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Re: [FYI] SZ: Ein Staat mit tausend Augen



On Sun, Jan 04, 2004 at 07:17:32PM +0100, Hartmut Pilch wrote:
> > Das ist keine fragwürdige Grundlage. Eine gewisse Kontroll-
> > möglichkeit über den "Informationsfluß soweit er mich betrifft"
> > ist unabdingbare Vorraussetzung für ein freies und selbst-
> > bestimmtes Leben.
> 
> Das müsste man auch erst mal in weniger abstrakter Form nachvollziehbar 
> machen, und man müsste auch erklären, warum eine Gesellschaft aus
> gleichen freien und gläsernen Bürgern nicht möglich sein soll.

Argumentation zu diesem Thema ist nicht schwer zu finden.
z.B. in den einschlägigen Urteilen des Verfassungsgerichts,
bei manchen Philosophen, in diversen Negativutopien, ...

Wissen ist Macht. Damit das einzelne Indiviuum möglichst
frei verhalten kann, darf es nicht durch Informationen
erpressbar sein. Manche Leute haben Bedenken an Demonstrationen
teilzunehmen, wenn die Polizei filmt. Das ist sicher übertrieben,
belegt aber die Gültigkeit des Arguments.

Das Inverse zur informationellen Selbstbestimmung ist die
Pressefreiheit. Das Volk soll Macht über den Staat haben.
Deshalb hat der Staat kein informationelles Selbstbestimmung-
recht. Man verbietet die Zensur. Der Staat soll nicht frei
sein.

Weil Freiheit negativ durch Abwesenheit von Zwängen definiert
wird, ist die daraus abgeleitete informationelle Selbstbestimmung
umfassend und damit etwas abstraktes, was man nicht z.B. auf
den konkreten Fall des Schutzes privater Räume reduzieren kann.

[...]

> Dann klingt "informationelle Selbstbestimmung" schnell ähnlich so hölzern 
> wie "Geistiges Eigentum" heute meistens klingt.

Das armselige an der Diskussion um das "geistige Eigentum"
ist doch, daß sie ausschließlich auf kommerzielle Interessen
reduziert wurde, was sich schon an den begrifflichen Lügen
"geistiges Eigentum" sowie "Raubkopie" zeigt.

[...]

> > Wenn man das Argument aber einschränkt, so daß man es nicht
> > als Forderung nach einem totalitären Staat verstehen kann,
> 
> Ich kann nicht erkennen, wie aus Überwachung (z.B. nach Straßburger
> Vorbild) der totalitäre Staat folgt.

Das war nicht meine Aussage. Eine Argumentation "Der Staat
muß alles machen, was dem Schutz vor dem Verbrechen dient,
auch wenn dabei Bürgerrechte eingeschränkt werden." ist
die Forderung nach einem totalitären Staat. Diesen will auch
ein Befürworter der Überwachung nicht, er muß sich also
auch auf eine Diskussion über Grenzen und damit auf eine
abstrakte Diskussion über Grundrechte einlassen. Das ist
also nicht alleinige Aufgabe der Gegner.

[...]

> Nach wie vor stehen den spürbaren Interessen A nur die abgeleiteten und
> abstrakten Konstrukte B entgegen.

Ja, aber das "nur" in diesem Satz ist hochgradig irreführend.

Gruß,
Martin


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