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Re: swpat - versteht das noch wer? ,-)



> > Alle Verfahren sind Turing-Kompatibel, und Verfahren sind die
> > Ur-Domäne des Patentwesens.
> 
> Nein. Die _Steuerung_ aller Verfahren mag Turing-kompatibel sein; die 
> Verfahren sind es nicht notwendig. Beispiel: 
> 
>                    HCL + NaOH --> NaCl + H2O
> 
> Was ist an dieser Reaktion Turing-Kompatibel? 

Ich kann obige Schrittfolge als Algorithmus in einer Programmiersprache
formulieren.

> [Fiktiver] Patentanspruch etwa: 
> 
> "Verfahren zur Herstellung von Natriumchlorid, dadurch 
> gekennzeichnet, dass man Natronlauge und Salzsaeure zusammenbringt."
> 
> Wohlgemerkt: Die chemische Reaktion selbst als Verfahrensmerkmal, 
> nicht irgendein spezifischer Reaktor zur Durchfuehrung der Reaktion, 
> den man natuerlich mit einer computer-implementierten Steuerung 
> steuern kann.

Auch das Antiblockiersystem konnte 1980 deshalb als Grenzfall durchgehen,
weil man das naturkraeftebezogene Verfahren von einer nicht patentierbaren
Steuerungslogik abstrahieren konnte.

> Und: Die interessantesten Patentansprueche sind haeufig gar nicht auf 
> "Verfahren" gerichtet, sondern auf "Stoffe" und "Vorrichtungen".

Richtig.  

Eine "Vorrichtung" ist allerdings wiederum immer aus jedem Verfahren
ebenso rein logisch zu konstruieren wie eine turing-kompatibler
Algorithmus.  Mit dem "Vorrichtungs"-Trick erschloss der BGH bekanntlich
dieses Jahr "Sprachanalyse" und "Logikverifikation" dem Patentschutz.

Bei einem Stoff sieht es schon anders aus.  Den kann man nicht rein
logisch aus einem Verfahren konstruieren.  Wo sich aus dem neuen Verfahren
ein neues stoffliches Erzeugnis gibt, haben wir bereits den Bereich der
schwierigen Grenzfaelle verlassen:  s. Punkt 3 unserer Abgrenzungsregel

	http://swpat.ffii.org/stidi/eurili/

> [Fiktives] Beispiel:
> 
> "Pleulstange, dadurch gekennzeichnet, dass sie einen achteckigen 
> Querschnitt aufweist"

Diese Pleulstange ergibt sich, soweit ich hier ersehen kann, nicht aus
einem Verfahren.  Damit stellt sich die Frage der Abgrenzung zu
Computerprogrammen erst gar nicht.
 
> Natuerlich kann man die Funktion einer achteckigen Pleulstange 
> mittels eines Computers simulieren, aber wenn man einen Real-Life-
> Automotor haben will, muss man ein Stueck Eisen passend schmieden. In 
> diesem Sinne ist die erfindungsgemaesse Pleulstange eindeutig nicht 
> computer-implementierbar.

Ich finde nach wie vor die Fragestellung unfruchtbar, aus der sich
Begriffe wie "Ambivalenzbereich" und "computer-implementierbar" ergeben.

Fuer mich sieht es so aus:  

- Alle Verfahren sind als turing-kompatible Algorithmen und
  als Vorrichtungen vorstellbar und mehr oder weniger gut auch
  implementierbar.  M.a.W. alle Verfahren sind durch Computerprogramme
  steuerbar.
- Patenten gibt es fuer neue technische Lehren, d.h. solche, die auf
  neuer empirischer Erkenntnis beruhen / dem Naturkraefte-Fachmann 
  auf seinem Gebiet etwas neues zu sagen haben.  Die Grenzziehung mag
  rechtlich schwer umsetzbar sein, aber sie ist schon deshalb eindeutig,
  weil zwischen den philosophischen Grundkategoriene Materie und Geist
  weder Ambivalenzen noch fliessende Grenzen moeglich sind.
- Wenn sich aus einem Verfahren ein neues materielles Erzeugnis ergibt,
  ist das ein starkes Indiz dafuer, dass eine patenwuerdige technische
  Lehre vorliegt.
- Ein Computerprogramm ist nicht die Implementierung sondern die
  Gebrauchsanweisung eines technischen Verfahrens.  Wenn jemand die
  Veroeffentlichung von Gebrauchsanweisungen monopolisieren will, gibt er
  damit zu erkennen, dass keine neue technische Lehre vorliegt.

-phm