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Re: [telepolis] Verlust der Geschichte (fwd)



Patrick Goltzsch schrieb:

>    > Mit der Maschinisierung der Texte
>    > wird nur das, was derzeit noch implizit laeuft,
>    > expliziert. 
>
>Das würde voraussetzen, zu wissen, was Texte wie
>transportieren und vice versa. Soweit ich das sehe, können

Das Wissen markierten die Tags, so weit, wie es explizierbar ist.
Auch der Rest, von dem man nicht mehr wissen kann, was er er
transportiert, waere als solcher gekennzeichnet. Aus formaler Sicht
ist dann alles paletti. Ebenso aus Prosa-Sicht, weil sie es ist, die
erst die spezifische Formalisierungen auslöst. Das Korrektiv fuer die
Auswahl angemessener Tags waere durch ein demokratisches
Auswahlverfahren zu sichern.

>wir noch nicht einmal begründen, warum eine Bemerkung in
>diesen Umständen als Flachs und in jenen als bitterer Ernst
>aufgefaßt wird. Die Doppeldeutigkeit muß also m.E. nicht

Dies waere gegebenenfalls aus dem markupten Kontext abzuleiten. (Im
uebrigen: Mir geht es nicht darum, Ernst oder Flachs als
Kommunikationen der Interaktion oder vielleicht auch der Literatur zu
unterscheiden und markupen. Bei professionellen Kommunikationen, um
die es mir geht, etwa dem faktischen Austausch von Geld gegen Ware
oder dem Ausbau einer elektronischen wissenschaftlichen
Superenzyklopaedie, ist es belanglos, ob und wie nebenbei noch
geflachst wird oder nicht. Diese muessen, so vermute ich zumindest,
nicht ins Set reingenommen werden (weil sie als Konfliktregler durch
Indifferenz nur auf Interaktionsniveau operieren). Es geht mir nicht
darum, die Sprache (etwa durch Neubau, wie in dem rasend spannenden
lojban-Projekt, auf das Hartmut hingewiesen hatte) vollstaendig zu
formalisieren. Mir geht es weitaus bescheidener um die Technisierung
professioneller Kommunikationen (in denen bspw. Organisationen
stehen)).

>gerettet werden. Sie wird sich automatisch sogar in den tags
>breitmachen, schon weil sie, wie die Sprache selbst, der
>Wandlung unterliegen.
>
>    > Die menschlichen Agenten ueberschaetzen
>    > ihre Rolle in diesem Gesamtspiel der sich
>    > reproduzierenden Kommunikationen dabei gewaltig. Es
>    > sind die Kommunikationen, die sich ihre menschlichen
>    > Wirtstiere suchen.
>
>Kann sein, oder auch nicht. Wie willst Du diesen
>Glaubenssatz belegen? 

<SOZIOLOGIE, Wissenschaftstheorie>
So beliebig liegt die Sache meines Erachtens nicht. Primat der
Kommunikation gegenueber den Menschen zu behaupten, ist das
soziologische Paradigma schlechthin, im Unterschied zum
psychologischen Paradigma - dem ein Grossteil der Philosophie und
Literatur und nicht zuletzt auch Teile der Soziologie (das sind die,
die keine Soziologie betreiben) sowie das Alltagsdenken zuneigen -,
demgemaess die Gedanken der Menschen Kommunikationen erzeugen. Mit
Referenz auf eine Soziologie, die gerade auf den Unterschied zu
anderem abstellt, ist dies insofern kein Glaubenssatz, sondern
spezifisches, genuin soziologisches Wissen. Oder: Wenn das ein
Glaubenssatz ist, dann auf dem Niveau, auf dem bspw. auch der
Energieerhaltungssatz ein Glaubenssatz ist. (Spaetestens mit Humboldt
kann man den Unterschied zwischen "Glaube" und "Wissen" aber wissen, 
indem "Glaube" auf eine "Offenbarung" (entweder auf die meiner
raetselhaften Subjektivitaet oder auf die Gottes) referenziert,
Wissen dagegen auf kritisierbare, demokratische
Entscheidungsverfahren einer Scientific Society. Diese
Entscheidungsverfahren greifen insbesondere in der Soziologie bislang
jedoch nur schlecht - man streitet nicht in wenigen Foren, sondern man
gruendet stattdessen neue, eigene, bequeme Foren (Verlage, Institute,
Zeitschriften) und verlautbart dort. Deswegen ist Soziologie in der 
gesellschaftlichen Wahrnehmung so belanglos geworden und - viel 
schlimmer - wissenschaftlich zweifelhaft. Gut, und dann darf man
zumindest mal nachfragen, wie ich da oben zu dieser Aussage gelange:
So wie hier.)
</SOZIOLOGIE>

>    > Na klar: "Verschiedene Zugriffsrechte" nennt man heute
>    > noch "Beruf".  Was sind Apotheker anderes als Codierer
>    > der Körperwahrnehmung oder Literaten anderes als
>    > Codierer der eigenen pubertaeren Genie-Wahrnehmung?
>
>Offenbart sich hier der eingeschränkte Blick der Theorie?
>Ein simpler Rückfall in das assoziative Denken der
>Hippie-Kultur könnte Dir beim Ausleuchten helfen, was
>Apotheker noch so alles sein könnten. (In Bezug auf die
>Literaten wüßte ich zu gerne was Goethe und sein Werther mit
>Wielands Abderiten zu tun haben.)

Patrick, mein ziemlich brutal angeschlagener Ton hier provoziert zu
Gegenreaktionen, klar. Hilf mir bitte trotzdem auf die Spruenge: Auch
ein komatoeses, dilirioeses oder wie auch immer beliebiges Assoziieren
aufgrund der Drogeneinnahme waere doch als Koerpercodierung
gegenueber der Nichtdrogen-Einnahme deutbar, oder? Ich spreche ja
nicht gleich von der Konditionierung der Gedanken des Patienten durch
den Apotheker. (Ansonsten hatte ich Primitiveres im Sinn:
Halsschmerzen oder keine_Halsschmerzen.) Gleiches gilt fuer den
Literaten: Nach der Lektuere hat man in einem guten Falle vielleicht
was gelernt (insbesondere ueber sich selbst), sicher ist dies
natuerlich nicht.

"Verschiedene Zugriffsrechte" und "Goethe" in einer Metapher
zusammenzubinden, geht bei wissenschaftlichem Anspruch ziemlich
wahrscheinlich in die Gruetze. Das macht aber nichts, wenn man eine
Metapher sowieso nur locker als Literatur versteht (wie denn auch
sonst?).

Man sieht, es bestuende auch hier ein dringender Bedarf nach einer
Diskurs-Markup-Language... dann wuerden sich vielleicht ja mal
kumulative Effekte im Anschliessen von Kommunikationen einstellen.
(Uebrigens: Als Problem koennte sich herausstellen: Wer ein Wort
zuerst sagt, dem gehoert's. Jedes Wort ein Markenname. Welche Worte
blieben frei von Abgaben an die Eigentuemer oder
Verwertungsgesellschaften? Falls sich die VG-Loesung nicht
durchsetzt: Ich melde schon mal Anspruch auf die Worte "nicht",
"oder" und "und" in saemtlichen Sprachen an.)

OT-Selbstpatsch. Bin wieder still.

Gruss, Martin