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Re: Religionen



On 1999-12-07 11:25:50 +0100, Dietz Proepper wrote:

> On Mon, Dec 06, 1999 at 10:24:29PM +0100, Thomas Roessler wrote:

>> Du verwechselst schon wieder Grundwerte und Umsetzungsversuche
>> durch selbstverständlich irrtumsbehaftete Menschen.  Die
>> katholische

> Weswegen sollte man das trennen? Ein Mörder kann doch auch nicht
> argumentieren, da war ich etwas schecht 'drauf, aber eigentlich
> mach' ich sowas nicht.

Es geht nicht um Mörder, sondern um die Frage, in wieweit ich aus
der Zugehörigkeit zu einer Weltanschauung oder Religion Rückschlüsse
auf die betreffende Person ableiten darf.

Die ursprüngliche These, die pi zum Beispiel polemisch mit dem
Stichwort "Sippenhaft" belegt hat, war, daß man Software nicht
trauen könne, an deren Erstellung Scientology-Mitglieder an
womöglich entscheidender Stelle mitgewirkt haben.  Etwas weiter
abstrahiert, läuft diese These darauf hinaus, daß man von
Scientology-Mitgliedern generell Subversion zu erwarten habe, da
Scientology eine Organisation mit verbrecherischen Zielen sei.

Es kam dann zusätzlich noch der Einwand, daß die katholische Kirche
ja auch eine Reihe von Verbrechen auf dem Buckel hätte, und es gebe
ja auch "gute" Scientology-Mitglieder.  Das sei ja eigentlich das
gleiche.


Der Unterschied liegt in der Frage, welche Aussagen ich jeweils über
einen Gläubigen ableiten kann: Ein bekennender und praktizierender
Katholik kann und wird einen Mord nicht gutheißen.  Er wird auch
frühere Verbrechen, die im Namen der katholischen Kirche verübt
wurden, nicht gutheißen.  Denn er bekennt sich zunächst einmal zu
den Grundwerten dieser Kirche (und des Christentums), macht sich
aber nicht jede beliebige Tat zu eigen, die irgendwann einmal im
Namen dieser Kirche verübt worden ist.  Er macht sich, ganz
nebenbei, auch nicht jedes Wort zu eigen, das ein Papst jemals
gesagt hat.  Denn das Unfehlbarkeitsdogma gibt es gerade mal seit
dem 1. Vaticanum von 1870±2, und es setzt für die Unfehlbarkeit
voraus, daß der betreffende Papst tatsächlich ex cathedra gesprochen
habe.  Das geschieht erstens höchst selten, und zweitens ist diese
Vorausetzung einer kritischen Prüfung durchaus zugänglich.

Ein bekennendes und praktizierendes Mitglied von Scientology macht
sich ebenso deren Grundwerte zu eigen, aber nicht unbedingt die
Musik von Chick Corea oder Filme mit Tom Cruise (oder wer war das
noch gleich?).  Und wenn - wie man ja immer wieder liest - diese
_Grundwerte_ beinahe beliebige Aktionen gegen "Gegner" von
Scientology rechtfertigen, dann muß ich von jemandem, der sich zu
diesen Grundwerten bekennt, auch beinahe beliebige Aktionen
erwarten.

Es ist nur gerechtfertigt, hieraus die nötigen Schlüsse zu ziehen -
Schlüsse, die ganz nebenbei auch einem Staat bzw. einer öffentlichen
Verwaltung zustehen, die möglicherweise von Scientology als "Gegner"
aufgefaßt werden.

Ein Scientology-Erlaß bei der Beschaffung von Software durch
öffentliche Verwaltungen unterscheidet sich damit nur marginal von
der Entscheidung, in sicherheitskritischen Bereichen auf "nationale"
Produkte zu setzen, da man bei ausländischen Zulieferern
natürlicherweise Loyalitäten zu erwarten hat, die nicht zuerst dem
eigenen Land gelten.


-- 
http://www.guug.de/~roessler/