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Re: swpat - versteht das noch wer? ,-)



Axel Horns antwortete auf Thomas Roessler:
> 
> > Dagegen wird der sogenannte Ambivalenzbereich angeführt, in dem
> > nicht klar erkennbar sei, ob man es denn nun rauchen und stinken
> > läßt, oder ob nur der Bürocomputer vor sich hintuckert.
> 
> Nein, nicht ganz. Im Ambivalenzbereich sind solche Erfindungen zu 
> verorten, deren Patentanspruchswortlaut man nicht klar entnehmen 
> kann, ob sie nun eine nicht-programmierbare elektronische Schaltung 
> oder einen programmierten Prozessor betreffen.

Der Patentanspruchswortlaut ist ein sekundäres Problem.
Es kommt darauf an, wo die Problemlösung liegt, nicht wie der Anspruch
formuliert ist.
 
> Beispiel fuer in diesem Zusammenhang relevante Begriffe, die, wenn 
> sie in den Merkmalen eines Patentanspruches auftrauchen, diesen in 
> den Ambivalenzbereich befoerdern koennen:
> 
> "Tiefpass" --> RC-Glied oder Signalprozessor mit Tiefpass-Programm

Das Beispiel verstehe ich nicht.
 
> > Die Frage, die
> > Hartmut nicht wirklich beantworten kann, ist, wie man diese Patente
> > abgrenzen kann.  
> 
> Ja, so duerfte es wohl sein.

Für den typischen Grenzfall nannte ich immer wieder das Kriterium:
Liegt die Problemlösung im Bereich des Programmierens/Rechnens mit
innerhalb von bekannten Modellen oder in einem Bereich, der Experimente
erfordert, durch die jene Modelle möglicherweise zu erweitern sind?
Konventionell gesagt:  liegt eine "Lehre zum technischen Handeln" oder
eine "Anweisung an den menschlichen Geist" vor?
 
> Wenn in den letzten dreissig Jahren der FFII oder sonst jemand ein 
> Kriterium formuliert haette, das auf der Seite der materiellen 
> Patentierbarkeitsvoraussetzungen klar nachvollziehbar und 
> Rechtssicherheit schaffend eine Ordnung herbeifuehrt, 

bis hier hin war alles z.B. von "Dispositionsprogramm"-Urteil, Kolle 1977
sowie Prüfungsrichtlinien hinreichend klar formuliert worden.

> die bestimmte spezifische Probleme der Softwarebranche loest, ohne in
> davon nicht betroffene Wirtschaftszweige mit heftigsten Nebenwirkungen
> auszustrahlen,

Wenn du hiermit meinst, dass Software über all dort in digitalen Systemen
patentierbar sein muss, wor früher Probleme früher analog gelöst wurden,
dann ist das tatsächlich nicht zu schaffen.  Aber diese Voraussetzung ist
falsch.  Bereits in den 70er Jahren wurden Patentanmeldungen für digitale
Telefonschaltungen abgelehnt.

> waere die SWPAT-Debatte laengst im allgemeinen Konsens
> ad acta gelegt worden.

Das Thema ist seit den 60er Jahren schwer umstritten. Es hat immer zwei
Fraktionen gegeben.  Eine, die das Patentwesen auf den analogen Bereich
begrenzen wollte und eine, die eine solche Begrenzung nicht hinzunehmen
bereit war.  Letztere ist zunehmend stark geworden. Das hat mehr mit einer
gesellschaftlichen Dynamik zu tun als mit irgendwelchen
Argumentationsschwierigkeiten.

> Ich behaupte, dass die vom FFII bislang vorgelegten
> Kriterienformulierungen schlicht nicht im obigen Sinne funktionieren.

Ich behaupte, dass viele Leute grundsätzlich nicht gewillt sind, solche
Kriterien anzuerkennen, so scharf sie auch immer ausfallen mögen.

Man kann auf zwei Ebenen dagegen vorgehen:

(1) man stellt fest, dass darin auslegungsbedürftige Begriffe
    (z.B. "rechnerische Vorhersehbarkeit", "Lehre für den
    Naturkräfte-Fachmann vs für den Programmierer") vorkommen und
    stellt perfektionistische Forderungen an diese Begriffe

(2) man stellt fest, dass gewisse Branchen aus dem Raster fallen, in
    denen Patente erwünscht sein könnten, z.B. digitale
    Telefonschaltungen oder Bioinformatik.

Diese beiden Forderungen sind einander diametral entgegengesetzt und daher
nicht gleichzeitig zu erfüllen.  Man kann aber flexible Kompromisse
finden, wenn man will.  Z.B. einerseits scharfe Abgrenzung nach
Anforderung 1, andererseits vorübergehende Gewährung außerordentlicher
Patente auf untechnische Erfindungen in gewissen Branchen, die das wollen.
Letzteres wären dann z.B. Patentansprüche auf die Informatik von
Telefonschaltungen oder industriellen Spezialgeräten.  M.E. nicht wirklich
volkswirtschaftlich sinnvoll, aber dennoch machbar, wenn man will.

-phm