Implementation von IDEA in, sagen wir, C++ ist rein patentrechtlich gesehen weitere Kreativitaet und Experimentiertaetigkeit nicht vonnoeten.

> > > Datenkompression kann man im Kopf
> > > durchführen.
>
> > Ja sicher kann man das. Aber die Bitfolge eines
> > Datenkompressionsprogrammes erkenne ich erst und kann sie nur dann
> > gegenueber anderen Inhalten abgrenzen, wenn ich eine Annahme
> > darueber investiere, an welchen Prozessor sich die Bitfolge richtet.
>
> Die Bitfolge eines Datenkompressionsprogrammes wird von dem jeweiligen
> Patent sicherlich nicht beansprucht. Und selbst wenn so etwas im
> Anspruch stünde, wäre es nur ein sekundäres, künstlich Konkretheit
> schaffendes Zusatzmerkmal, das nichts mit dem erfinderischen Konzept
> zu tun hat.
>
> > > Für jede Formalsprache, die gewisse Anforderungen
> > > erfüllt, kann man eine automatische Übersetzung in
> > > Prozessoranweisungen bewerkstelligen.
>
> > So what? Ich kann z.B. einen (virtuellen) C++-Prozessor definieren,
> > d.h. ich lege fest, was passieren soll, wenn ein C++-Programm
> > abgearbeitet wird. Wenn ich dann ein C++-Programm scchreibe, ist
> > dessen Funktionalitaet insoweit festgelegt. Nur unter dieser
> > Voraussetzung ist Compilerbau moeglich.
>
> Was ich in C++ schreibe, ist von dem verwendeten Compiler unabhängig.
> Die Anweisungen sind auf den verschiedensten Rechnern, übersetzt über
> die verschiedensten Kompilierprogramme, ausführbar. Das abstrakte
> Konzept, auf welches ein typischer Wirkungsanspruch zielt, ist in noch
> viel höherem Maße von Prozessoren jeglicher Art unabhängig.

Nein. Wenn ich was in C++ schreibe, _muss_ ich es in einen _dazu passenden_ naemlich C++-konformen Compiler stecken. Wenn ich einen FORTRAN-Compiler nehme, funktioniert es nicht.

Im patentrechtlichen Kontext ist ein Algorithmus eine in einer für den einschlägigen Fachmann geeigneten Notation niedergelegte Abstraktion über einer Klasse funktionsäquivalenter Paare aus je einem Datenverarbeitungsprogramm als linguistischem Konstrukt und zugehörigem Prozessor.

> Unser Richtlinien-Entwurf sieht ein Programm als duales Wesen:
>
> 1. Unter einem "Programm für Datenverarbeitungsanlagen", kurz
> "DV-Programm" genannt, ist das Programm in all seinen
> Entwurfsstufen, vom gedanklichen Plan bis zu der von einem
> Menschen oder einem Prozessor ausführbaren Anweisung zu
> verstehen. Ein DV-Programm ist Bauplan und Gebrauchsanweisung,
> Verfahrensbeschreibung und Problemlösung, Sprachkunstwerk und
> virtuelle Maschine, Erzeugnis und Verfahren zugleich.
>
> Bisher ist keineswegs klar, dass die Verbreitung von
> Informationsgütern durch Patente untersagt werden darf. Warum sollte
> nur der von Patentanwälten in den Vordergrund gestellte "virtuelle
> Maschine"-Aspekt Berücksichtigung finden?

Weil es konstitutiv fuer die Begrifflichkeit der Datenverarbeitungsprogramme ist.

> Im Falle einer Klage könnte man sich möglicherweise darauf berufen,
> dass Computerprogramme nichts anderes als Verfahrensbeschreibungen
> oder Gebrauchsanweisungen seien. Man könnte dann auch auf Art 5 GG
> o.ä. pochen.

Das Problem ist dann der Art. 14 GG, auf den der Patentinhaber pochen wird, solange der Gesetzgeber nicht im Sinne eines Codeprivilegs o.dgl. gesprochen hat.

> Wo es ein "Privileg" auf Nicht-Zensur gibt, gibt eine Zensur. Durch
> Einführung des Begriffs "Quelltextprivileg" argumentiert Ihr auf
> indirektem Wege dafür, dass die Möglichkeit der Zensierung von
> Informationen durch das Patentrecht offiziell sanktioniert wird.

Dann nenne man es anders. Wesentlich ist, dass gesetzgeberisch klargestellt wird, dass die Kommunikation durch Software-Code (ueber die Frage "Quellcode und/oder Binaries" muesste noch weiter diskutiert werden) nicht durch Patentrechte verunmoeglicht werden darf.

> > > > Eine Klausel "Kunststoffe als solche sind nicht patentfaehig"
> > > > sagt naemlich nur etwas ueber das Recht AUF das Patent, nicht
> > > > ueber das Recht AUS einem Getriebepatent.
> > >
> > > Wenn Kunststoffe nicht patentfähig sind, können Getriebe trotzdem
> > > patentfähig sein, und unter ein solches Patent fällt auch ein
> > > Kunststoffgetriebe.
> > >
> > > Das hat mit der AUS-AUF-Unterscheidung nichts zu tun.
>
> > Doch. Die Einschraenkung der materiellen Patentierbarkeit von
> > Kunststoffen als solche auf der "AUF"-Seite verhindert eben nicht,
> > dass auf der "AUS"-Seite eine Patentverletzung stattfindet, wenn ein
> > bestimmtes Getriebe vermarktet wird, sei dies nun aus Kunststoff
> > oder nicht.
>
> Das ist doch gut so!
> Niemand will so etwas verhindern.
> Wir wollen auch nicht verhindern, dass industrielle Verfahren
> patentiert werden, sofern sie von einer Programmierlösung sauber
> abgrenzbar sind, wie das bei Kunststoff vs Getriebe der Fall ist.

Davon habe ich in der Argumentation des FFII bislang noch nichts gemerkt.

> Er wollte die Diskussion ganz auf die Frage des gesellschaftlichen
> Nutzens von Softwarepatenten beschränkt wissen. Er erwartet von
> Juristen, dass sie es als ihre Aufgabe ansehen, die Konsequenzen aus
> einer solchen Diskussion in Gesetzestexte umzusetzen.

Letzteres waere eher Aufgabe der Politik. Was hat das mit "Juristen" zu tun?
Weil in den Ministerien auch Leute mit zwei juristischen Staatsexamina sitzen?

> Genau deshalb,
> weil sie dies nicht tun sondern selber die Regeln bestimmen wollen,
> hat RMS allen Grund, ihnen zu misstrauen.

???

Noch wird das EPÜ durch Politiker reformiert, nicht durch Patentanwaelte etc. pp.

Die Desinformation in der Presse ist grotesk. Neulichs las ich irgendwo (habe Fundstelle leider vergessen), die Chefs der Patentaemter haetten sich zusammengesetzt, um das EPÜ zu reformieren. Was geht in den Koepfen der Journalisten vor, die sowas schreiben?

(Abgesehen davon, kleiner Hinweis am Rande: Patentanwaelte sind eigentlich ueberhaupt keine Juristen, denn sie haben regelmaessig nicht Jura studiert und deshalb auch keine juristischen Staatsexamina. Patentanwaelte sind Naturwissenschaftler und/oder Ingenieure mit juristischer Zusatzausbildung).

> > > > Z.B. duerften die meisten im Bereich Handy- Telefone erzielten
> > > > Patente per Software implementiert werden.
> > >
> > > NB: Es sind eben Softwarepatente. "computer-implementiert" ist
> > > angesichts der heutigen Sachlage ein Euphemismus. Der Begriff
> > > wurde aus der Konfusion geboren und dient der Erzeugung von
> > > Konfusion. In den meisten Fällen wird ein Problem patentiert,
> > > dessen Lösung nur im Programmieren bestehen kann. Auch wenn es
> > > eine "Hardware-Lösung" ist, handelt es sich dann nur um ein
> > > nachträglich fest verdrahtetes und irgendwo eingebettetes
> > > Programm.
>
> > Polemik, aus der zu erkennen ist, dass die Rolle der Turing-Maschine
> > in der zeitgenoessischen Technik noch nicht verstanden wurde. Mit
> > einer Turing-Maschine kann man _alles_ berechnen, was ueberhaupt
> > berechenbar ist. Insbesondere kann man mit einer einzigen
> > Turing-Maschine das Verhalten aller anderen denkbaren
> > Turing-Maschinen simulieren. Es ist nicht verwunderlich, dass ein
> > grosser Teil zeitgenoessischer Erfindungen sich in der Terminologie
> > der Turing-Maschine ausdruecken liesse.
>
> M.E. lässt sich jedes Verfahren in dieser Terminologie ausdrücken. Die
> Frage ist nur, ob man es tatsächlich unternehmen will, das jeweilige
> Verfahren mit einem Prozessor zu steuern.

Nicht jedes Verfahren. Ein Verfahren zur Haertung einer Pleulstange, indem man bestimmte chemische und thermische Behandlungsschritte durchfuehrt, ist nicht Turing-kompatibel (was nicht ausschliesst, dass man eine Maschine mit einem Mikroprozessor baut, die das Verfahren praktisch durchfuehrt. Das Haerteverfahren als solches ist nicht programmierbar; durch keine Software wird aus einer ungehaerteten Pleulstange eine gehaertete).

> > Deshalb ist es wichtig, die Ausdruecke "computer-implementierbar"
> > fuer "Turing-kompatibel" und "computer-implementiert" fuer
> > "tatsaechlich mit einer Inkarnation einer Turing-Maschine
> > verwirklicht" einzufuehren und in ihren Konsequenzen zu
> > analysieren.
>
> Non sequitur.
> Mit dem Begriff "computer-implementierbar" wird die gewünschte
> patentrechtliche Wertung bereits vorweggenommen. Es wird
> impliziert:
>
> (1) Der Computer ist ein Ausführungsmittel unter vielen

Was denn sonst? Seine Besonderheit liegt in seiner Universalitaet, aber es gibt viele Dinge unter der Sonne, die nicht vom Typ "Computer" sind.

> (2) Die Unterscheidung zwischen Hardware und Software ist sekundär

Wenn ich das richtig erinnere, war das sogar im Bezugsposting weiter oben so gemeint.

> Beides erweist sich meistens, auch in Eurem Ambivalenzbeispiel, bei
> näherem Hinsehen als falsch: die "Erfindung" liegt im Programmieren
> und alle anderen Möglichkeiten sind sekundär, werden aus ersterer
> abgeleitet und möglicherweise noch nicht einmal offenbart.

Nee. Erstmal muss man die IDEA-Datenverschluesselung erfinden, dann kann man sich an das Programmieren machen; siehe meine Ausfuehrungen weiter oben.

Ein gutes Verschluesselungsverfahren zu erfinden ist uebrigens nichttrivial. Frag mal Bruce Schneier danach.

> Ferner wird durch "computer-implementierbar" etwas falsches
> suggeriert:
>
> (3) Es gibt Verfahren, die nicht per Computer steuerbar wären

Es gibt jedenfalls Verfahren (siehe oben), zu denen man mehr als einen Computer braucht.

Im Uebrigen gibt es nicht nur Verfahrenspatente. Da sind noch Vorrichtungs-, Soff-, Verwendungs- und wasweisichsonstnoch-Patente.

> (4) Zwischen Steuerung und Implementierung gibt es keinen Unterschied.

???

> (5) Zwischen der Steuerungs- und der Beschreibungsfunktion eines
> Computerprogramms gibt es keinen Unterschied -- nur die Äquivalenz
> zwischen computerisierten und nicht computerisiserten Prozessen
> ist patentrechtlich bedeutend.

Versteh ich nicht. Was ist hier gemeint?

> > Betriebsgeheimnis funktioniert nicht. Der Geheimnistraeger braucht
> > bloss zu kuendigen und zur Konkurrenz zu gehen. Schaltplaene und
> > Code darf er zwar nicht mitnehmen, braucht er aber auch gar nicht.
> > Er hat ja bei seinem bisherigen Arbeitgeber was gelernt und kann das
> > Gelernte bei seinem neuen Arbeitgeber einsetzen, um Ruck-Zuck ein
> > noch besseres System hochzuziehen.
>
> Non sequitur.

> (1) Das Unternehmen braucht bloß seine Mitarbeiter gut zu behandeln

Naiv. Manchmal zermobben sich die Mitarbeiter entgegen den besten Intentionen der Unternehmensleitung gegenseitig, bis einer geht und - nolens volens - sich bei der Konkurrenz andient. Oder die Konkurrenz beruecksichtigt das beim bisherigen Arbeitgeber Gelernte bei der Hoehe des Gehaltsangebotes ...

> (2) So ruck-zuck geht das nicht. Softwareentwicklung ist nicht so
> trivial. Bloß die Prinzipien, die patentiert werden, sind
> trivial. Zudem ist der Zeitvorteil des ersten Unternehmens viel
> wert. Neben dem Zeitvorteil gibt es zahlreiche weitere Faktoren,
> welche die Kunden beim ersten Unternehmen halten.

Das bei der Praxis der Erfindungshoehe was getan werden muesste, ist richtig.
Richtig verstanden kann das Patentwesen (ich rede jetzt nicht spezifisch ueber SWPAT) dazu dienen, einem F&E betreibenden Unternehmen einen gesetzlich geschuetzten Zeitvorteil zu verschaffen.

> > Das eigentlich unangenehme an der FFII-Argumentation ist deren
> > lockerer Umgang mit Halbwahrheiten.
>
> Welche FFII-Argumentation? Du meintest doch wohl nur mein
> persönliches Schreiben, auf das du antwortetest, oder?

Nee, eher so der Mittelwert aller Aeusserungen aus der FFII-Ecke der letzten Zeit.

> Ist es etwa nur halbwahr, dass Eure Studie gleich am Anfang dein
> Argument vom "Ambivalenzbereich" darlegt und dann sowie später an
> verschiedenen Stellen sehr viel Raum verwendet, um für die
> grundsätzliche Bejahung der Patentierbarkeit von Software und der
> derzeitigen Rechtsprechungspraxis argumentiert?

Der Ambivalenzbereich ist ja auch ein wichtiger Punkt.



> Den anderen Teil der Wahrheit, nämlich dass Ihr zu allen möglichen
> derzeit nicht anstehenden Fragen Stellung nehmt, um z.T. sinnvolle
> Reformen anzuregen, habe ich keineswegs unterschlagen.

--AHH