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OT: DDR-Auflösung (war: Mehr Ueberwachungskameras...)



((Vorsicht, die folgenden Antworten sind aufgrund einer mail-üblichen
Kompaktheit nicht ganz vollständig, jedoch "vollinhaltlich" zutreffend.
Auch kann die Kürze beim einen oder anderen den Eindruck von Sarkasmus
auslösen. Das ist beabsichtigt. ))

At 22:46 Uhr +0200 27.8.1999, Arne Haeckel wrote:
>Hallo Holm, hallo Liste,
>Warum hat das Volk der DDR seine Regierung wegdemonstriert?

Hat es nicht. Wie die einschlägigen Dokumentationen und die Aussagen der
DDR-Bürgerrechtler in bestätigen, ging es darum, eine bessere DDR zu
schaffen, das vorhandene Regime zur Vernunft zu bringen, Glasnost und
Perestroika auch in der DDR lebendig zu machen. Die meisten wollten nicht
die DDR abschaffen, sondern die verfassungsmäßig zustehenden Rechte
einklagen. Daß dies bei Montagsdemos geschah, lag daran, daß die
Bürgerrechtler Gesetzeslücken bzgl. der Versammlungsfreiheit recht schamlos
und frech ausgenutzt haben und so die Stasi(und letztlich auch die von
Widerspruch völlig überforderte Regierung) überrumpelt haben.

>Warum gab es die Montagsdemonstration?
siehe Antwort 1.

>Warum sind so viele 1989 über Ungarn nach Österreich und dann in die
>BRD geflohen und haben alles zuhause gelassen?

Weil sie keine Ahnung vom real existierenden Kapitalismus hatten, weil die
DDR ihnen keinen Pass/Visum für Mallorca, Amerika und Afrika gegeben hat,
weil sie schöne Westautos haben wollten und in der DDR nach 30 Jahren
Automobilproduktion immer noch Trabant die Norm war.
Wer glaubt, höhere Ziele nach Menschenrechten, Demokratie etc. hätte die
Wende ausgelöst, irrt bzw. er verallgemeinert die Motive der evtl. 5
Prozent der tatsächlich Geflohenen auf alle.

>Warum trafen sich die Menschen vor der Maueröffnung in den
>ostdeutschen Kirchen?

Weil die Kirchen sich als Deckmantel für "staatsfeindliche" und für
verändernde, reformierende Kräfte gleichermaßen hergegeben haben. Ein
Zustand, der vielen Pfarrern Sorgen machte.

>Warum konnten wir bei unseren Besuchen bei unseren "Ostdeutschen
>Verwandten" auf der Straße nicht offen miteinander reden?

Konnte man, ich konnte sogar auf offener Straße mit ganz fremden
Bundesbürgern oder mit Menschen aus der Partnergemeinde reden. Ich habe
mich auch in Gaststätten und im Urlaub ganz unverblümt mit Bundis, verwandt
oder fremd, unterhalten. Ganz lustig war eine Debatte mit einem DKPler -
der wollte nicht mehr weiterdiskutieren, als ich einlud, in Dresden zu
leben (er hatte vorher aber den DDR-Sozialismus sehr! gelobt, das muß so
1980 gewesen sein).

Möglicherweise war die Situation in den 50er und 60er Jahren, vor allem
kurz nach dem Mauerbau, anders, vielleicht war die Situation auch 68/69
anders - das kann ich nicht einschätzen.

mfG
Holm

P.S.: Wenn jetzt wieder einer aus der Liste daherkommt und mir unterstellt,
ich wüßte nicht, wovon ich rede, dann kann ich nur sagen, daß er mir leid
tut. Ich war jedenfalls recht bewußt dabei und bin mit dem personell -
nicht informationell - durchgeführten Überwachungsstaat oft genug angeeckt,
nur eben nicht so prominent wie Biermann, Boley und Co.

--
Holm Landrock, Muenchen, holm@cube.net, http://www.cube.net/~holm
"Honni soit qui pense!"